Tagesspiegel vom 13.07.2023 von Teresa Roelcke

Die Charta Molkenmarkt , die auch den städtebaulichen Masterplan für das neue Stadtquartier in der Berliner Mitte enthalten soll, steht offenbar kurz vor der Fertigstellung. Das geht aus der Antwort der Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt auf eine schriftliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg hervor.

Demnach befindet sich die Charta „ derzeit in der inhaltlichen Finalisierung und verwaltungsinternen Abstimmung zur Vorbereitung der Beschlussfassung durch den Senat“. Sie solle noch im dritten Quartal 2023 dem Senat zur Beschlussfassung vorgelegt und dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gegeben werden.

In einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 5. Juni hatte Senator Christian Gaebler (SPD) noch einen Zeitplan vorgestellt, nach dem die Charta erst bis Ende 2024 fertiggestellt werden sollte, dies aber auch mit den Worten kommentiert, dass dies „im Moment sehr großzügig geplant“ sei.

Auf dem Masterplan liegt ein besonders großes Gewicht , weil er entgegen der ursprünglichen Planungen nicht auf einem Siegerentwurf aus dem städtebaulichen Werkstattverfahren aufbaut. Dementsprechend stellt sich die Frage, wie viel der Ergebnisse der bisherigen Experten- und Öffentlichkeitsverfahren darin enthalten sein werden.

Das Werkstattverfahren war im September 2022 überraschend zuende gegangen, ohne dass aus den verbliebenen beiden Entwürfen einer als Sieger benannt worden war. Stattdessen sollte von der Jury ein Empfehlungskatalog für die städtebauliche Struktur des Quartiers erarbeitet werden. Von den Empfehlungen, die die Senatsverwaltung im Folgenden veröffentlichte, distanzierte sich die Juryvorsitzende allerdings später, weil der Text durch die Senatsverwaltung gekürzt worden war. Eine durch die Jury legitimierte Textgrundlage für die Erarbeitung eines Masterplans und der Charta liegt deshalb nicht in veröffentlichter Fassung vor.

Senatsverwaltung arbeitet alleine am Masterplan
Laut der Antwort auf Gennburgs Anfrage erarbeitet nun die Abteilung II der Senatsverwaltung für StadtentwicklungStädtebau und Projekte – den Masterplan und die Charta. Offenbar werden dabei weder die beiden Planungsteams aus dem Werkstattverfahren noch die beiden landeseigenen Wohnungsgesellschaften eingebunden, die bisher für die Bebauung des Quartiers vorgesehen waren.

Auf die Frage, inwiefern die konkreten Entwürfe der beiden Planungsteams aus dem Werkstattverfahren nun in den Masterplan einfließen, antwortet Kahlfeldt: Die besagten Empfehlungen, die die Senatsverwaltung als Empfehlungen der Jury veröffentlicht hatte, seien in die Charta übernommen worden. Darin seien „die konzeptionellen Kernaussagen beider städtebaulicher Entwürfe“ enthalten. Die konkreten Entwürfe scheinen demnach nicht mehr weiter verwendet zu werden.

Die Linken-Abgeordnete Gennburg kritisiert das : „Ich habe die Sorge, dass das der finale Sargnagel für den zukunftsweisenden, klimaresilienten und bezahlbaren Entwurf des Teams von OS arkitekter mit Czyborra Klingbeil Architekturwerkstatt ist.“ Sie findet es außerdem problematisch, „dass das Parlament bei so einem wichtigen Thema nicht mitentscheiden darf, sondern den Senatsbeschluss nur zur Kenntnis nehmen soll“.

Es ist problematisch, dass das Parlament bei so einem wichtigen Thema nicht mitentscheiden darf, sondern den Senatsbeschluss nur zur Kenntnis nehmen sollKatalin Gennburg, Linken-Abgeordnete

Ungewöhnlich für die Entwicklung eines Masterplans ist auch, dass die bisher als Bauherrinnen vorgesehenen landeseigenen Wohnbaugesellschaften WBM und Degewo nicht in die Erarbeitung einbezogen werden. Sie seien „in die Erarbeitung der Grundlagen“ im Zeitraum von 2020 bis 2022 „inhaltlich und prozessbezogen einbezogen“ gewesen. Der Sprecher der WBM bestätigte auf Anfrage: „Die WBM ist derzeit nicht in den Prozess der Erarbeitung des Masterplans eingebunden, da dieser verwaltungsintern erarbeitet wird. Stand jetzt gehen wir davon aus, dass die beiden Blöcke A und B vollständig durch die WBM erbaut werden.“

Tatsächlich ist aber auch die Frage, wer wo bauen soll, wieder unklarer geworden : Die neue schwarz-rote Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, dass statt nur landeseigene auch „gemeinwohlorientierte“ Bauherren am Molkenmarkt bauen sollen. Grundsätzlich will Schwarz-Rot als Neuerung auch vereinzelt Grundstücke an Genossenschaften verkaufen , was auch den Molkenmarkt betreffen könnte.

Die WBM hat bereits einen sogenannten Einbringungsvertrag mit dem Land Berlin für die Blöcke A und B geschlossen. Block C ist bisher für die Bebauung durch die Degewo vorgesehen. Da dort aber auch noch der Bund und ein privater Eigentümer einen Grundstücksteil besitzen und die Zuschnitte vor der Bebauung eventuell ohnehin noch umstrukturiert werden sollen, rückt dieser Block wohl für eine mögliche Vergabe an nicht-landeseigene Bauherren in den Fokus.

Entsprechend vage fällt die Antwort eines Degewo-Sprechers aus – auch auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass die Degewo am Ende überhaupt nicht als Bauherrin am Molkenmarkt zum Zuge kommt: „Ich kann Ihnen leider derzeit nur mitteilen, dass degewo in diesem Projekt konstruktiv mit allen Beteiligten zusammen arbeitet und eine Bebauung auf landeseigenen Flächen anstrebt. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir uns nicht weiter zum laufenden Verfahren äußern.“

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