Hier die Kosten, da die Nachhaltigkeit. Vieles spricht für, vieles gegen den Umzug der ZLB an die Friedrichstraße . Ein Pro und Contra.
Morgenpost vom 30.08.2023 online news

Mit seinem Vorschlag, die Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) könne doch in das Quartier 207 an der Friedrichstraße einziehen, trat Kultursenator Joe Chialo (CDU) eine Diskussion los. Wie geeignet der Standort im Gebäude des Kaufhauses Galeries Lafayette ist und wie viel Berlin für seine Zentralbibliothek ausgeben kann und will, ist noch nicht geklärt. Im Herbst soll eine Entscheidung her. Das sind die Argumente für und gegen einen Bibliotheksstandort im Quartier 207.

Pro: Argumente für eine Bibliothek in den Galeries Lafayette

Andere europäische Städte bauen für ihre Bibliotheken Vorzeigehäuser, als Beispiele werden gerne Oslo und Amsterdam genannt. Noch dazu ist die ZLB mit ihren beiden Gebäuden Berlins bestbesuchte Kultureinrichtung. All das spricht aus Sicht der ZLB dafür, dass Berlin sich nun – nach Jahrzehnten – um eine Lösung für die Standortfrage der Bibliothek kümmern sollte. Denn die ist dringend: Infrastruktur, Bausubstanz und Fläche in der Amerika-Gedenkbibliothek am Halleschen Tor und der Berliner Stadtbibliothek in Mitte sind alles andere als angemessen.

Dagegen sei das Gebäude der Galeries Lafayette geeignet, die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands zu beherbergen. „Wir haben definiert, welche Räume und Ausstattung wir brauchen und gemeinsam mit Fachleuten geprüft, ob das Quartier 207 diese Anforderungen erfüllt“, erklärt die Sprecherin der ZLB, Anna Jacobi, das Vorgehen, das schon vor Chialos Ankündigung begonnen hatte. Dass die Außenmagazine am Westhafen in den Galeries Lafayette keinen Platz finden, stört sie nicht. Dass man bei jedem Standort Kompromisse machen müsse, darauf habe man sich schon lange eingestellt.

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Auch wenn es wohl nicht bei wenigen baulichen Maßnahmen bleiben würde, ist ein Umbau möglicherweise doch nachhaltiger als ein Neubau, wie er zuletzt für den Blücherplatz angedacht war und wieder verworfen wurde. Es müssten zumindest keine neuen Flächen versiegelt werden und der Standort im Zentrum der Stadt wäre gesichert, ohne nach freiem Baugrund suchen zu müssen.

Ein Argument der Befürworter der Galeries Lafayette als Standort für die ZLB ist die Wiederbelebung der Bürowüste Friedrichstraße . Mit 1,5 Millionen Besuchern jährlich wäre die Bibliothek sicher ein Frequenzbringer. In der Tat würde durch die ZLB zwar nicht der Umsatz von teuren Luxusboutiquen angekurbelt werden, doch könnte die Friedrichstraße durch die Bibliothek zukünftig wieder von Menschen aufgesucht werden, die weder dort arbeiten noch Touristen sind. Die Gewerbestruktur würde sich dadurch sicherlich verändern.

Contra: Das spricht gegen die ZLB an der Friedrichstraße

Dementsprechend wenig Hoffnung setzt daher ein Gewerbetreibender von der Friedrichstraße in die ZLB. Der typische Bibliotheksbesucher gehöre „nicht zu der Klientel, die eine gehobene Einkaufsstraße befruchten können“. Eine „verstaubte“ Bibliothek zieht er dem Luxus-Kaufhaus Lafayette nicht vor.

Gegen einen Umzug an die Friedrichstraße spräche, dass die Außenmagazine der Bibliothek nach wie vor am Westhafen verbleiben müssten. Schon jetzt fährt täglich ein LKW zwischen mit Büchern der ZLB durch Berlin um Medien von einem Bibliotheksstandort zum anderen zu bringen.

Wer heute einen Titel aus dem Außenmagazin bestellt, muss bis zum nächsten Tag warten, bis er ihn abholen kann, so ZLB-Sprecherin Jacobi. Der Buchtransporte hätte mit der ZLB in den Galeries Lafayette zwar eine Station weniger, würde aber nicht unverzichtbar werden.

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Das Hauptargument gegen einen Umzug der ZLB an die Friedrichstraße ist der Kostenpunkt. Der US-amerikanische Immobilienunternehmen Tishman Speyer, jetziger Eigentümer, will für das umgebaute Gebäude knapp 600 Millionen Euro haben. Damit spielt das Projekt in der gleichen Preisklasse wie der vormals geplante Neubau am Blücherplatz, der aus Kostengründen verworfen wurde.

Noch dazu sind diese Kosten nicht im Haushalt veranschlagt und auch im neuen Haushalt schwer unterzubringen. Dementsprechend uneuphorisch verwies Finanzsenator Stefan Evers(CDU) lediglich auf nun nötige Abstimmungsgespräche zur Finanzierung.

Dass die 590 Millionen Euro – so das Angebot von Tishman Speyer – an einen profitorientierten Immobilienkonzern gehen, sorgt ebenfalls für Kritik und widerspricht der Maxime, Investitionen primär in landeseigene Liegenschaften fließen zu lassen und nicht an Private.

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