Späte Hilfe für die Ost-Moderne
Tagesspiegel vom 19.07.2023 von Falk Jaeger

Als Axel Springer 1966 sein Verlagshochhaus an der Kochstraße unmittelbar an die Sektorengrenze rückte, also von „drüben“ gut sichtbar, wurde das in Ost- Berlin als Provokation empfunden. Und es war wohl auch so gemeint. Als Antwort darauf entstand das 1970-73 an der Karl-Liebknecht-Straße erbaute Haus des Berliner Verlags.

Sein Architekt Karl-Ernst Swora (1933 – 2001) gehörte zu den Generalplanern der Hauptstadt und zu den wichtigsten Protagonisten der später „Ostmoderne“ genannten DDR-Architektur jenseits des Plattenbaus. Die Ungarische Botschaft und später das Charité-Klinikum, das Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur an der Friedrichstraße sowie der Hauptbahnhof (heute Ostbahnhof) gehen auf ihn zurück.

Das Haus des Berliner Verlags fügte sich einerseits in das städtebauliche Hochhausscheibenensemble rund um den Alexanderplatz ein, setzte aber mit dem angefügten Treppenturm, der vom ringförmig Werbeschriftzug „ Berliner Verlag“ bekrönt wurde, sowie dem kühn vorkragenden, mit einem farbigen Fries geschmückten Pressecafé ein signifikantes Zeichen. Mit seiner im Vergleich zu den Nachbargebäuden differenzierten Fassade, mit seiner Zeichenhaftigkeit und seiner kultur- und politikhistorischen Bedeutung erfüllt es die Kriterien als Baudenkmal . Dennoch galt es in der Ära des Senatsbaudirektors Stimmann als Abrisskandidat und wurde erst 2015 unter Denkmalschutz gestellt.

Spielball der Investoren
Da war es eigentlich schon zu spät. Bereits 1996 hatte sich der Medienkonzern Gruner + Jahr, der den Berliner Verlag nach der Wende übernommen hatte, der wartungsintensiven Fassade entledigt und das Erdgeschoss umgeformt. Verlag und Investment blieben jedoch glücklos. 2016 erwarb der amerikanische Investor Tishman Speyer Properties das Haus, um es nach Leerstand und Zwischennutzung einer neuerlichen Sanierungskampagne zu unterziehen. Dabei sollte anstelle rückwärtiger Nebengebäude ein Anbau entstehen. Doch wie bei derartigen Investitionen so üblich, wechselte der Eigentümer bereits vor Abschluss des Projekts. Die German Estate Group GEG aus Frankfurt steht zurzeit im Grundbuch. Sie gehört zum Portfolio der DIC Asset AG.

Komplizierte Verhandlungen
Immerhin, das mit Sanierung und Anbau beauftragte Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner gmp hatte durchgängig Tishman Speyer als Bauherr und Ansprechpartner. Und die amtliche Denkmalpflege, die sich plötzlich sehr intensiv des Objekts annahm, nachdem sie 15 Jahre lang geschlafen hatte. Zur Abstimmung der Fassade des rückwärtigen Neubauteils waren 17 Ortstermine vonnöten. Tishman Speyer wollte glatte Ganzglasfassaden. Die Architekten antworteten mit einem vorgesetzten vertikalen Lamellensystem, das den Baukörper in der Schrägsicht als massives Gebäude erscheinen lässt und mit der Nachbarschaft harmoniert.

Unsichtbare Dachterrasse
Eine für die Büromieter nutzbare Dachterrasse war dem Bauherrn extrem wichtig. Sie durfte aber nicht als solche in Erscheinung treten. Die gläserne Brüstung wurde entsprechend zurückgesetzt. Die großartige Rundumsicht ist naturgemäß bei den Mietern beliebt für Pausen.

Ein Fries kommt zum Vorschein
Der zweigeschossige Vorbau mit Freitreppenzugang war als weithin sichtbares Pressecafé gebaut worden. Die Fassade über dem Fensterband schmückte der Maler und Grafiker Willi Neubert (1920 - 2011) mit einem umlaufenden Monumentalfries. Der war zuletzt hinter einer Verkleidung verschwunden, auf dem Werbung für das Grillrestaurant Escados gemacht wurde. Bei der Sanierung wurden der Fries und der originale Schriftzug „Pressecafe“ wieder ans Tageslicht geholt, instand gesetzt und die Natursteinfassaden erneuert.

Die oberen Etagen das Hochhauses sind als Büros vermietet. Auch der Berliner Verlag hat wieder eine Etage bezogen. Der rückwärtige Anbau entlang der Hirten- und der Rosa-Luxemburg-Straße spricht mit seiner Lamellenfassade eine ähnliche Sprache und tritt mit dem Hochhaus in den Dialog.

Fast im alten Outfit
Als „Pressehaus am Alexanderplatz“ firmiert das einstige Haus des Berliner Verlags heute, frisch renoviert und – fast – im alten Outfit. Mit seinem friesgeschmückten Café grüßt es hinüber zum im gleichen Geist der Ostmoderne entstandenen Haus des Lehrers, das mit der Kongresshalle den Stadtraum des erweiterten Alexanderplatzes nach Süden abschließt. Beide Inkunabeln der DDR-Architektur sind aufwendig denkmalpflegerisch ertüchtigt worden und halten die Erinnerung an die Hauptstadtarchitektur der DDR wach. Was dazwischen geschieht, beim Haus der Statistik, bei den geplanten neuen Hochhäusern rings um den Alexanderplatz, bleibt auch 34 Jahre nach dem Mauerfall in der Schwebe.
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Das Pressehaus am Alexanderplatz wurde vom Büro Gerkan, Marg und Partner saniert.

Zitat

In der Ära des Senatsbaudirektors Stimmann galt das Haus als Abrisskandidat und wurde erst 2015 unter Denkmalschutz gestellt.

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