Um diese Projekte ringen CDU und SPD
Tagesspiegel vom 09.07.2023 von Alexander Fröhlich

Der neue Senat hat sich viel vorgenommen. Politik für „eine Weltmetropole“ hat Landeschef Kai Wegner (CDU) versprochen: eine moderne Verwaltung, bessere Bürgerdienste durch Digitalisierung, mehr Wohnungen, neue Schulen, dazu die Transformation der Stadt in eine klimaneutrale Zukunft. Viel Zeit für diese ambitionierten Ziele bleibt der Regierung von CDU und SPD vor der nächsten Wahl in drei Jahren nicht.

Und die Mittel sind, auch aufgrund der Schuldenbremse, begrenzt: rund 40 Milliarden Euro. So groß ist aktuell der Landeshaushalt von Berlin . Am Dienstag will der Senat seinen Haushaltsentwurf für die Jahre 2024 und 2025 vorstellen. Er gilt als Gradmesser dafür, welche politischen Vorhaben der Regierung wichtig sind und welche sie aus Kostengründen für verzichtbar hält. Letztendlich wird der Haushalt vom Parlament verabschiedet. Um folgende Projekte und Posten wird derzeit besonders gerungen:

Bildung

Bildung, Jugend und Familie, traditionell der größte inhaltliche Posten im Haushalt, behält auch im neuen Entwurf die Spitzenposition. Mit zusammen knapp elf Milliarden Euro Ausstattung in den Jahren 2024 und 2025 sind die Mittel sogar leicht gestiegen. Rund 2,1 Milliarden Euro sind im Senatsentwurf der Schaffung dringend benötigter neuer Schulplätze gewidmet. Zusätzlich gehen zum gleichen Zweck 860 Millionen Euro kreditfinanziert an die Howoge.

Zusammen 260 Millionen Euro sollen 2024 und 2025 für die Schuldigitalisierung ausgegeben werden, für den Kitaplatzausbau sind 76 Millionen Euro vorgesehen.

Finanzierung der Bezirke

Nein, gespart wird nicht bei den Bezirken. Die Mittel für die zwölf Berliner Verwaltungseinheiten steigen nach Tagesspiegel-Informationen sogar leicht an auf rund elf Milliarden Euro im Jahr 2024 und 11,4 Milliarden Euro im Jahr 2025. Zuvor hatten die Bezirke in einem Brandbrief mehr Geld gefordert. Der Grund: vor allem die hohe Inflation von rund zehn Prozent. Neukölln hatte sogar schon eine mögliche Streichliste veröffentlicht, sollte nicht mehr Geld vom Land fließen.Im Ergebnis kommen nun noch einmal 100 Millionen Euro im Jahr obendrauf. Doch die Mehrkosten gleicht das nicht aus – allein in Neukölln fehlten zuvor fast 30 Millionen Euro. Die Bezirke werden also priorisieren müssen. Julius Betschka

Soziales

Gleich mehrere Brandbriefe gab es auch schon aus dem sozialen Bereich. Die Sorge: Das Budget der Sozialverwaltung könne um 30 Prozent schrumpfen. Die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtsverbände warnte vor diesem Hintergrund vor einer „sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bankrotterklärung.“ Zuletzt mahnte ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden zu „sozialem Zusammenhalt statt Kahlschlagpolitik.“ Wenn die öffentlichen Haushalte so stark gekürzt werden sollten wie befürchtet, dann bleibe vom sozialen Berlin „nur noch ein Gerippe übrig“, hieß es in dem Schreiben.

Aus Verhandlungskreisen heißt es, dass es so arg nicht komme, der Bereich im Gegenteil gut ausgestattet werde. Richtig dürfte sein: Insbesondere die SPD hat großes Interesse daran, für den sozialen Bereich Erfolge zu verkünden. Schließlich wurde der Gang in die Koalition damit begründet, dass man in dieser Konstellation sozialdemokratische Inhalte durchsetzen könne. Anna Thewalt

Inneres

Vor der Machtübergabe an Schwarz-Rot hatte die vormals grün-geführte Finanzverwaltung in den ersten Entwürfen den Etat der Polizei noch zusammengestrichen. Verwaltungsausgaben und Zuschüsse sollten 2023 deutlich sinken, bei den Investitionen sollte es kein Plus geben, obwohl es neue Fahrradstreifen, Blitzer und Elektro-Streifenwagen geben sollte. Vor allem aber: Auch der Kauf neuer Bodycams, für den die Polizei Kosten ihn Höhe von 3,9 Millionen Euro angemeldet hatte, war noch in Vorbereitung auf den Doppelhaushalt gestrichen worden. In der neuen Koalition habe sich vieles bewegen und durchbringen lassen, heißt es nun aus der von Iris Spranger (SPD) geführten Innenverwaltung. Es ist nicht nur eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag, sondern auch ein Prestigeprojekt, die Polizei schnellstmöglich mit Bodycams auszustatten. Bei der Feuerwehr, für die der Rechnungshof wegen der angespannten Lage im Rettungsdienst 1000 Stellen zusätzlich gefordert hat, wird es nur ein kleines Plus an neuen Stellen geben. Alexander Fröhlich

Verkehr

Unter vielen Radfahrern löste es gleich die nächste Debatte aus: Nach gestoppten Radwegen war plötzlich auch von gekürzten Mitteln für den Radwegebau die Rede. Gegenüber den ursprünglichen Haushaltsanmeldungen der Verkehrsverwaltung noch unter Ex-Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) strich die Finanzverwaltung die Mittel massiv zusammen, zeigen Dokumente, die dem Tagesspiegel vorliegen. Wie schlimm das wäre und ob das Wort Kürzung überhaupt zutrifft, darüber gehen die Ansichten weit auseinander.

Man stelle mehr Geld als jemals zuvor für den Radwegebau bereit, heißt es aus der CDU. Das schiefe Bild entstehe nur, weil das grün-geführte Haus zuvor zu hohe Mittelanmeldungen eingereicht hätte. Was man nun mache: Luft ablassen, damit nicht wieder Mittel ungenutzt bleiben. Tatsächlich hat die Verkehrsverwaltung die Radwegemittel in den vergangenen Jahren oft nur zur Hälfte ausgegeben. Andererseits sei auch das gewünschte Mehr bei neuen Radwegen nicht möglich, wenn die Mittel nicht auch anwachsen, kritisieren Beobachter. Christian Latz

Sondervermögen Klimaschutz

SPD und CDU wollen ein Sondervermögen „Klimaschutz, Resilienz undTransformation“ aufsetzen, das bis zu zehn Milliarden Euro betragen soll. In einem ersten Schritt sollen es fünf Milliarden Euro sein. Allerdings sind noch viele rechtliche Fragen, etwa nach der Verfassungsmäßigkeit, offen. Gespannt wartet die Berliner Politik auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über ein Sondervermögen der Bundesregierung und auf den Ausgang mehrerer Klagen gegen andere Sondervermögen von Bundesländern, etwa in Nordrhein-Westfalen. Daraus erhofft man sich Rückschlüsse über das, was juristisch erlaubt sein könnte.

Ein weiteres Problem dürften die Ausgabewünsche der Politiker werden. Eigentlich wollte man mit den Milliarden unter anderem die Busflotte der BVG weiter elektrifizieren oder vorhandene Förderprogramme etwa für Unternehmen ausbauen. Voraussichtlich dürfen aber keine vorhandenen Haushaltstitel mit dem Geld finanziert werden, es müssten neue geschaffen werden.Julius Betschka/Christian Latz

Stadtentwicklung , Bauen und Wohnen

Obwohl für viele Menschen eines der wichtigsten Themen, ist das Geld, mit der neue Bausenator Christian Gaebler (SPD) haushalten muss, im Vergleich zum Gesamthaushalt eher gering. Knapp 1,2 Milliarden Euro der insgesamt rund 40 Milliarden Euro stehen seiner Verwaltung im laufendem Jahr zur Verfügung.

Immerhin: Mit Kürzungen muss Gaebler wohl nicht rechnen. Im Gegenteil: Die Förderung für den sozialen Wohnungsbau soll von 750 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden pro Jahr steigen. Was Gaebler zugutekommt ist, dass das Geld nicht vollständig im Doppelhaushalt abgebildet werden muss. Die Förderung erfolgt „entsprechend dem Baufortschritt in mehreren Raten“ über sechs Jahre, heißt es aus der Bauverwaltung . Daniel Böldt

Gesundheit

Bislang steht fest: SPD und CDU wollen den Wenckebach-Campus zur gemeinsamen Akademie von Vivantes-Kliniken und Charité ausbauen, wozu in den nächsten zehn Jahren mindestens 300 Millionen Euro nötig sind. Politisch gewollt ist zudem, in den Tochterfirmen der beiden landeseigenen Großkrankenhäuser den vollen Tarif des öffentlichen Dienstes zu zahlen, was pro Jahr jeweils Millionenbeträge zusätzlich kostet. Das Geld dafür soll eingeplant sein. Grundsätzlich gilt mit Blick auf alle Kliniken, deren Bauten und Technik der Senat per Gesetz unterstützen muss: Wird die Inflation nicht ausgeglichen, wonach es derzeit aussieht, kommt das einer Mittelkürzung um circa zehn Prozent gleich. Hannes Heine

Kultur

Die Befürchtungen in der Kulturszene sind groß. Der neue Senator Joe Chialo (CDU) hatte früh Kürzungen angekündigt: „Wenn Kürzungen anstehen, müssen die Künstlerinnen und Künstler sich auch kreativ darauf einstellen können“, hatte er das begründet. Vor allem die freie Szene könnte betroffen sein. Dementsprechend besorgt ist man dort: Mitte Juni schrieb ein Zusammenschluss verschiedener Verbände aus Kunst und Kultur in einem Offenen Brief an den Senat, die Berliner Kultur stehe „auf der Kippe.“

Aktuell stünden nur drei Prozent aus dem Gesamtvolumen des Berliner Haushalts zur Verfügung, hieß es weiter. Dies sei gemessen an der Bedeutung der Kultur für die Stadt „verschwindend gering“. Unter den Erstunterzeichnern des Briefs waren der Landesmusikrat Berlin , verschiedene Theater wie das Rambazamba Theater und die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und der Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin .

Sie appellierten an den Senat, Berlins Kultur in seiner Vielfalt zu schützen. Wie viel von diesen Wünschen erhört wurde, ist noch unklar. Anna Thewalt

Wissenschaft

Bei den Hochschulen geht es um Ganze: Ihre Finanzierung für die kommenden fünf Jahre wird gerade verhandelt. Die Unis haben bereits vor „gravierendem Leistungsabfall und Personalabbau“ gewarnt, sollte der Finanzsenator die Hochschulen als Sparpotenzial sehen. Sie sorgen sich, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Steigerung von fünf Prozent der Landesmittel wieder rückgängig gemacht wird.

Weitere Knackpunkte: Die Finanzierung von zusätzlichen Studienplätzen in wichtigen Bereichen der Lehrerbildung oder der Ausbildung von Fachkräften für den öffentlichen Dienst. Sollte es hier keinen Aufschlag geben, würde das massive Kürzungen an anderer Stelle bedeuten. Tilmann Warnecke

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