Eine Instandsetzung des „Lost Place“ ist nicht geplant. Der Verein „Zukunft in Grünau“ will das Gebäude retten – stößt jedoch auf Widerstand
Berliner Morgenpost vom 25.03.2024 von Philipp Harmann

Treptow-Köpenick  Es ist ein unschöner Anblick, der sich Spaziergängern und Radfahrern seit vielen Jahren in der Regattastraße 277 bietet. Das Funkhaus Grünau, ein viergeschossiges Baudenkmal, vegetiert dort vor sich hin. Die Backsteinfassade bröckelt, wo mal Fenster waren, sind jetzt Pressspanplatten vorgenagelt. Graffiti und vereinzelt herumliegender Müll sind zu sehen.

Seit Jahren macht das Grundstück optisch einen nahezu unveränderten Eindruck. Es wirkt nicht so, als würde hier irgendwann mal eine Sanierung anstehen. Die CDU-Abgeordnete Lisa Knack wollte sich deshalb vor Kurzem mit einer parlamentarischen Anfrage mal wieder nach dem aktuellen Planungsstand erkundigen. Staatssekretär Stephan Machulik (SPD) von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ließ ihr daraufhin Antworten aus dem Bezirksamt Treptow-Köpenick zukommen.

Wie das Bezirksamt mitteilt, liegt bislang noch immer kein Instandsetzungskonzept durch den Eigentümer vor. Anträge für eine Instandsetzung seien ebenfalls nicht bekannt. Die Untere Denkmalschutzbehörde (UD) hat demnach eine Anordnung über erforderliche Sicherungsmaßnahmen am Grundstück und am Gebäude erlassen. Damit soll sichergestellt werden, dass das Funkhaus besser vor Vandalismus und Betreten unbefugter Personen geschützt ist.

Eigentümer muss Objekt möglichst einbruchsicher machen

Die Forderung der UD sieht vor, einen übersteigsicheren Zaun aufzustellen sowie die Fenster- und drei Türöffnungen möglichst einbruchssicher mit Lochstahlplatten zu verschließen. Auf Anordnung der UD gebe es regelmäßige Kontrollgänge, um die Umsetzung zu überwachen und „den Forderungen Nachdruck zu verleihen“.

Zudem werden nach Bezirksangaben Wartungsarbeiten wie das Reinigen von Regenrinnen vorgenommen. Der Zustand des Funkhauses sei „nicht zufriedenstellend“. Durch den Leerstand und mangelnden Bauunterhalt ergebe sich ein „schleichender Verfall“. „Die UD fordert seit Längerem den Eigentümer auf, Maßnahmen vorzunehmen, die sicherstellen, dass sich der Zustand des Gebäudes nicht verschlechtert. Den Aufforderungen dazu ist der Eigentümer bislang teilweise, aber nicht vollständig nachgekommen. Die Forderungen werden nachdrücklich weiterverfolgt“, erklärt das Bezirksamt in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage. Zudem habe die UD eine Bestandserfassung der Farbfassungen und Oberflächen im Innern gefordert. Dies sei eine Grundlage für die zukünftige Erstellung eines Instandsetzungskonzeptes.

Eine Begehung durch die UD mit dem durch den Eigentümer beauftragten Restaurator zur Abstimmung über Details und Umfang der Dokumentation habe im November 2022 stattgefunden.

Das Objekt Regattastraße 277 ist Bestandteil der Berliner Denkmalliste. Es wurde in den Jahren 1929 und 1930 nach Entwurf des Architekten Otto Zbrzezny im Stil des Nachexpressionismus als Bootshaus der Danatbank erbaut. Von 1947 bis 1956 wurde das Objekt vom staatlichen Rundfunk der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR als Funkhaus genutzt.

Von 1950 bis 1991 war das Haus dann eine Bildungsstätte. Dort wurden beispielsweise angehende journalistische Mitarbeiter ausgebildet. Eine Zeit lang diente der ehemalige Sendesaal im Obergeschoss dem Deutschen Fernsehballett als Probenraum. Mit der Auflösung des Deutschen Fernsehfunks war auch das 1991 zu Ende.

Nachdem der letzte Besitzer, das Neuköllner Bildungswerk, im September 2007 Insolvenz angemeldet hatte, verfiel das geschichtsträchtige Gebäude mit direktem Zugang zur Dahme zusehends. 2008 ersteigerte dann eine Hamburger Vermögensverwaltungsgesellschaft den denkmalgeschützten Gebäudekomplex für 655.000 Euro. Doch eine Instandsetzung hat es seitdem nicht gegeben. Nachdem das Gelände zwischenzeitlich von 2012 bis 2014 von jungen Leuten für künstlerische Projekte genutzt wurde, steht es seit 2014 komplett leer.

Der Verein „Zukunft in Grünau“ setzt sich seit Jahren für den Erhalt des Denkmals ein , darunter der frühere SPD-Abgeordnete Robert Schaddach. „Wir kommen in der Sache leider überhaupt nicht weiter. Das ist frustrierend. Irgendwann erlahmt man dann“, erzählt er.

Vor etwa einem Jahr sei er zuletzt in dem Gebäude gewesen – an einem Tag mit schlechtem Wetter. „Da drin sah es aus wie in einer Tropfsteinhöhle“, berichtet er. Der Keller sei nass gewesen. An den Wänden sie das Wasser heruntergelaufen. Weil es keinen Strom gab, habe die Begehung mit Taschenlampen stattgefunden. Die Leute, die das Funkhaus zwischenzeitlich genutzt hatten, hätten dort einiges herausgerissen. „Vom ursprünglichen Denkmal ist kaum noch was zu erkennen“, sagt Schaddach frustriert.

Privatrechtlich gebe es keine Möglichkeit, gegen den Verfall vorzugehen. Das müsse der Staat machen. Im Januar 2021 stellte Robert Schaddach beim Bezirk einen Antrag auf Enteignung des Funkhauses Grünau gemäß Paragraf 17 des Denkmalschutzgesetzes Berlin . Er begründete dies damals mit der „totalen Vernachlässigung“, dem langjährigen Leerstand und „absurden Kaufpreisvorstellungen“ des Hamburger Eigentümers in Höhe von zehn Millionen Euro, „die nicht im Entferntesten betriebswirtschaftlich begründbar wären“.

Der Bezirk habe ihm damals mitgeteilt, dass er nicht antragsberechtigt ist, weil er kein persönlich Betroffener sei. Damit sei die Sache schnell wieder erledigt gewesen. Eigentlich, so betont Schaddach, müsste der Bezirk den Eigentümer „konsequent unter Druck setzen“. Doch das sei nicht der Fall. Der Bezirk beteuere zwar, er unternehme alles, um den Denkmalschutz zu gewährleisten. Er selbst habe jedoch nicht das Gefühl, dass das stimmt.

Der SPD-Politiker vermutet, dass der Eigentümer das Gebäude in der Hoffnung, der Denkmalschutz verfällt irgendwann, absichtlich verrotten lässt, um dann etwas Neues dort bauen zu dürfen. Derzeit könne dieser, so seine Vermutung, mit dem Grundstück nichts anfangen. Der Grund: Laut dem Bebauungsplan ist für diesen Teil der Regattastraße festgeschrieben, dass das Gelände nur für Wassersportzwecke genutzt werden darf . Viele Möglichkeiten bleiben dem Eigentümer somit nicht.

Laut Gerhard Bechtoldt, ebenfalls Mitglied im Verein „Zukunft in Grünau“, hängen auf dem Grundstück immer wieder Drogensüchtige herum. Der 77-Jährige lässt seit 2020 auf dem Nachbargrundstück Regattastraße 275 ein Wassersporthotel mit 40 Zimmern bauen , das im kommenden Herbst oder Winter fertig werden soll. Er wohnt auch direkt daneben. Daher hat er das Funkhaus gut im Blick.

Das Funkhaus Grünau gehört Thomas J. C. Matzen, einem Professor aus Hamburg, der 2014 die Ehrendoktorwürde der TU Hamburg erhielt. Nach einer Woche und mehrmaligen Nachfragen teilt seine Mitarbeiterin der Morgenpost mit, dass Matzen zurzeit „unabkömmlich“ ist. „Presseanfragen ad hoc zu beantworten, gehört nicht zu unserem Tagesgeschäft, da benötigen wir ein wenig mehr Vorlauf“, heißt es in einer E-Mail.

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