CDU und SPD bringen im Streit um die Rekonstruktion des früheren Schinkelbaus eine neue Idee ein. Falls der Bund nicht mitzieht, soll dies Konsequenzen haben.
Berliner-Zeitung vom 22.05.2024 von Ulrich Paul
In den Streit um den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in Berlins Mitte kommt Bewegung. Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD im Berliner Abgeordnetenhaus bekräftigen in einem jetzt vorgelegten Antrag zwar die Forderung nach einer Rekonstruktion der alten Fassade. Zugleich zeigen sich die Koalitionäre aber aufgeschlossen dafür, „dass die Wiederherstellung der historischen Fassade an einer Seite des Gebäudes für zeitgemäße Anforderungen“ geöffnet werden kann.
„Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Bauakademie mit den historischen Fassaden wiederaufzubauen“, sagt der CDU-Abgeordnete Christian Gräff . „Dagegen wurde in der Vergangenheit unter anderem der Einwand erhoben, dass aktuelle Anforderungen wie die Schaffung eines barrierefreien Zugangs dann nicht erfüllt werden können“, so Gräff.
„Unser aktueller Antrag greift diese Bedenken auf“, sagt der CDU-Politiker. „Wir schlagen nun vor, die historische Fassade an einer Seite für zeitgemäße Anforderungen zu öffnen – um zum Beispiel einen behindertengerechten Zugang zu ermöglichen.“ Dafür biete sich die Fassadenseite zum Auswärtigen Amt an, die von der historischen Mitte aus am wenigsten im Blickfeld stehe.
Falls es mit dem Bund und der Bundesstiftung Bauakademie , die den Neubau erstellen soll, nicht zu einer Einigung kommt, wollen CDU und SPD ihre Vorstellungen auf andere Weise durchsetzen. „Wenn sich der Bund darauf nicht einlässt, wird das Land Berlin eine Gestaltungssatzung erlassen, die entsprechende Vorgaben macht“, sagt Gräff. Hintergrund: Die Bundesstiftung wollte sich bisher vor einem Wettbewerb nicht auf eine bestimmte Gestaltung festlegen.
Die Bauakademie war von 1832 bis 1836 nach Plänen Karl Friedrich Schinkels errichtet worden. Sie gilt als richtungsweisend für die moderne Architektur. Das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Gebäude wurde 1962 abgerissen, um Platz zu machen für den Bau des DDR -Außenministeriums. Seit dem Abriss des Außenministeriums 1995 bis 1996 wird über den Wiederaufbau der Bauakademie diskutiert.
Haushaltsausschuss beschloss schon 2016 Mittel für den Bau
Der Bundestags-Haushaltsausschuss hatte im Jahr 2016 beschlossen, den Wiederaufbau der Bauakademie mit 62 Millionen Euro zu finanzieren. Mehrere Bürgervereine setzen sich seit Jahren für die Rekonstruktion des Gebäudes nach historischem Vorbild ein.
Vom alten Schinkelbau ist noch einiges vorhanden. Auf der 2100 Quadratmeter großen Grundfläche, auf der die Bauakademie einst stand, finden sich heute auf ungefähr 900 Quadratmetern die „Fundamente der gesamten östlichen und südlichen Außenwand sowie die Fundamente des südlichen Teils der Westwand“, wie aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht. Darüber hinaus wurden „sehr gut erhaltene Baureste auf einer großen zusammenhängenden Fläche im Bereich der ehemaligen Südwestecke“ der Bauakademie gefunden.
Der Vorstoß von CDU und SPD stößt in der Opposition auf Kritik. „Einmal mehr geht es um die Frage, welche Stadt wir bauen wollen“, sagt der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze. „Statt einfach nur die alte Fassade zu rekonstruieren, muss die neue Bauakademie ein Leuchtturm für nachhaltiges Bauen und moderne Stadtentwicklung werden.“ Schinkel selber habe „für eine moderne Architektur unter Nutzung moderner Techniken zu seiner Zeit“ gestanden „und hätte heute sicher nicht noch mal so gebaut wie vor fast 200 Jahren“, sagt Schwarze.
Die Grünen fordern offenen Wettbewerb für die Gestaltung
Nötig sei ein offener Wettbewerb für die Gestaltung. Am Ende müsse die Bauherrin , also der Bund, entscheiden, ob sie so überhaupt bauen wolle, sagt Schwarze. „Wenn es aufgrund der Forderungen der Koalition zu einer Absage oder weiteren Verzögerung kommen würde, wäre das schlecht für Berlin “, mahnt der Abgeordnete.
Die Bundesstiftung Bauakademie äußert sich zurückhaltend zum Vorstoß von CDU und SPD. „Im Rahmen der Vorbereitung der Auslobung zum Architekturwettbewerb für das künftige Bauakademie -Gebäude befinden sich das Land Berlin, der Bund und die Bundesstiftung Bauakademie in einem engen und vertrauensvollen Abstimmungsprozess“, heißt es in einer Stellungnahme. „Ziel ist es, Einvernehmen zu den gestalterischen und inhaltlichen Vorgaben zu erzielen, die dem Architekturwettbewerb zugrunde gelegt werden.“
Die Vorstudien zur Fassade, die Spielräume zwischen den Vorgaben der Schinkelschen Fassade und den aktuellen bauordnungsrechtlichen , funktionalen und technischen Anforderungen sowie den Erfordernissen aus dem Leitbild der Bundesstiftung ausloten und diesen Abwägungsprozess unterstützen sollen, seien noch nicht abgeschlossen, so eine Sprecherin.
Zum Zeitplan erklärt die Stiftung: Ziel sei es, „den Abstimmungsprozess in den nächsten Monaten abzuschließen“. Erst nach Beendigung des Abstimmungsprozesses könne ein verbindlicher Zeitplan für den Architekturwettbewerb mit allen nachfolgenden Arbeitsschritten bis zur Fertigstellung des Bauakademie -Gebäudes vorgelegt werden.