Reste des mittelalterlichen Rathauses sollten im U-Bahnhof zu sehen sein. Daraus wird nun nichts
Berliner Morgenpost vom 01.07.2024 von Isabell Jürgens
Berlin Als die Archäologen im Vorfeld des Weiterbaus der U-Bahnlinie 5 in Mitte vor dem Roten Rathaus großflächige Ausgrabungen durchführten, war die Begeisterung groß. Nicht nur alte Silbermünzen und Keramikscherben, sondern auch elf Skulpturen, die 1937 im Zuge der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ in deutschen Museen beschlagnahmt worden waren, wurden freigelegt. Beinahe noch überraschender: die gut erhaltenen Treppenstufen und Grundmauern des Rathauses aus dem 13. Jahrhundert. Um den spektakulären Funden Rechnung zu tragen, einigten sich BVG und Senat darauf, den Berlinern die alten Keller und Mauern in einem sogenannten „Archäologischen Fenster“ zugänglich zu machen. Der Architekt des neuen U-Bahnhofs Rotes Rathaus, Oliver Collignon, musste umplanen. Doch: vier Jahre nach der Eröffnung des neuen U-Bahnhofs ist davon nichts zu sehen.
Bodendenkmal wurde mit einem Flüssigboden gesichert
Zur Erinnerung : 2011 sah die neue Planung den Erhalt von etwa 80 Prozent der im Boden vorgefundenen Baureste des alten Rathauses vor. Architekt Collignon plante ein großes Fenster, das von der Station aus den Blick in den noch zu errichtenden archäologischen Keller „Altes Berliner Rathaus“ eröffnen sollte. In Vorbereitung dessen veranlasste das Landesdenkmalamt im Januar und Februar 2013 die Transferierung von Teilen der nördlichen Außenmauer, um diese später in den Keller integrieren zu können.
„Im März 2018 bekundete die Stiftung Stadtmuseum ihr Interesse, Betreiber des künftigen archäologischen Kellers zu werden“, ruft Gerhard Hoya, Vorstandschef der Gesellschaft Historisches Berlin (GHB), in Erinnerung. Doch im Dezember 2020 wurde der U-Bahnhof ohne das Archäologische Fenster eröffnet. Anfragen, ob denn noch damit zu rechnen sei, dass das Projekt umgesetzt werde, seien leider ohne Antwort geblieben, so Hoya.
Die Nachfrage der Berliner Morgenpost bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung macht leider wenig Hoffnung. Das Bodendenkmal sei in die Landesdenkmalliste eingetragen worden und „nach Abschluss der Bauarbeiten mit einem Flüssigboden gesichert“ worden, heißt es in der schriftlichen Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der Berliner Morgenpost. Zwar gebe es für ein potenzielles archäologisches Fenster „Altes Berliner Rathaus“ eine Bedarfsplanung aus dem Jahr 2017. Darin enthalten seien Planunterlagen zur Ausgestaltung, die unter anderem einen Zugang über den Keller des Roten Rathauses sowie ein Schaufenster im Treppenaufgang zum U-Bahnhof vorsehen. Allerdings habe man bislang noch keinen Betreiber für das Vorhaben. „Insofern liegen derzeit nicht die Voraussetzungen für eine bauliche Ausführung vor – zumal in der Investitionsplanung des Landes keine Finanzierung hinterlegt ist“, heißt es abschließend.
„Der Stadt Berlin fehlt das Bewusstsein für die eigene Geschichte“, kritisiert Chef Hoya. „Und wir sind sehr besorgt, dass Vergleichbares mit den Bodendenkmalen der Berliner Altstadt geschehen wird, zumal wir auch hier keine klaren Aussagen bekommen haben“, sagt Hoya. Die GHB habe sich dazu auch schriftlich an die Senatsverwaltungen Stadtentwicklung sowie Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt und an die Denkmalbehörden gewandt, bis heute aber keine klare Antwort bekommen. Die Senatsverwaltung verweist dazu auf die beiden bereits fertiggestellten archäologischen Fenster im Humboldt Forum mit Relikten des Dominikanerklosters und des Schlosses und die im Hotel Capri mit den Relikten des Cöllner Rathauses. Auch das archäologische Fenster am Petriplatz, das an diesem Freitag fertiggestellt und Anfang 2025 für eine öffentliche Nutzung zugänglich gemacht werden soll, führt die Verwaltung an.
Weitere archäologische Fenster sind demnach im Rathausforum , Marx-Engel-Forum, in der Breiten Straße und am Molkenmarkt fest eingeplant und müssten von den jeweiligen Bauherren integriert werden. Ob das auch geschieht? „Angesichts des Umgangs mit den Funden am Roten Rathaus bin ich sehr skeptisch“, so Hoya.