Wenn schon nicht das Original, soll zumindest eine Kopie an den Ursprungsstandort, den Schloßplatz
Berliner Morgenpost vom 22.09.2023 von Isabell Jürgens
Mindestens eine Nachbildung des Neptunbrunnens muss wieder an seinen Ursprungsstandort. Das fordert eine Allianz aus sechs Bürgervereinen, die sich für eine Neugestaltung des Schloßplatzes in Anlehnung an den Zustand vor der Zerstörung aussprechen. Gerichtet ist die Forderung an die Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt. Diese hatte bei einem Ortstermin kürzlich verkündet: „Der Neptunbrunnen bleibt selbstverständlich vor dem Roten Rathaus.“ Und ergänzt: „Der Schloßplatz bekommt eine neue, moderne Brunnenanlage, die Vorgespräche laufen.“
Eine Aussage, die bei der Allianz Berliner Bürgervereine auf scharfe Kritik stößt, zumal die schwarz-rote Koalitionsvereinbarung diese Frage bislang offen ließ. In dem Anfang April veröffentlichten Papier zur künftigen Gestaltung des Schloßplatzes heißt es lediglich, „am historischen Standort des Neptunbrunnens wird eine Brunnenanlage errichtet“.
Geschenk der Stadt Berlin an Kaiser Wilhelm II.
Die Allianz, die sich aus den Vereinen Berliner Historische Mitte e.V., Errichtungsstiftung Bauakademie , Forum Stadtbild Berlin e.V., Gesellschaft Historisches Berlin e.V., Planungsgruppe Stadtkern und Stadtbild Deutschland e.V. Ortsverband Berlin zusammensetzt, hatte damit die Hoffnung verbunden, die Wiederherstellung einer Brunnenanlage auf dem Schloßplatz werde sich am historischen Vorbild orientieren.
Der Schlossbrunnen – so der eigentliche Name des Neptunbrunnens – der von 1891 bis 1951 vor dem Berliner Schloss stand, war ein Geschenk der Stadt Berlin an Kaiser Wilhelm II. Auf Beschluss der DDR-Führung wurde die Brunnenanlage nach der Sprengung des Berliner Schlosses im Zuge der Neugestaltung der Ost- Berliner Mitte 1969 vor dem Fernsehturm zwischen dem Roten Rathaus und der Marienkirche aufgestellt.
Die von der Senatsbaudirektorin verkündete „moderne Brunnenanlage“ werde den Schloßplatz der Beliebigkeit preisgeben, befürchtet die Allianz. Sie vertritt den Standpunkt, „dass es die beste Lösung wäre, die originalen Figuren des Schloßbrunnens nach ihrer ohnehin fälligen Restaurierung in einer rekonstruierten Brunnenschale wieder an dem Ort aufzustellen, für den sie entworfen wurden: dem Schloßplatz.“ Eine moderne Brunnenanlage würde hingegen zum jetzigen Standort vor dem Fernsehturm passen.
Seit Jahren wird in Berlin um die Rückführung des Neptunbrunnens von seinem gegenwärtigen Standort zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus auf den Schloßplatz gestritten. Auslöser des Streits war 2015 die überraschende Zusage des Bundes, zehn Millionen Euro für die Sanierung und Umsetzung der von Reinhold Begas 1888–1891 im Stil des Neobarocks geschaffenen Brunnenanlage an ihren historischen Standort vor dem Berliner Schloss freizugeben.
Schon damals war das Angebot des Bundes in der auch damals SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht gut angekommen. Dort begrüßte man zwar das finanzielle Engagement des Bundes in Berlin . Allerdings wolle man der stadtweiten Debatte über die Zukunft des Rathausforums nicht vorgreifen, eine Versetzung des Brunnens stehe daher nicht zur Diskussion.
Spenden sammeln für eine originalgetreue Kopie
„Heute wie damals ist der Brunnen mit seiner flachen Granitschale ein an Sommertagen beliebtes Wasserspiel und leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufenthaltsqualität an seinem Standort“, schreiben die Verfasser des Aufrufs. „Da aber jüngst die Entscheidung gegen eine Versetzung des Schlossbrunnens verkündet wurde und wir die Gefahr sehen, dass eine beliebige moderne Gestaltung des Schloßplatzes die Wiederaufbauleistung der Schlossfassaden entwerten würde, setzen wir uns im Namen zahlreicher baukulturell interessierter Berliner Bürgerinnen und Bürger dafür ein, dass bei der Neugestaltung des Schloßplatzes prägende Charakteristika des Zustands vor der Zerstörung um 1950 wiederhergestellt werden“, heißt es darin weiter.
Der Begas’sche Schlossbrunnen könnte, so der Vorschlag der Allianz, als spendenfinanzierte Replik wiederentstehen, ebenso die beiderseitigen Schmuckbeete, die südlichen Schlossterrassen und die Grünanlage am Schlossrondell. An der West- und Südseite des Platzes könnten neu gestaltete Grünflächen entstehen, die dort heute befindliche Durchgangsstraße aufgehoben werden. „Dies würde die Wiederherstellung des kunsthistorischen Zusammenhangs von Schlossfassade und Schloßplatz ermöglichen, immerhin über fünf Jahrhunderte der protokollarisch bedeutendste Platz Berlins “, heißt es zur Begründung weiter.
Ein rekonstruierter Schlossbrunnen mit den historischen Schmuckbeeten des Schloßplatzes, in Verbindung mit weiteren Baumpflanzungen und Grünanlagen an den Platzrändern und verkehrsberuhigenden Maßnahmen, „würde der Forderung nach Klimaresilienz entsprechen und wäre zugleich eine der geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung des Platzes angemessene Lösung“, so der abschließende Appell.