Für die Sanierung des Südflügels des Pergamonmuseums müssen nun die großen Exponate raus. Fertig verpackt warten die Werke auf ihren Abtransport per Kran durchs Fenster
Morgenpost vom 25.05.2024 von Isabell Jürgens

Der Kaiser muss nicht nur vom Sockel, sondern ganz raus aus dem Miletsaal des Pergamonmuseums. Denn die vor elf Jahren begonnenen Sanierungs- und Umbauarbeiten am Gebäude schreiten weiter voran und erfassen nun auch den Südflügel. Nachdem das Museum im Oktober 2023 für die kommenden vier Jahre gänzlich geschlossen wurde, müssen jetzt vor allem die Großskulpturen Platz machen für die Bauleute.

Gerade sind Restaurator Steffen Werner und sein Team dabei, im Miletsaal den Abtransport der Sitzstatue eines römischen Kaisers vorzubereiten. Keine leichte Aufgabe, denn die Skulptur wiegt eine knappe Tonne. Deshalb wird neben ihr ein Podest errichtet, auf dem später ein Hebekran montiert wird. Mit seiner Hilfe soll der Kaiser dann gefahrlos vom Sockel herunter- und später durch ein großes Fenster im Nachbarsaal hinausgehoben werden.

Glücklicherweise ist der tonnenschwere und sperrige Koloss, wie so vieles im Pergamonmuseum, nur zum Teil ein Original: „Der aufgesetzte Kopf des Trajan und vor allem der abstehende Arm wurden nachempfunden und können abmontiert werden“, informiert Wolfgang Maßmann, Leiter der Restaurierung der Antikensammlung, bei einem Rundgang durch den Südflügel. Das berühmte Markttor von Milet etwa bestehe nur zu 60 Prozent aus originaler Bausubstanz .

Doch nicht alles kann und muss abgebaut werden. So wird das Markttor von Milet im Gebäude verbleiben. Und unabhängig davon, dass es in vielen Teilen „nur“ rekonstruiert wurde, wird es während der Sanierungsarbeiten sorgfältig eingehaust und mit Sensoren bestückt, die Erschütterungen melden. „So wie wir es zuvor auch schon beim Pergamonaltar gemacht haben“, sagt Martin Maischberger, stellvertretender Direktor der Antikensammlung.

Auch im angrenzenden Vorderasiatischen Museum bleiben die zwei fest eingebauten und zugleich größten Monumente, die Prozessionsstraße und das Ischtar-Tor von Babylon, während der Bauzeit im Haus. Und auch hier werden die verbliebenen Monumente sorgfältig gesichert, auch wenn, wie Barbara Helwing, Direktorin des Vorderasiatischen Museums, nüchtern berichtet, „84 Prozent des Ischtar-Tores moderne Rekonstruktionen aus den 1920er- Jahren sind“.

Dennoch sei auch diese Rekonstruktion mittlerweile nicht nur historisch , sondern auch denkmalgeschützt . Und das völlig zu Recht. „Das Besondere am Konzept des Pergamonmuseums ist ja die Inszenierung, die dem Besucher den Eindruck vermittelt, er schreite tatsächlich durch die Prozessionsstraße“, sagt Helwing.

Im Vorderasiatischen Museum sind die Vitrinen bereits leer geräumt und abgebaut. Nun werden noch die verbliebenen schweren Objekte ab kommender Woche ebenfalls durch das große Fenster herausgehoben, vor dem ab Montag ein großer Kran aufgebaut wird. Dieser wird die Exponate an den Haken nehmen und sanft auf einem Tieflader absetzen. Anschließend werden sie in das Depot in Großbeeren verbracht.

Insgesamt sechs Restautorenteams sind derzeit dabei, kostbare Exponate aus der Antikensammlung, dem Vorderasiatischen Museum und dem Museum für Islamische Kunst, soweit möglich, sicher zu verpacken und aus dem Südflügel zu schaffen, damit die Bauarbeiten zu seiner Grundinstandsetzung zum Ende dieses Jahres beginnen können.

Abbau und Restaurierung verschlingen 87 Millionen Euro

Das Pergamonmuseum, das bis zu seiner Schließung jährlich mehr als eine Million Menschen angelockt hat, soll nach der Totalschließung 2027 zum Teil wieder geöffnet werden. Der Bauabschnitt A mit dem Pergamonaltar soll dann wieder zu sehen sein. Der zweite Abschnitt B bleibt dagegen noch bis mindestens 2037 für Besucher geschlossen.

Die Kosten für die Grundinstandsetzung und Ergänzung des 1930 eröffneten Pergamonmuseums mussten in den vergangenen elf Jahren mehrmals nach oben korrigiert werden . Für beide Bauabschnitte gibt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung nun rund 1,2 Milliarden Euro an. Zusätzlich sind Kosten in Höhe von rund 300 Millionen Euro für Risiken und Baupreissteigerung während der Baumaßnahme prognostiziert. Die aktuell genannten Kosten bilden in Summe somit 1,5 Milliarden Euro.

Nicht in diesen Kosten enthalten sind weitere 86,8 Millionen Euro, die für den Abtransport der Exponate und vor allem deren häufig dringend notwendige Restaurierung aufgewendet werden müssen.

Darunter fallen etwa auch die Restaurierung großformatiger Gemälde, die einst den Assursaal schmückten. In den Leinwänden steckten teilweise noch Schrapnelle aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Aktuell werden die gesamten Löcher und Wasserschäden, die nach den Schäden am Gebäude in der Nachkriegszeit entstanden waren, von den Restauratoren behoben.

Auch im Obergeschoss wird gepackt: Die fest eingebauten Exponate des Museums für Islamische Kunst, die ab 2027 in beiden Etagen des Nordflügels des Pergamonmuseums zu sehen sein werden, sind mittlerweile zum größten Teil abgebaut. Darunter etwa das Aleppo-Zimmer und die Mschatta-Fassade sowie zahlreiche tonnenschwere Steinobjekte des Vorderasiatischen Museums, wie die Löwenstatuen oder die assyrischen Palastreliefs.

„Die vor Ort restaurierten Architekturen ziehen im Laufe des Jahres direkt in den Nordflügel“, berichtet Stefan Weber, Direktor des Museums für Asiatische Kunst. Ebenfalls ab 2027 werden der Pergamonsaal und der Hellenistische Saal des Hauses wieder geöffnet. Damit wird in drei Jahren endlich wieder mehr als die Hälfte des Pergamonmuseums für Besucher zugänglich sein.

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