Tagesspiegel vom 29.08.2024 von Teresa Roelcke

Seit rund zehn Jahren sei er nun Chef des Strandbads Wannsee, erzählt Steve Kleinschmarger von den Berliner Bäderbetrieben, aber der Badebetrieb nehme stetig ab. „Für viele Gäste sieht das Bad so aus, als wäre es dreckig“, sagt er. „Aber es ist nicht dreckig, sondern tot.“ Es bröckele vor sich hin und sei nass. Carsten Gerhards widerspricht. Das Bad sei nicht tot, aber es liege im Sterben. Dass allerdings vieles hier vor sich hin bröckelt und nass ist, da stimmt er wohl zu.

Gerhards ist Architekturprofessor in Darmstadt. Mit seinen Studierenden hat er Vorschläge erarbeitet, wie das denkmalgeschützte , vor knapp 100 Jahren von Martin Wagner und Richard Ermisch entworfene Strandbad Wannsee als Gebäude und Ort wiederbelebt werden könnte. Die Entwürfe der Studierenden werden ab 31. August bis zum 15. September im ehemaligen Restaurant Lido im Strandbad Wannsee ausgestellt.

Das Restaurant Lido bereitet die größten Sorgen. Ursprünglich wurden hier mal 2500 Gäste gleichzeitig bewirtet, in den Innenräumen, auf der Terrasse davor und der Dachterrasse darüber. Heute steht es wie viele andere Gebäudeteile des Strandbads leer, es fällt der Putz von den Wänden, die Fenster sind zerschlagen und die Decken stellenweise von Holzkonstruktionen abgestützt. Immerhin: Die Theke mit ihrem Marmor ist noch original. Und der sogenannte „Kellnergang“ hinter der Theke schwingt sich weiter elegant den Raum entlang.

Sanierung wäre teuer

Bis Mitte der Neunzigerjahre war das Restaurant noch in Betrieb. Als das Strandbad in den Jahren 2005 bis 2007 teilweise saniert wurde, blieb das Lido außen vor: Weil die Behörden nur der gastronomischen Nutzung für das Sommerhalbjahr und nicht das ganze Jahr über zugestimmt hatten, hätte sich die teure Sanierung nicht gelohnt.

Überhaupt, das Geld: Die notwendige Sanierung dürfte teuer werden. Und das Strandbad Wannsee ist nicht die einzige sanierungsbedürftige landeseigene Liegenschaft, man denke nur an die Alte Münze nahe dem Roten Rathaus oder das Bogensee-Areal mit der ehemaligen Goebbels-Villa. Das denkmalgeschützte , ikonische Strandbadgebäude hingegen stand mit seinem Sanierungsbedarf bisher noch nicht im Fokus der Öffentlichkeit.

Das möchte Gerhards mit der Ausstellung der Entwürfe seiner Studierenden ändern. Denn: „Aktuell sieht der Zustand hier schlimmer aus als er ist“, sagt er. „Aber wenn man noch weitere fünf Jahre wartet, dann ist das Gebäude wahrscheinlich nicht mehr zu retten.“ Zeit zu handeln also.

Für die Rettung möchte er an die Ideen der Erbauer aus den Zwanzigerjahren anknüpfen. Hermann Clajus, damaliger Strandbad-Direktor, führte hier Ferienlager für Kinder aus den Arbeiterbezirken Berlins durch, als „Strandbad für alle“. Und der Planer Martin Wagner stand der Bauhütten -Bewegung der Zwanzigerjahre nahe.

Eine Bauhütte fürs Strandbad?

Eine Art Bauhütte wünscht sich Gerhards nun auch für die Ertüchtigung des bröckelnden Strandbads. Die Sanierung könnte als großes Ausbildungsprojekt durchgeführt werden. Erfahrene Handwerker würden die Arbeiten leiten und dabei junge Leute in ihre Tätigkeiten einführen. In Hessen werden mit einem ähnlichen Modell Schlösser und Burgen saniert.

Die Auszubildenden lernten dann, ganz state of the art, das klimagerechte Bauen , nämlich das Bauen im Bestand: „Man müsste hier behutsam sanieren, sodass man auch ablesen kann, was neu gemacht wurde – die Jahresringe gewissermaßen“, erklärt Gerhards.

Auch das Lido könnte als von Azubis betriebenes Restaurant wiederbelebt werden. Genauso, wie eine Gärtnerei angesiedelt werden könnte, bei der die Auszubildenden dann das Gemüse großziehen, das im Lido verkocht werden soll.

Um diese Pläne umzusetzen, müsste man einen sozialen Träger finden, bei dem das ganze Projekt verankert werden könnte, und natürlich Geld. Gerhards hofft, dass die Ausstellung den Anstoß geben könnte für eine Vereins- oder Stiftungsgründung, mit denen man Geldgeber aus der Zivilgesellschaft für die Sanierung finden könnte. Und die Behörden müssten natürlich mitziehen: der Denkmalschutz zum Beispiel und die Berliner Forsten, denen die Liegenschaft gehört. Eine Machbarkeitsstudie, wie teuer Sanierung werden könnte und wo der Handlungsbedarf am größten ist, gebe es vom Land noch nicht.

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