Der neue Museumsbau am Berliner Kulturforum heißt jetzt „berlin modern“. Bei der Grundsteinlegung wurde deutlich, dass er seinen Spitznamen „Scheune“ zu Recht tragen wird.
FAZ vom 09.02.2024 von Andreas Kilb

In der Baugrube , die sich zwischen der Neuen Nationalgalerie und der Berliner Philharmonie am Kulturforum hinter dem Potsdamer Platz erstreckt, könnte man die gesamte Philharmonie von Hans Scharoun versenken – oder wahlweise den Glaspavillon Mies van der Rohes oder die Gemäldegalerie von Hilmer & Sattler. Aber auch oberirdisch wird das Gebäude, das hier entstehen soll, den Platz beherrschen. Wo immer man sich hinstellt, wird es den Blick auf die anderen Großbauten verdecken. Das Gerede von den Sichtachsen, die das neue Museum freihalten, den Ikonen der Architekturmoderne, die es respektieren solle, ist damit hinfällig: Dem Kulturforum wird ein Klotz in den Rachen geschoben, den es kaum schlucken und erst recht nicht ausspucken kann.

Berlin modern“ soll das Bauwerk jetzt heißen, das erst als Museum der Moderne und dann als Museum des 20. Jahrhunderts in den Planungsbroschüren stand. Das war die einzige wirkliche Neuigkeit, die bei der Grundsteinlegung am Freitagvormittag zu erfahren war – wenn man davon absieht, dass Berlins Regierender Bürgermeister den Namen des künftigen Hausherrn Klaus Biesenbach nicht parat hatte (er nannte ihn „Biesenstedt“) und Preußenstiftungs-Präsident Hermann Parzinger, dessen Rede per Video eingespielt wurde, hier ein „Atlantis der Moderne “ im Entstehen sieht (ohne dabei zu bedenken, dass Atlantis beizeiten unterging).

Die „Scheune“ wird noch scheunenhafter

Von Baukosten dagegen sprach niemand mehr, was den Verdacht nährt, dass das Museum wohl nicht mehr, wie von Haushaltsausschuss genehmigt, 364 Millionen plus x, sondern mindestens eine halbe Milliarde Euro kosten wird. Dafür soll es „klimafreundlich“ werden, soweit das bei einem Gebäude möglich ist, für das tonnenweise Beton gegossen, Stahlträger errichtet, Heiz- und Kühlrohre verlegt und Steinplatten gesetzt werden müssen.

Immerhin hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth als Nachfolgerin der seinerzeit für den Entwurf von Herzog und de Meuron entflammten Monika Grütters erreicht, dass das Dach, mit seinen transparenten Glasziegeln ursprünglich der ästhetische Stolz des Museums , mit Sonnenkollektoren versiegelt und auch die Fassade aus Energiespargründen weniger offen und einladend ausfallen wird. Die „Scheune“, wie der Bau seit seiner ersten Vorstellung vor sieben Jahren gesprächsweise heißt, wird also noch scheunenhafter werden, als Pessimisten befürchtet haben, und mit sechzehntausend Quadratmetern Gesamt- und neuntausend Quadratmetern Ausstellungsfläche größer als jedes andere Haus, das die Staatlichen Museen zu Berlin bespielen.

Privatinteressen bestimmten die Standortfrage

Aber ebendiese Scheune hätte auch an einer anderen, benachbarten Stelle, an der Sigismundstraße gleich neben der Neuen Nationalgalerie, entstehen und so Platz für einen zentralen Park lassen können, der aus dem nun notdürftig zur Nachbegrünung vorgesehenen Platz ein echtes Forum gemacht hätte. Aber hier kommen die Sammler ins Spiel, für deren Schenkungen und Dauerleihgaben sich Parzinger ausführlich bedankte, ohne zu erwähnen, dass sein eigener Umgang mit den Leihgaben gerade wieder ins Zwielicht geraten ist .

Denn manche von ihnen, vor allem das Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch, haben ihre Schenkung an die Bedingung geknüpft, dass der Neubau auf dem Filetstück zwischen Mies-van- der -Rohe- Bau und Scharoun-Ensemble stehen müsse. Es hilft also nichts, wenn Klaus Biesenbach darauf hinweist, dass der größte Teil der künftigen Ausstellungsfläche mit den Altbeständen der Nationalgalerie gefüllt werden wird – bei der Standortfrage, der städtebaulich wichtigsten Frage überhaupt, haben private Interessen mindestens teilweise den Ausschlag gegeben.

Der Neubau von „ berlin modern“ ist auf absehbare Zeit das letzte Großprojekt der Bundeskulturpolitik. Das nächste anstehende Vorhaben, das vom Bundestag verabschiedete Dokumentationszentrum zur deutschen Besatzungsherrschaft in Europa, ist zu umfangreich und zu vage, als dass es noch in dieser Legislaturperiode in Gang kommen könnte, und auch das Konzept für ein Polnisches Haus, das Claudia Roth im letzten Sommer vorgestellt hat, klingt so vertrackt, dass bis zu seiner Realisierung noch Jahre vergehen werden.

Deshalb wird sich die Kulturstaatsministerin demnächst in einer Kunst üben müssen, die ihr vielleicht am allerwenigsten liegt: die der Sanierung von Institutionen. Dabei geht es nicht nur um Klimaneutralität, sondern um Sein oder Nichtsein. Die eigentliche Baustelle von Claudia Roth liegt nicht am Kulturforum, sondern in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. In diesem Jahr entscheidet sich, ob ihre Reform gelingt oder scheitert. Auf ein Museum mehr oder weniger kommt es dabei nicht an.

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