Berliner Zeitung vom 08.09.2023 von Peter Neumann

Für das Projekt in der Leipziger Straße ist schon ein Millionenbetrag ausgegeben worden. Doch nun wird geprüft, ob und wie es mit dem Vorhaben weitergeht.

Erst 2027, dann 2028 – und jetzt 2029. Für die Fertigstellung der bislang vorgesehenen Straßenbahnverbindung zum Potsdamer Platz hat die Senatsverkehrsverwaltung ein neues Datum genannt. Doch seit Kurzem ist unklar, ob die Strecke in Mitte überhaupt gebaut wird. Immerhin steht nun fest, wie viele Millionen Euro für das Vorhaben bereits ausgegeben wurden und bei einem Stopp verloren gingen. Klar ist auch: Anders als bisher sind mehr Grün und Bäume momentan nicht mehr Teil des Projekts.

Es gehört zu den ältesten Infrastrukturvorhaben Berlins . Schon in den 1990er-Jahren gab es erste Ideen, das Straßenbahnnetz mit einer Strecke in der Leipziger Straße zu erweitern. Doch das Projekt dümpelte lange vor sich hin. Inzwischen sind die Vorbereitungen für die Trasse, die vom Alexanderplatz zum Kulturforum führen soll, vorangekommen. Allerdings ist nach der Wahl mit Manja Schreiner eine CDU-Politikerin Verkehrssenatorin geworden. Nun haben die Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß und Julia Schneider den Senat nach dem aktuellen Stand des Tramprojekts befragt.

„Geplanter Inbetriebnahmezeitpunkt der gesamten Strecke ist nach derzeitigem Stand das Jahr 2029“, teilte Berlins neue Verkehrsstaatssekretärin Claudia Elif Stutz den Politikerinnen jetzt mit. Doch die CDU-Politikerin wies sie auch darauf hin, dass alle Neubauvorhaben bei der Straßenbahn unter einem Vorbehalt stehen. Sie würden „unter Berücksichtigung aller Verkehrsinteressen und der Richtlinien der Regierungspolitik vorangetrieben“, sagte Stutz in der noch nicht veröffentlichten Parlamentsdrucksache.

Senat soll die Straßenbahn-Neubauprojekte überprüfen

Wer den Kurswechsel in der Berliner Mobilitätspolitik verfolgt hat, weiß, was das bedeutet. Auch die Interessen der Kraftfahrer sollen eine Rolle spielen – im größeren Maße als in den vergangenen sechs Jahren, in denen die Senatsverkehrsverwaltung unter der Ägide der Grünen stand. Als Richtlinie der neuen Regierungspolitik sieht der Koalitionsvertrag vor, dass drei Tramprojekte überprüft werden: die geplanten Strecken zum Potsdamer Platz, zum Hermannplatz sowie im Süden von Blankenburg.

Wer prüft und welche Maßstäbe dabei gelten, ist ungewiss. Im Fall des Projekts in der Leipziger Straße ist aber eines schon klar: Das bisherige Konzept, zusammen mit der Straßenbahn auch die Umgestaltung und Begrünung von Straßenraum zu planen, wird zumindest im anstehenden Genehmigungsverfahren nicht weiter bearbeitet. „Planrechtlich können im Planfeststellungsverfahren der Straßenbahnneubaustrecke nur zwingende Folgemaßnahmen berücksichtigt werden. In den weiteren Planungsschritten des Straßenbahnprojekts müssen die Planungsgrenzen im breiten Abschnitt der Leipziger Straße eng entlang des Bahnkörpers verlaufen“, erläuterte Stutz.

Wie berichtet, gibt es für den breiten Abschnitt der Leipziger Straße ambitionierte Ideen und Pläne. Bezirkspolitiker und Anwohner wünschen sich, dass dort eine lang gestreckte Grünanlage entsteht – der „Leipziger Park“. Bisherige Entwürfe der Verwaltung sehen vier Meter breite Radwege und Alleen vor. 200 Bäume sollen gepflanzt, Leitungsmasten berankt werden. Der Mittelstreifen in der Leipziger Straße soll zudem auf fünf Meter verbreitert werden und bestäubungsfreundlichen Pflanzen eine Heimstatt bieten.

„Autos sind wichtiger als eine gesunde Stadt“

Die beiden Grünen-Abgeordneten sorgen sich, dass die fürs Stadtklima wichtigen Pläne in der Schublade verschwinden. „Unsere Fragen zu den Planungsdetails der Tram in der Leipziger Straße werden vom Verkehrssenat erneut nicht beantwortet. Klar wird nur, dass die in der Vorplanung präsentierten Pläne mit Radwegen, Bäumen und Grün unter Schwarz-Rot überhaupt nicht mehr weiterverfolgt werden“, bemängelte Oda Hassepaß, Sprecherin für Verkehrspolitik . „Von Verbesserungen für das Stadtklima und der Sicherheit für Menschen, die mit dem Rad unterwegs sein wollen, bleibt nichts mehr übrig. Erneut sind Autos wichtiger als eine gesunde Stadt."

Die geplante Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz und weiter zum Kulturforum würde die Aufenthalts- und Luftqualität maßgeblich steigern, gab Julia Schneider zu bedenken. „Sie muss jetzt dringend so umgesetzt werden, wie es langjährige Planungsprozesse ergeben haben. Das Projekt hat auf der langen Bank der Überprüfungen von Schwarz-Rot nichts zu suchen“, mahnte die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Haushalts- und Umweltpolitik. „Ein Aufschub wäre zudem Verschwendung der acht Millionen, die bereits aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt wurden, und ein Schlag ins Gesicht der bereits durchgeführten Beteiligungsverfahren.“

Auf 530 Metern sind in der Leipziger Sraße schon Straßenbahngleise verlegt

Schneider bezog sich darauf, dass Staatssekretärin Stutz in der parlamentarischen Drucksache die bisherigen Aufwendungen bezifferte. „Seit Beginn der Vorplanungsphase sind externe Planungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro angefallen. Zum aktuellen Projektstand betragen die Gesamtkosten der Planung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen insgesamt circa sechs Millionen Euro“, erklärte die CDU-Politikerin. „Darüber hinaus sind für die Grundlagenuntersuchung und verwaltungsintern Planungskosten entstanden, die nicht näher beziffert werden können.“

Nicht auf der Liste der Staatssekretärin steht eine fast schon in Vergessenheit geratene Baumaßnahme , die eine verlorene Investition ist. Im Jahr 2000 ließ der damalige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) auf den 530 Metern zwischen der Mauerstraße und dem Potsdamer Platz schon mal Schienen verlegen – für umgerechnet 1,85 Millionen Euro. Dem Vernehmen nach wären die Gleise nicht mehr nutzbar.

4,1 Kilometer Strecke, davon 85 Prozent auf eigenem Gleiskörper außerhalb der Fahrbahn, zehn Haltestellen: Das sind einige Grunddaten der Straßenbahntrasse, die vom Alexanderplatz über Leipziger und Potsdamer Platz zum Kulturforum führen soll. 2010 begann die Vorplanung, derzeit laufen die Entwurfsplanung und die Vorbereitungen des Planfeststellungsverfahrens. Wenn die Ost-West-Neubaustrecke fertig ist, soll die M4 von Hohenschönhausen, Weißensee und Prenzlauer Berg bis zur Neuen Nationalgalerie fahren. Ab Mitte der 2030er-Jahre sollen die Gleise weiter nach Steglitz führen. Bislang war von 65 Millionen Euro Baukosten die Rede.

Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten wird über das Straßenbahnprojekt im östlichen Stadtzentrum diskutiert. Ende der 1990er-Jahre erregten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Aufsehen mit ihrem Vorschlag, einen Teil der Strecke als Premetro in einem Tunnel verschwinden zu lassen. Dann wiederum präsentierte der damalige Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) ein Gutachten, das die Nullvariante empfahl – also den Verzicht auf die Tram. Immer wieder gab es Vorschläge, die Gleise stattdessen in einer der parallel verlaufenden Nebenstraßen zu bauen .

Weniger Fahrstreifen für Autos – ADAC befürchtet Stau

2021 stellte die Senatsverwaltung Pläne vor, die für die Leipziger Straße nach eigener Darstellung „gewisse Einschränkungen der Leistungsfähigkeit“ bedeuten würden – so weit es um den Kraftfahrzeugverkehr geht. So würde die Zahl der Autofahrstreifen halbiert. Nutzer des öffentlichen Verkehrs , der in der Leipziger Straße künftig ohne Busse auskäme, Fußgänger und Radfahrer würden dagegen profitieren, hieß es.

„Wir befürchten extreme Rückstaus“, kommentierte der ADAC damals. Verkehrsexperten entgegneten, dass sich ein Teil des Verkehrs verlagern würde, ein anderer Teil künftig nicht mehr auf der Straße stattfände – das zeigten Erfahrungen. Senatsplaner erwarteten einen Rückgang des Autoverkehrs auf der Leipziger Straße um die Hälfte. Autofahrer würden auf die Straßenbahn umsteigen – oder Rad fahren.

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