Schimmel-Schule wird nun saniert statt abgerissen
Tagesspiegel vom 18.12.2023 von Susanne Vieth-Entus

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen will das denkmalgeschützte, aber mit Schimmel belastete Gebäude der Anna-Lindh-Schule in Wedding komplett erhalten und die Sanierung selbst in die Hand nehmen. Bei einem Gespräch mit dem Tagesspiegel erläuterten Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, Baustaatssekretär Alexander Slotty (SPD) und Mittes Bildungsstadtrat Benjamin Fritz (CDU) die Entscheidung.

„Das öffentliche Interesse an Beschulung und an Denkmalschutz muss kein Widerspruch sein“, lautet Kahlfeldts Botschaft. Beides lasse sich durchaus zusammen denken. Das bedeute im konkreten Fall, dass die schmalen Flügel des Fünfziger-Jahre-Gebäudes in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt verbreitert werden dürften, um mehr Platz zu schaffen. Zudem erlaube der Landeskonservator, dass ein 22 Meter hoher moderner Typenbau mit einer Turnhalle im obersten Stockwerk dem Ensemble hinzugefügt werde, umreißt die Senatsbaudirektorin den nach einem monatelangem Abwägungsprozess gefundenen Kompromiss.

Die Senatsverwaltung für Bauen war unter Zugzwang geraten, weil das Bezirksamt Mitte im Dezember 2022 den Abriss des Ensembles beantragt hatte: Nach jahrelang immer wieder auftauchendem Schimmelbefall befürchteten Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) sowie die zuständigen Stadträte, dass die Sanierung nicht nur teurer, sondern auch langwieriger und unberechenbarer als ein Neubau würde. Angesichts der Schulplatznot wollten sie dies nicht riskieren.

Danach begann das Warten: Durch die Wiederholungswahl und den Wechsel der oberen Denkmalschutzbehörde von der Kultur- zur Bauverwaltung lag die Planung brach. Dann aber habe man einen „Senkrechtstart“ geschafft, betont Kahlfeldt. Dazu gehörte, dass „sehr gute Gutachter“ und „renommierte Büros“ beauftragt worden seien, um das Schimmelproblem einzuschätzen.

Das Ergebnis: Die Sanierung sei nicht nur möglich, sondern entsprechend den damals verwendeten Materialien und der damaligen Bauweise „einfach“, wie Kahlfeldt betont. Klar sei: „Der Schimmel darf nicht wiederkommen.“ Dafür werde die beauftragte Firma dann auch haften.

1000 Schulplätze als Ziel

Auf einen großen Vorteil des Standortes zwischen Guinea-, Transvaal- und Togostraße weist zudem Baustaatssekretär Alexander Slotty (SPD) hin: Das Grundstück sei so groß, dass sogar einer der bereits entwickelten Typenbauten darauf passe. Lange habe man verschiedene Varianten abgewogen, auch den Bau einer separaten Sporthalle erwogen, sich aber schließlich für den Typenbau mit der integrierten Sporthalle entschieden. Damit unterstütze der Senat über die ursprünglichen Planungen hinaus eine Aufstockung von einst 750 auf künftig rund 1000 Schulplätze in einer neuen Gemeinschaftsschule, betont der Staatssekretär.

„Wir finden die Lösung gut“, kann Stadtrat Fritz aus dem Bezirksamt berichten. Denn in Wedding werden Oberschulplätze gebraucht, die der Typenbau rasch bieten soll. Er könnte in Betrieb genommen werden, bevor die Altbausanierung fertig ist. Als Ziel soll die Schule von Klasse 1 bis 13 führen, also eine vollständige Gemeinschaftsschule sein.

Was dem Bezirk überdies zugutekommt: Er muss das Mammutprojekt nicht selbst stemmen, denn das macht stattdessen die Senatsverwaltung für Bauen in Amtshilfe, wie Slotty betonte. Alles andere wäre auch eine Überforderung, zumal der Bezirk noch etliche ungeklärte große Sanierungsfälle wie das riesige Gebäude des ehemaligen Diesterweg-Gymnasiums mit sich herumschleppt.

Wie lange es dauert, bis nicht nur der Typenbau, sondern auch die Sanierung fertig ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Umso erleichterter ist Fritz darüber, dass die Anna-Lindh-Schule darauf nicht mehr warten muss, sondern Anfang 2025 in einen anderen Grundschulneubau in der Reinickendorfer Straße ziehen kann. Sie hatte ihr Gebäude wegen des Schimmels im August 2022 räumen und in ein Bürohaus am Saatwinkler Damm umziehen müssen.

Schätzungsweise 250 Familien haben der Schule als Folge des Schimmelproblems und des Umzugs den Rücken gekehrt. Der Schimmel war seit 2010 immer wieder aufgetaucht. Allerdings weist die Bauverwaltung darauf hin, dass es sich bei einem Teil des vermeintlichen Schimmels um schwarzen Staub gehandelt habe.

Die frühere Gesamtelternsprecherin Anke Erler, die den Verfall des Gebäudes seit 2014 immer wieder publik gemacht hatte, reagierte am Sonntag skeptisch auf den Sanierungsbeschluss. Angesichts ihrer Erfahrungen mit dem maroden Gebäude und vor dem Hintergrund der Ansprüche des Denkmalschutzes rechnet sie mit „mindestens 15 Jahren“ bis zur Fertigstellung. Somit würden die räumlichen Ressourcen des großen Grundstückes viel länger brachliegen als bei Abriss und Neubau.

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Die Architektur der Nachkriegszeit ist unverkennbar. Doch die Anna-Lindh-Schule in Wedding ist schon seit Jahren ein Problemfall.

Infobox: Grundstück mit Platz

Die ehemalige Anna-Lindh-Grundschule im Afrikanischen Viertel besteht aus einem Gebäuderiegel entlang der Guineastraße sowie den beiden Flügeln für die Unterrichtsräume. Jetzt soll oberhalb der Flügel, wo bislang noch zwei Container stehen, ein 22 Meter hoher Typenbau mit integrierter Sporthalle errichtet werden, damit genug Platz für eine Gemeinschaftsschule entsteht. Die alte Sporthalle wird Mensa. Die Schule ist seit über zehn Jahren ein akuter Sanierungsfall. Immer wieder tauchte Schimmel auf. Seit Sommer 2022 steht das Gebäude leer.

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