Welt.de vom 28.06.2023

"Deutsche Wohnen & Co. enteignen", eine Berliner Bürgerinitiative, kann einen weiteren Erfolg feiern. Die Expertenkommission des Senats bestätigt in ihrem Abschlussbericht, dass die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen möglich sei.

Nach Einschätzung der zu diesem Thema vom Senat eingesetzten Expertenkommission ist die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen in Berlin möglich. Zu diesem Schluss kommen die Kommissionsmitglieder in ihrem Abschlussbericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Danach lässt das Grundgesetz ein entsprechendes Vergesellschaftungsgesetz zu, das Land Berlin habe die Kompetenz dafür, es zu beschließen.

Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit steht dem nach Auffassung der Kommissionsmehrheit nicht entgegen. Eine Mehrheit ist außerdem der Ansicht, dass die Höhe der Entschädigung für die Vergesellschaftung unter dem Verkehrswert liegen dürfe und für eine Vergesellschaftung keine Änderung der Berliner Landesverfassung nötig sei. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" über die Einschätzungen der Kommission berichtet, die ihren Bericht am Mittwoch vorstellen will.

Außerdem argumentieren die Expertinnen und Experten, dass eine Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen nach dem Gleichbehandlungsgebot zulässig sei, auch wenn dabei eine Mindestgröße von 3.000 Wohnungen oder eine vergleichbare Größenordnung zugrunde gelegt werde.

0,8 Prozent Wohnungsleerstand in Berlin

Hintergrund: Der Berliner Wohnungsmarkt steht wie kaum ein anderer in Deutschland unter Druck. Hohe Nachfrage trifft auf viele Bürger mit niedriger Einkommen bei gleichzeitig intensiver Investorenaktivität. Laut Statista lag der Wohnungsleerstand im Jahr 2021 bei 0,8 Prozent. "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" wollen deshalb Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in städtische Hand übertragen.

Bei einem Volksentscheid im September 2021 hatten fast 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen in Berlin gestimmt. Die Initiative erhofft sich dadurch mehr bezahlbaren Wohnraum. Danach hatte der damalige rot-grün-rote Senat die Expertenkommission eingesetzt.

Im Vergleich zu Alternativen zur Vergesellschaftung kommt die Kommission zu einer positiven Einschätzung: "Damit sind nach derzeitigem Erkenntnisstand für die Kommission keine anderen Mittel erkennbar, die offensichtlich einerseits in der Wirksamkeit dem Vorhaben eindeutig gleichstehen, andererseits die betroffenen Grundrechte weniger einschränken und zugleich Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belasten."

Vergesellschaftungsgesetz unter Schwarz-Rot Möglich

Seit April 2022 berät die Kommission, geleitet von früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), ob und gegebenenfalls wie Vergesellschaftungen umgesetzt werden können. Däubler-Gmelin will den Abschlussbericht laut Senatskanzlei am Mittwochnachmittag im Roten Rathaus an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und an Stadtentwicklungs - und Bausenator Christian Gaebler (SPD) übergeben.

Der jetzige schwarz-rote Senat will auf der Grundlage des Abschlussberichts über sein weiteres Vorgehen entscheiden. Für den Fall, dass die Kommission eine "verfassungskonforme Vergesellschaftungsempfehlung" abgibt, wollen CDU und SPD laut Koalitionsvereinbarung zunächst ein Vergesellschaftungsrahmengesetz beschließen. Es soll erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten und davor vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hat die Pläne für ein Rahmengesetz mehrfach kritisiert. Sie wirft dem Senat vor, das sei eine Verschleppungstaktik und fordert stattdessen ein Vergesellschaftungsgesetz.

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