Der Sakralbau am Berliner Petriplatz soll künftig drei Religionen unter einem Dach vereinen. Nun läuft das Prestigeprojekt Gefahr, sich massiv zu verzögern – bestenfalls.
Tagesspiegel vom 09.10.2023 von Cristina Marina 

Es sollte der weltweit erste Sakralbau für drei große Weltreligionen werden. So klang es, groß beworben und mächtig ambitioniert, noch vor drei Jahren – die Rede war vom House of One am Petriplatz . In der historischen Mitte Berlins sollte ein Haus entstehen, das unter seinem Dach eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche vereint. Es war ein bedeutsames Unterfangen mit einer starken Aussage, die vor allem angesichts der Kriege dieser Welt hoffnungsfroh stimmte.

Die Hoffnung wird inzwischen von leisen Zweifeln getrübt. Auf der Baustelle hat sich seit dem Baubeginn im Jahr 2021 wenig getan. Ob der Bau zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung noch irgendeine Vorreiterrolle spielt oder sich ein solcher bis dahin vielmehr schon längst zum weltweiten Standard entwickelt hat, sei dahingestellt. Denn die Fertigstellung, so ist zu befürchten, liegt in ferner Zukunft.

Geplant wird daran seit 2011 . Mehrmals wurden Start und Ende der Bauarbeiten verschoben, allein die Grundsteinlegung, zunächst für 2015 an- und avisiert , verzögerte sich um ganze sechs Jahre. Diverse Krisen wie etwa die Corona-Pandemie samt Lockdown führten zur Stagnation auf der Baustelle . Doch auch, nachdem die meisten Krisen vorbei waren, ging es mit dem House of One nicht wirklich weiter.

Was bisher geschah

Auf den ersten Blick passiert am Petriplatz jede Menge: In diesem Sommer wurde auf dem Gelände ein Baucontainer aufgestellt , der über das Vorhaben informieren soll. Der neue „Informationsort“ wurde im Beisein der Bezirksbürgermeisterin aus Mitte feierlich eröffnet.

Zudem lobte die Stiftung des House of One in diesem Jahr erstmals einen Friedenspreis aus. Er ging an einen Bischof aus Georgien: Malkhaz Songulashvili. Christian Wulff , früherer Bundespräsident und Mitglied des Stiftungskuratoriums, hielt im August die Laudatio an den Preisträger.

Auf der Baustelle selbst geht es unterdessen um Archäologie . Nach Angaben der Pressestelle wird derzeit der Boden der St.-Petrikirche an der Stelle abgebrochen, wo später der Seminarraum des House of One stehen soll. Dieser Raum liege tiefer als die anderen Räume, daher sei das notwendig, hieß es. Für die Archäologen eröffne sich damit erstmals – und auch zum letzten Mal – die Möglichkeit, unter dem Boden der Kirche den Berliner Grund zu erforschen, teilt Pressesprecherin Kerstin Krupp mit. Eine Grabungsleiterin sichere aktuell auf dem Petriplatz „mögliche neue Erkenntnisse“.

Bis zum eigentlichen Baubeginn dauert es also noch: „Nach Abschluss der archäologischen Arbeiten wird im nächsten Schritt das Grundwasser abgesenkt, um – nach Abschluss des europaweiten Vergabeverfahrens – Mitte kommenden Jahres mit dem Rohbau beginnen zu können“, schreibt die Pressestelle weiter.

Warum dauert der Bau so lange?

Ein Hauptgrund für die Verzögerung liegt in den stark gestiegenen Kosten . Die ursprüngliche Schätzung von 2020 sah für den Bau des House of One Kosten in Höhe von 47,2 Millionen Euro vor. Seitdem haben sich die Baupreise laut Statistischem Bundesamt unter anderem aufgrund von Inflation um fast 40 Prozent erhöht. Auch war das öffentlich finanzierte Gebäude nach der Richtlinie der neuen Bundesregierung verpflichtet, mehr Energie zu sparen als zunächst vorgesehen, was weitere Kostensteigerungen nach sich zog.

69,5 Millionen Euro soll der Bau nach aktuellem Stand kosten.

Insgesamt liegen die Baukosten aktuell bei 69,5 Millionen Euro . Dabei seien mit einem Budget von drei Millionen Euro bereits künftige Preiserhöhungen berücksichtigt, teilt die Pressestelle mit, da „wesentliche Leistungen“ erst in einem Jahr vergeben werden sollen.

Was weitsichtig klingt, täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass eine beträchtliche, für den Bau dringend benötigte Summe fehlt. Als Ergebnis politischer Verhandlungen hatten sowohl Bund als auch Land ihre Förderung um jeweils rund sechs Millionen Euro aufgestockt. Die Spenden, öffentlichen Gelder und Eigenmittel summieren sich aktuell auf 53,2 Millionen Euro .

Ausgegeben wurden davon bislang rund acht Millionen Euro . Darin waren laut Pressestelle Kosten für Gründungsmaßnahmen, Planung , so beispielsweise für Architekten, Tragwerk und Haustechnik, für Personal sowie für sonstige Baunebenkosten enthalten.

Wer’s glaubt, wird selig
Die Verantwortlichen halten am Zeitplan fest: Das Haus soll, wie schon im vergangenen Jahr angekündigt, 2028 fertig sein. Die offene Differenz von schlappen 16,3 Millionen Euro? „Die zusätzlichen Kosten werden über ein baubegleitendes Fundraising eingeworben, dessen Ausweitung mit großer Intensität vorbereitet wird“, schreibt dazu Pressesprecherin Krupp. Und erläutert auf Nachfrage, das House of One setze dabei besonders auf Kampagnen wie etwa Weihnachtsspendenaktionen – und wolle auch Großspender akquirieren.

Ein hehres Ziel. Nur ist es auch realistisch? Das Spendenvolumen war in den vergangenen Jahren stetig gesunken. 2022 waren insgesamt 663.500 Euro eingegangen. Bliebe es bei dieser jährlichen Summe, bräuchte es fast ein Vierteljahrhundert , bis die benötigte Differenz zusammenkäme.
Man darf einwenden: Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut. Für den Kölner Dom brauchte es gar unglaubliche 600 Jahre. Und das House of One, allein von seiner Aussage, ist ohnehin auf lange Sicht angelegt. Ein Projekt für die Ewigkeit , sozusagen.
Oder, wie die drei Initiatoren, Rabbiner Andreas Nachama, Pfarrer Gregor Hohberg und Imam Kadir Sanci im Vorwort ihrer Festschrift zum zehnjährigen Bestehen der Idee des House of One schon schrieben: „Der Prozess, der die Entstehung des House of One begleitet, bleibt eine Suchbewegung vor Gott, ist menschliches Tun, unfertig und mit offenem Ausgang . Das letzte Wort hat Gott!“

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