Die Rekonstruktion historischer Bauteile am Humboldt-Forum geht weiter. Derweil gibt es neue Auseinandersetzungen über die Herkunft der Spenden.
Berliner Zeitung vom 20.03.2024 von Ulrich Paul

Schlossplatz in Mitte, Dienstagvormittag, 10.45 Uhr. Bauleute stehen auf einer abgezäunten Fläche vor dem neuen Berliner Schloss mitten zwischen acht großen Sandsteinfiguren. Bei den Figuren handelt es sich um die acht biblischen Propheten Jesaja, Hosea, Zephania, Zacharias, Jonas, Daniel, Jeremias und Hesekiel. Die 3,30 Meter hohen und rund drei Tonnen schweren Figuren sollen auf die Balustrade der Schloss-Kuppel gehievt werden.

Zwei Tage hat der Bauherr des neuen Schlosses, die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss , dafür eingeplant. Vier Figuren sollen am Dienstag ihre Reise zur Kuppel antreten, vier weitere am Mittwoch. Ein großer Kran steht bereit, um die Figuren an ihren neuen Platz zu bringen. Jeremias ist am Dienstag der erste, der hochgehievt werden soll. Mitarbeiter der Firma Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser vertäuen die Figur fachmännisch mit zwei Schwerlastgurten. Ein Mitarbeiter klemmt noch schnell ein Stück Styropor zwischen den Gurt und die Figur. Dann befestigen die Bauleute die Gurte mit den Kranhaken.

Schaulustige verfolgen die Szenerie und überlegen laut, was schiefgehen könnte, wenn die Figur aus der Halterung rutscht. Doch ein Mitarbeiter der Firma beruhigt: „Haben wir schon mal gemacht“ sagt er. Jeder der beiden Schwerlastgurte ist auf eine Traglast von vier Tonnen Gewicht ausgelegt und Tüv -geprüft. Gegen 11.15 Uhr gibt es einen ersten Test. Die Figur wird ein paar Zentimeter vom Kran angehoben, dann wieder abgesetzt. Ein Spanngurt wird noch mal festgezurrt.

Um 11.25 Uhr hebt sich die Figur erneut. Jeremias hängt jetzt circa 20 bis 30 Zentimeter über dem Boden. Ein letzter Test, ob alles hält. Um 11.30 Uhr zieht der Kran die Figur dann sanft in die Höhe. Nach etwa einer Minute ist die Statue auf Höhe des ersten Obergeschosses angelangt. Dann geht es schnell. Um 11.40 Uhr schwebt Jeremias bereits auf Höhe der Kuppel. Zwei Bauleute befestigen die Figur anschließend mit Mörtel und zwei Dornen, um die Statue vor einem möglichen Verdrehen zu schützen. Um 11.52 Uhr wird die Propheten-Statue an ihrem neuen Platz abgesetzt. „Aktion gelungen“, sagt Hans-Dieter Hegner, Vorstandsmitglied der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss . Im Laufe des Tages sollen noch drei weitere Figuren folgen.

Am Boden beobachtet ein 90-Jähriger aus Lankwitz die Aktion. „Ich bin glücklich, dass ich das noch erlebe“, sagt er. Der 90-Jährige, ein Kirchenmusiker, gehört zu den Spendern, die Geld für die Rekonstruktion der historischen Fassaden und weiterer Gestaltungselemente gegeben haben. Zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen Frau habe er insgesamt 12.500 Euro gezahlt, berichtet er – ein Teil davon floss in die Rekonstruktion der Propheten-Statue Daniel.

Weitere Rekonstruktionen sollen 2025 abgeschlossen werden

Die Anbringung der Kuppelfiguren markiert nach Angaben der Stiftung einen der letzten Schritte der vom Bundestag 2002 beschlossenen Teilrekonstruktion des historischen Gebäudes. Die Rekonstruktionsarbeiten sollen im Jahr 2025 mit der Errichtung der Balustraden-Figuren auf der Nord- und Südseite des Humboldt-Forums abgeschlossen werden.

Der Bundestag hatte am 4. Juli 2002 beschlossen, die Nord-, West- und Südfassade des 1950 gesprengten Berliner Schlosses sowie die Barockfassaden des Schlüterhofs nach historischem Vorbild zu rekonstruieren. Die Ostfassade sollte in moderner Architektur entstehen. Die Mehrkosten für die Rekonstruktion wollte der Förderverein Berliner Schloss aus Spenden beisteuern.

Die Herkunft der Spenden führt unterdessen zu neuen Diskussionen. Der Architekt und Schloss-Kritiker Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel, und der Historiker Jürgen Zimmerer von der Uni Hamburg erhoben in einer Pressemitteilung den Vorwurf, dass das Berliner Schloss „mit Spendengeldern von Rechtsradikalen“ zum „neu-rechten Symbol für das ‚christliche Abendland‘ ausgebaut“ werde.

Schwere Vorwürfe gegen die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss

Die Stiftung Humboldt-Forum habe dem Förderverein Berliner Schloss die Möglichkeit eingeräumt, durch das Einwerben steuerlich absetzbarer Spenden über das ursprüngliche, im November 2020 erreichte Spendenziel hinaus eine „zusätzliche Rekonstruktion von Bauelementen durchzusetzen, die weder in den Bundestagsbeschlüssen von 2002/2003 noch im Wettbewerbsentwurf von Franco Stella von 2008 vorgesehen“ gewesen seien, kritisieren Zimmerer und Oswalt.

„Man muss inzwischen von einer bewussten fundamental-christlichen Unterwanderung des Stadtschlosses ausgehen, die sich bestens in die islamophoben Tendenzen der Zeit einfügt“, heißt es in der Mitteilung. Für eine weltoffenes Deutschland, wofür das Humboldt-Forum ja zu stehen vorgab, sei dies gefährlich, wecke es doch völkische Anklänge: Nicht-Christinnen und -Christen „gehören nicht gleichberechtigt dazu“.

Die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss weist die Vorwürfe zurück. „Die Rekonstruktion der Fassade des Berliner Schlosses wurde vom Bundestag beschlossen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Dienstag. Die Errichtung einer Kuppel habe der Bundestag bereits 2007 begrüßt. Sie habe auch Eingang in die Ausschreibung zum Architektenwettbewerb gefunden. Der preisgekrönte Entwurf des Architekten Franco Stella und dessen Überarbeitung „orientierten sich an einer möglichst detailgetreuen Rekonstruktion von Fassaden und Kuppel des Berliner Schlosses “, so die Stiftung. Die Jury habe sich einstimmig für Stellas Entwurf ausgesprochen. „Dazu gehörten neben dem ikonografischen Programm mit Adlern, Wappen und Kronen auch die Anbringung der Kuppelfiguren.“

Stiftung weist die Vorwürfe zurück

„Kein Spender und keine Spenderin konnte Einfluss auf die Architektur oder die Herstellung einzelner Bauteile nehmen“, so die Stiftung. „Die Spenden trugen lediglich dazu bei, dass die vom Bundestag beschlossene Rekonstruktion der historischen Fassaden des Berliner Schlosses und die vom Architekten Franco Stella vorgesehenen Elemente umgesetzt werden konnten.“

Die Stiftung zeigt sich jedoch auch selbstkritisch. „Mittlerweile wissen wir leider, dass einzelne Spenden, die damals über den Förderverein an die Stiftung weitergeleitet wurden, aus einem, nach unserer Auffassung, problematischen nationalkonservativen und teils sogar antidemokratischen Umfeld stammen können“, teilt sie mit. „Wichtig ist aber auch: Die von einigen Personen und Organisationen aus dem rechtskonservativen und antidemokratischen Milieu öffentlich vertretenen Positionen widersprechen nicht nur den Werten des Humboldt-Forums, sie widersprechen ebenso den Werten der großen Mehrheit der 40.000 Spender:innen, die die Rekonstruktion der Fassade mitgetragen haben.“

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