Tagesspiegel vom 20.06.2023 von Teresa Roelcke

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) hat sich von der kürzlich in der Berliner Kammergesellschaft getätigten Aussage, dass die sogenannte historische Mitte einer „überfälligen Zivilisierung“ bedürfe, distanziert. In der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am Montag sagte Gaebler auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Julian Schwarze, dass der Senat diese Einschätzung des Stadtforschers Benedikt Goebel nicht teile.

Ihm selbst sei die Kammergesellschaft vorher nicht bekannt gewesen. Überdies habe sich der Verein Historische Mitte inzwischen von den Forderungen Goebels distanziert, so Gaebler: „Insofern scheint das jetzt auch nicht so breit angelegt zu sein, wie es vielleicht der Tagesspiegel vermutet hat.“ Aus der Pressestelle der Senatsverwaltung hieß es auf Tagesspiegel-Anfrage ergänzend, Goebel sei mit seinen Aussagen offensichtlich übers Ziel hinausgeschossen: „Er ist mit seiner Position allein auf weiter Flur.“

„Es kann kein politisches Ziel sein, die Innenstadt nur für Menschen mit sehr hohen Einkommen zu planen. Julian Schwarze, Abgeordneter der Grünen

Der Tagesspiegel hatte von der Veranstaltung der Kammergesellschaft im Waldorf Astoria berichtet, bei der Goebel über die „Renaissance der Berliner Mitte durch die Reichen und Schönen“ gesprochen hatte. Es sei „unnatürlich und kontraproduktiv“, dass dort „nur Sozialmieter wohnen“, hieß es in diesem Zusammenhang.

Goebel ist selbst SPD-Mitglied, wie er im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Rande der Kammergesellschaft noch mal betonte. 2022 gründete er mit der Unternehmerin Marie-Luise Schwarz-Schilling die Stiftung Mitte Berlin, die sich laut Selbstbeschreibung für „neue Häuser auf dem Stadtgrundriss der 1920er Jahre“ einsetzt.

Der Grüne Julian Schwarze begrüßte die Distanzierung durch Gaebler: „Es kann kein politisches Ziel sein, die Innenstadt nur für Menschen mit sehr hohen Einkommen zu planen. Stattdessen brauchen wir mehr preiswerten Wohnraum, gerade auch in zentralen Lagen.“

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