Viel landeseigene Gebäude sind in baulich schlechtem Zustand. Die Kosten dafür kann das Land nicht alleine stemmen.
Morgenpost vom 14.02.2024 von Isabell Jürgens

Lange Jahre galt in Berlin die Devise, möglichst alle Infrastruktur und Gebäude in kommunale Hand zu bringen, beziehungsweise zu halten. Doch angesichts klammer Haushaltskassen begibt sich Berlin nun wieder auf die Suche nach finanzstarken Partnern – vor allem bei den landeseigenen Liegenschaften, die für kulturelle und soziale Zwecke günstige Mietkonditionen bieten sollen.

„Wir müssen unsere Strategie ändern“, sagt Birgit Möhring, Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Als Berlins landeseigene Dienstleisterin trägt die BIM Verantwortung für mehr als 5000 Gebäude und Grundstücke. Neben Polizeiwachen, Finanzämtern oder Rathäusern gehören dazu auch bauliche Schmuckstücke wie etwa das Palais am Festungsgraben oder die Alte Münze in Mitte. Gerade in diesen historisch wertvollen Gebäuden, die oft in einem baulich nicht mehr zeitgemäßem Zustand sind, stehen nun, dem Geldmangel geschuldet, umfangreiche Umplanungen an. Ein Beispiel ist das Palais am Festungsgraben. In das 1753 als Donnersches Palais zur privaten Nutzung errichtete Gebäude zog 1787 die preußische Finanzbehörde ein. Den Zweiten Weltkrieg überstand es unbeschadet, von 1950 bis 1990 diente es als Kulturzentrum „Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“. Seit 1991 ist das Gebäude Gründungs- und Spielort des Theaters im Palais, weitere Nutzer sind unter anderem die Verwaltung des benachbarten Gorki-Theaters. 30 Prozent der insgesamt knapp 8000 Quadratmeter Nutzfläche seien aktuell jedoch nicht vermietbar, weil für die Sanierung beispielsweise ein zweiter Fluchtweg fehlt. Die jährlichen Mieteinnahmen belaufen sich auf 282.000 Euro, sagt Birgit Möhring.

Aus diesen Einnahmen die Sanierung anzusparen, sei schlicht nicht möglich, denn die Sanierungskosten belaufen sich Stand November 2023 auf satte 54 Millionen Euro – die im Doppelhaushalt des Landes Berlin nicht abgebildet sind. „Wir haben deshalb die weiteren Planungen und Auftragsvergaben wegen fehlendem Budget gestoppt“, sagt Möhring. Man erarbeite nun ein Konzept für die abschnittsweise Sanierung als erster Schritt zur Vorbereitung der Wiederaufnahme des Eventbetriebs in den historischen Sälen und Salons. Gesucht werden zudem finanzstarke Partner, die den Innenausbau ihrer Flächen selbst leisten. Von der Idee, die bislang unvermieteten Flächen selbst zu sanieren und für kleines Geld weiteren kulturellen Nutzern zur Verfügung zu stellen, habe man sich verabschieden müssen.

Wir müssen intelligente Wege finden, um bestimmte Dinge zu finanzieren

Ähnlich sieht es beim 2018 als Vorzeigeprojekt für die Kultur- und Kreativszene geplanten Standort Alte Münze aus. Die Pläne für das House of Jazz und einen selbstverwalteten Kulturraum für die freie Szene sind im Landeshaushalt ebenfalls nicht vorgesehen . Der zweite Bauabschnitt mit Kosten im dreistelligen Millionenbereich sei gestrichen, dafür fehle das Geld. Der zweite Bauabschnitt sollte das House of Jazz in Haus 4 und den geplanten Anbau Theater und Gastronomie umfassen. Haus 5 soll als Konzert- und Produktionsort genutzt werden.

„Wie beim Palais am Festungsgraben setzen wir nun auf Zwischennutzer, die in der Lage sind, ihre Flächen weitgehend selbst herzurichten“, sagt die BIM-Chefin. Die nicht landeseigene Spreewerkstätten GmbH, die bereits auf dem Areal einen Club und das Café betreibt und Bereiche für Veranstaltungen vermietet, würde dazu einen langfristigeren Mietvertrag für das ganze Areal bekommen. Doch es bleibe dabei, dass für den ersten Bauabschnitt rund 46 Millionen Euro aufgebracht werden müssten. Bauabschnitt eins umfasst die Sanierung und Herrichtung der Kellerflächen, der Hofdecke und des Hauses 3. Von der Idee, wenigstens die Hälfte des insgesamt 15.500 Quadratmeter großen Areals mit seinen Gebäuden für eine sehr geringe Miete der freien Kunst zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr die Rede. „Die Zeiten, in denen wir genug Geld hatten, um schöne Dinge zu machen, sind schlichtweg vorbei“, sagt Möhring. „Jetzt müssen wir intelligente Wege finden, um bestimmte Dinge zu finanzieren“, sagt sie weiter.

Galt es insbesondere unter der rot-grün-roten Vorgängerregierung als gesetzt, dass landeseigene Grundstücke von landeseigenen Unternehmen entwickelt und bebaut werden, begibt sich die BIM auch hier auf die Suche nach privaten Partnern. So etwa beim Konzeptverfahren Heidekampweg in Treptow-Köpenick. Auf einem 5500 Quadratmeter großen Grundstück, das derzeit noch mit vermieteten Garagen bebaut ist, sollen Baugruppen oder Genossenschaften beim Bau von Wohnungen zum Zuge kommen. Es hätten viele Bewerber Angebote abgegeben, so Möhring. Die Bewerberfrist endet am Donnerstag dieser Woche, im Juni werde man das ausgewählte Angebot präsentieren können.

Ähnlich sieht es bei der Entwicklung von Gewerbegebieten aus, wie das Beispiel Am Stener Berg 4 zeigt. Das insgesamt 42.000 Quadratmeter große Areal soll durch Abriss nicht denkmalgeschützter Gebäude und Neubauten nachverdichtet werden. Auch hier suche man potenzielle Erbbaurechtsnehmer, sowohl für die sanierungsbedürftigen denkmalgeschützten Gebäude, als auch für die möglichen Neubauten.

Besonders bedürftig sind die Liegenschaften der Polizei

Der Geldmangel führt vor allem auch dazu, dass der Sanierungsstau bei den rund 5000 genutzten Gebäuden immer weiter wächst. Inklusive der energetischen Sanierung von 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 7,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 – allein durch die Preisexplosion bei den Bau - und Finanzierungskosten. Besonders bedürftig sind die Liegenschaften der Polizei, die rund eine Million Quadratmeter Bruttogeschossfläche nutzen. Allein für die Sanierung aller landeseigenen Polizeigebäude wären Kosten in Höhe von rund 1,57 Milliarden notwendig . Hinzu kommen weitere 538 Millionen Euro für die Umsetzung des Sanierungsfahrplans „Klimaneutrale Stadt“. Insgesamt belaufen sich die Kosten für den Sanierungsbedarf auf 2,1 Milliarden Euro, beziehungsweise rund 2000 Euro pro Quadratmeter. Zwischenzeitlich war das geplante Baubudget für die Polizeiliegenschaften deshalb auch auf 33,5 Millionen Euro pro Jahr angestiegen. Durch Kürzungen im Doppelhaushalt 2024/2025 wurde dieses jedoch wieder auf 15,5 Millionen Euro pro Jahr reduziert.

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