Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck erinnert an den Volksaufstand des 17. Juni 1953
Morgenpost Online vom 15.06.2023

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat anlässlich des 70. Jahrestages des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 zur Solidarität mit der Ukraine aufgerufen. „Die Erinnerung an einst, weckt die Solidarität jetzt“, sagte Gauck in der Gedenkstunde des Abgeordnetenhauses zum Jahrestag. „Wir sind den Menschen Beistand schuldig, die für Freiheit kämpfen, wir geben ihnen eine Stimme, wenn sie es selbst nicht können“, sagte Gauck.

Wie 1953 solle erneut mit Panzern ein Stück Europa befreit werden, sagte er mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine . Tatsächlich handele es sich um eine Okkupation unter dem Deckmantel nationalen Imperialismus‘. „Wohin gehört unsere Solidarität“, fragte Gauck in Richtung derjenigen, die trotz des Angriffskrieges mehr Verständnis für Russland einforderten.

Ukraine: Erneut soll mit Panzern ein Freiheitskampf niedergemacht werden

Die Sowjetunion habe zwar einen großen Anteil daran, Deutschland vom Nationalsozialismus zu befreien und ohne die Öffnungspolitik des damaligen Präsidenten russischen Präsidenten Michail Gorbatschow wäre die Einheit Deutschlands 1990 kaum möglich gewesen. „Aber die Dankbarkeit dafür darf nicht dazu führen, die Augen über die Dunkelheit zu verschließen, die Moskau derzeit über uns bringt“, sagte Gauck.

Der ehemalige Bundespräsident würdigte den 17. Juni 1953 als ersten Aufstand gegen kommunistische Machthaber in Europa. Es folgten weitere, wie 1956 in Ungarn oder 1968 in der Tschechoslowakei. Wie der Arbeiteraufstand 1953 wurden auch diese Freiheitsbewegungen mit Panzern niedergemacht. Erst 1989 sei der Freiheitskampf in Deutschland mit dem Fall der Mauer erfolgreich verlaufen.

Aufstand für Freiheit, Demokratie und Recht

Der 17. Juni sollte daher im kollektiven Bewusstsein der Deutschen einen angemessenen Platz erhalten, forderte Gauck, der den Aufstand als 13-jähriger Schüler in Rostock miterlebt hat. „Der Volksaufstand bedeutete einen Wendepunkt in der DDR. Es war ein Volksaufstand für Freiheit, Demokratie und Recht.“

Am 17. Juni 1953 hatten in Ostberlin und 700 weiteren Orten in der DDR bis zu eine Million Menschen protestiert. Sie demonstrierten gegen höhere Arbeitsnormen - mehr Leistung bei gleichem Lohn -, aber auch gegen die Sozialistische Einheitspartei (SED), für freie Wahlen und die deutsche Einheit. Die in der DDR stationierten sowjetischen Truppen und die Volkspolizei gingen gegen die Proteste vor, es rollten auch Panzer. Mindestens 55 Menschen wurden getötet, 15.000 wurden verhaftet.

Angemessenes Erinnern an die Opfer des Volksaufstandes

„Die Freiheit verdient, sich immer daran zu erinnern, wer für sie gekämpft und gestorben ist“, sagte Gauck. Aber Deutschland tue sich schwer damit, wesentliche Freiheitsbewegungen angemessen zu würdigen. Das sollte sich ändern. „Deutschland kann Freiheit“, sagte Gauck.

Vor Gauck hatten auch Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld und der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU ) in der Gedenkstunde an die Opfer des Volksaufstandes gedacht. Die Menschen, die mit dem Aufstand für Freiheit kämpften, dürften nicht vergessen werden, sagte Wegner.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de