Der Politiker war nicht nur das grüne Gewissen der CDU, sondern auch maßgeblicher Gestalter des Regierungsumzugs
Berliner Morgenpost vom 12.06.2024 von Isabell Jürgens
Berlin Es war ein historischer Moment: Vor 30 Jahren, am 10. März 1994, verabschiedete der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit „das Gesetz zur Vollendung der Einheit Deutschlands“, das sogenannte Berlin /Bonn-Gesetz. Doch die rechtlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung des Umzugsbeschlusses nach Berlin zu schaffen, war das eine. Dafür zu sorgen, dass Ministerien und Parlament mit ihren vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der geeinten Hauptstadt Berlin ihren Platz finden, war eine ganz andere. Maßgeblich dafür gesorgt, dass dies weitgehend reibungslos und konfliktfrei gelang, hat Klaus Töpfer (CDU).
„Klaus Töpfer war ein Glücksfall für Berlin “, erinnert sich Volker Hassemer an den einstigen Weggefährten, der am Sonnabend nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 85 Jahren verstarb. Nach den ersten Gesamtberliner Wahlen im Dezember 1991 hatte Hassemer in Berlin das Amt des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz übernommen. Wenige Tage vor Weihnachten 1994 rief Töpfer bei ihm an, der kurz zuvor vom Umwelt- zum Bauminister ernannt worden war und schließlich auch zum „Beauftragten der Bundesregierung für den Berlin -Umzug und den Bonn-Ausgleich“.
„Er sagte, er wolle sich selbst ein Bild von Berlin machen, das er zuvor nur oberflächlich kennengelernt hatte“, so Hassemer, der Töpfer seit den frühen 1980er-Jahren aus der Mitarbeit im Arbeitskreis für Umweltschutz der CDU kannte. „Er wollte, dass ich mir zwischen Weihnachten und Neujahr freinehme und ihm Berlin zeige“, so der 80-Jährige. So geschah es dann auch: Mit einem Kleinbus fuhren die beiden kreuz und quer durch Berlins neue, gemeinsame Mitte, schauten sich Bestandsgebäude genau an und überlegten, wo die Bonner in Neubauten untergebracht werden könnten. „Es gab ja noch eine Unmenge von Detailfragen zu klären“, so das Gründungsmitglied der Stiftung Zukunft Berlin . Und nicht in allen Fragen herrschte damals Einvernehmen. So habe etwa Töpfers Amtsvorgängerin, die FDP-Politikerin Irmgard Schwaetzer abgelehnt, dass Ministerien in ehemalige Gebäude ziehen, die zur Zeit des Nationalsozialismus für das NS-Regime errichtet wurden. Das monumentale Bürogebäude an der Wilhelmstraße 97, 1935 als Sitz des Reichsluftfahrtministeriums errichtet, wäre damit ausgeschieden. Doch Töpfer sei es mit Beharrlichkeit und Freundlichkeit gelungen, die Gegner zu überzeugen – seit 1999 ist an der Wilhelmstraße das Bundesministerium der Finanzen angesiedelt.
Der Verlust des Parlamentssitzes und einem großen Teil der Ministerien sorgte vor allem in Bonn bei vielen Bürgern für Unmut. „Klaus Töpfer hatte sich ja von Anfang an für den gemeinsamen Regierungssitz Berlin ausgesprochen“, sagt Hassemer. Auch in Bonn galt es, durch faire Ausgleichsmaßnahmen für Akzeptanz zu sorgen: Bis heute haben sechs der 15 Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz am Rhein und nicht an der Spree.
Einer repräsentativen Umfrage zufolge waren 1996 rund 64 Prozent der Bundesbürger gegen den Umzug, „Klaus Töpfer hat die Entscheidung stets verteidigt, auch wenn es ungemütlich wurde“, sagt Hassemer. Er sei die zentrale Figur des Regierungsumzugs gewesen. „Ein Segen für die CDU und besonders für Berlin “.