Der Entwurf zum Stadtentwicklungsplan Wohnen weist Grundstücke für etwa 249.000 Wohnungen in Berlin aus – auch ohne das Tempelhofer Feld.
Berliner-Zeitung vom 18.02.2024

In Berlin gibt es Flächen zum Bau von 249.000 Wohnungen - und damit genug Potenziale, um den ermittelten Neubaubedarf von 222.000 Wohnungen bis zum Jahr 2040 zu decken. Das geht aus dem Entwurf für den Stadtentwicklungsplan Wohnen (Step Wohnen) 2040 hervor, der der Berliner Zeitung exklusiv vorliegt. Dabei ist eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes noch gar nicht berücksichtigt.

Mit 116.000 Wohnungen entfällt der größte Anteil der Neubauten auf die „großen Wohnungsbaupotenziale“, auf denen pro Standort jeweils 200 Wohnungen und mehr geplant sind. Dazu gehören die neuen Stadtquartiere , die unter anderem in Lichterfelde Süd, auf dem ehemaligen Rangierbahnhof Pankow, im Blankenburger Süden, auf dem ehemaligen Flughafen Tegel und in der Siemensstadt geplant sind.

Weitere 44.000 Wohnungen sind auf „mittelgroßen Wohnungsbaupotenzialen“ möglich, auf denen jeweils 50 bis 199 Wohnungen entstehen können. Auf eine „kleinteilige Innenentwicklung“ mit weniger als 50 Wohnungen pro Standort entfallen 72.000 Wohnungen. Rund 17.000 der 222.000 benötigten Wohnungen wurden bereits realisiert, weil das Jahr 2022 Ausgangspunkt der Berechnung ist. Die Fertigstellungzahlen für 2023 liegen noch nicht vor.

Die Zahl von 222.000 benötigten Wohnungen bis zum Jahr 2040 errechnet sich aus einem „Entlastungsbedarf“ im Umfang von 137.000 Wohnungen, der für eine „schnelle Entspannung des Wohnungsmarktes“ benötigt wird, wie es heißt. Hinzu kommen 85.000 Wohnungen aus „demografischem Bedarf“. Das sind die Wohnungen, die für die wachsende Zahl an Haushalten benötigt werden.

Das Problem: Ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der sich das Bauen durch eine Materialpreisexplosion und hohe Kreditzinsen extrem verteuert hat, sollen besonders viele Wohnungen entstehen. So sieht der Entwurf für den Stadtentwicklungsplan vor, dass 100.000 neue Wohnungen bis Ende 2026 entstehen, umgerechnet 20.000 Wohnungen pro Jahr. Für den Zeitraum von 2027 an verringern sich die Zielzahlen deutlich. Bis Ende 2031 sind nur noch 50.000 Wohnungen vorgesehen, also 10.000 Wohnungen pro Jahr. Von 2032 bis Ende 2040 werden nur noch weitere 72.000 Wohnungen benötigt, umgerechnet lediglich 8000 Wohnungen pro Jahr.

Senatsverwaltung hält am Ziel von 20.000 Wohnungen pro Jahr fest

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will trotz der Probleme nicht vom Ziel der 20.000 Wohnungen pro Jahr abrücken. „Die aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen für den Wohnungsbau lassen momentan erwarten, dass der Neubau in den ersten Jahren des Step Wohnen 2040- Planungszeitraums hinter den Erwartungen zurückbleibt und die Ziele damit nicht erreicht werden können“, räumt die Behörde im Entwurf zum Step Wohnen ein. Doch zugleich stellt sie fest: „Sollte dies der Fall sein, würden sich die Zielzahlen für die darauffolgenden Jahre entsprechend erhöhen.“

Um für ein unerwartetes Bevölkerungswachstum Vorsorge zu treffen, setzt sich Berlin zum Ziel, über die Flächen für 222.000 neue Wohnungen hinaus Grundstücke für weitere 50.000 Wohnungen zu identifizieren. Etwa die Hälfte davon ist bereits gefunden, da es schon jetzt Flächen für insgesamt 249.000 Wohnungen gibt. Der ausstehende Anteil an Flächen soll in den „kommenden Jahren“ ermittelt werden, heißt es.

Die acht Leitlinien aus dem alten Step Wohnen 2030 sollen beim Plan für 2040 weiter gelten. Die Leitlinien lauten unter anderem „Bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen“,
Baukulturelle und städtebauliche Qualität sicherstellen“ sowie „ Stadtentwicklung ökologisch und klimagerecht gestalten“. Vorrang beim Wohnungsbau soll die „Innenentwicklung“ Berlins haben, also der Bau von Wohnungen in der Innenstadt.

Gemeinwohlorientierter Wohnungsbau über die ganze Stadt

Klar ist, dass Berlin künftig einen festen Anteil preiswerter Wohnungen einplant. Jede zweite neue Wohnung soll im Segment des „gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus“ realisiert werden. Unter dem Begriff werden Wohnungen verstanden, bei denen unter anderem die „ Mieten für breite Bevölkerungsschichten“ bezahlbar sind. Auch der gemeinwohlorientierte Wohnungsbau soll sich „über die ganze Stadt ausgewogen verteilen“, heißt es.

Noch gibt es allerdings laut dem Entwurf für den Step Wohnen zu wenig Flächen für den Bau gemeinwohlorientierter Wohnungen. In den neuen Stadtquartieren und auf den weiteren Wohnungsbaupotenzialen stehen bisher nur Flächen für rund 88.000 Wohnungen zur Verfügung. Das Ziel sei jedoch, bis zum Jahr 2040 insgesamt 111.000 gemeinwohlorientierte Wohnungen zu errichten. „Damit besteht ein Defizit an Flächen für knapp 23.000 Wohnungen“, steht im Entwurf des Stadtentwicklungsplans . Sollen auch in der Flächen-Vorsorge 50 Prozent der Areale für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau zur Verfügung stehen, also die Hälfte der 50.000 einkalkulierten Wohnungen, müssten noch für rund 48.000 Wohnungen Bau -Areale gefunden werden.

Auf dem Tempelhofer Feld, das sich im Besitz des Landes Berlin befindet, ist eine Bebauung zwar per Gesetz seit dem Volksentscheid von 2014 untersagt, der schwarz-rote Senat hat jedoch im Koalitionsvertrag festgelegt, dass er die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung im Zuge eines internationalen städtebaulichen Wettbewerbs ausloten will.

Im Entwurf zum Step Wohnen wird das Feld denn auch als möglicher Standort für den Wohnungsbau aufgelistet. So heißt es unter dem Punkt „Strategische Flächenvorsorge“: „Unter anderem mit dem Tempelhofer Feld befindet sich eine gut erschlossene Liegenschaft im Besitz des Landes Berlin . Deren Eignung und Entwicklungsmöglichkeit für eine behutsame Inanspruchnahme von Teilflächen für den Wohnungsbau und weitere Nutzungen soll in den nächsten Jahren geprüft, neu bewertet und abgewogen werden.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: Noch ist das Feld in den Berechnungen nicht enthalten. Fast eine Viertelmillion Wohnungen lassen sich errichten, ohne den stillgelegten Flughafen zu bebauen. Das Ende ist offen.

Die Berliner Zeitung im Internet: www.berliner-zeitung.de