Ein Professor und seine Studenten präsentieren Pläne für den ungenutzten Teil des Strandbads Wannsee
Berliner Zeitung vom 04.09.2024 von Stella Triangali
Seit mehr als 95 Jahren ist das Strandbad Wannsee eine Berliner Ikone und zieht Touristen und Einheimische gleichermaßen an. Im Sommer besuchen rund 10.000 Gäste am Tag das weit über die Stadt hinaus bekannte Freibad. Seit Jahren bereitet ein Abschnitt Kopfschmerzen: Mehr als die Hälfte des denkmalgeschützten Ensembles hinter dem Freibad mit den legendären Strandkörben steht seit den 1990er-Jahren ungenutzt leer.
Das ehemalige Restaurant Lido, das einst als Biergarten oder Ausflugslokal genutzt wurde und heute das Sorgenkind im Dornröschenschlaf ist, liegt vollständig brach. Besonders einladend ist das Gebäude, umgeben von Bauzaun , nicht. Als das Strandbad in den Jahren 2005 bis 2007 teilweise saniert wurde, lohnte sich die Investition in das Restaurant Lido für die Behörden nicht. Der Grund: Sie hatten der gastronomischen Nutzung für das Sommerhalbjahr und nicht das ganze Jahr über zugestimmt.
Klartext: Das Gelände ist nicht nur eine verschwendete Raumressource, sondern verfügt auch über ein Gebäude, das ohne langfristiges und nachhaltiges Nutzungskonzept immer weiter verfällt. Einer möchte das gemeinsam mit seinen Studenten ändern. Carsten Gerhards, ein Architekturprofessor von der Hochschule Darmstadt, hat nun eine Initiative gestartet. Er möchte auf die prekäre Situation des Ensembles aufmerksam machen. Dazu sagt er: „Wir wollen keine Sterbebegleitung sein, sondern reanimieren.“
Stadtbaurat Martin Wagner und Magistratsoberbaurat Richard Ermisch schufen zwischen 1929 und 1931 ein ikonisches Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Für das Ensemble hatte der sozialdemokratische Stadtbad-Direktor Hermann Clajus große Pläne. Er wollte einen Erholungsort für alle sozialen Schichten schaffen, organisierte Essensausgaben und Ferienlager für Kinder aus den Mietskasernen der Arbeiterbezirke.
Der Plan: die Schaffung eines weitläufigen „Weltstadtbads“ für die moderne Körperkultur der Weimarer Republik. Mit seinem 1,3 Kilometer langen und 80 Meter breiten Strand und jährlich mehr als einer Million Badegästen war es seinerzeit das größte Binnenfreibad Europas. Clajus, dem nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Entlassung und Verfolgung drohten, nahm sich im März 1933 das Leben.
Die Darmstädter Studenten knüpfen an die Idee eines Volksbades nach den Erbauern an: Gerhards Vorschlag, beinahe ein Jahrhundert nach Clajus, Wagner und Ermisch, sieht vor, am Wannsee eine Art „ Bauhütte “ zu etablieren, die eine moderne Interpretation der historischen Werkstätten zur Instandhaltung des Strandbads darstellen soll, erklärt der Veranstalter.
Hier sollen Jugendliche in verschiedenen Gewerken des Bauhandwerks , in der Gastronomie, in der Gärtnerei sowie als Bademeister, Rettungsschwimmer, Fitnesscoach und Parkranger ausgebildet werden, schildert der Professor die Pläne am Freitagnachmittag. Die denkmalgeschützten Gebäude würden unter professioneller Anleitung saniert und nachhaltig genutzt werden, sagt er weiter.
Durch die Etablierung einer „ Bauhütte “ solle das Strandbad nicht nur erhalten, sondern auch zu einem Bildungszentrum für handwerkliche und soziale Berufe entwickelt werden, so die Initiatoren.
Fakt ist: Es bleibt bei der Idee. Konkret wird Gerhards nicht, es handele sich um Entwürfe, sagt er. Diese seien nicht behördlich abgenickt oder abgenommen, aber der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vorgestellt worden. Anstatt über die Umsetzung nachzudenken, ist sein Ziel, den Handlungsbedarf deutlich zu machen.
Bis zum 15. September findet die Ausstellung „Wanna See Wannsee?“ im inzwischen verwitterten Restaurant statt. Präsentiert sind verschiedene Entwürfe der Studenten von Carsten Gerhards, die Ideen entwickelt haben, wie das historische Gelände neu belebt werden könnte. Eine Idee für das Lido: ein gastronomischer Betrieb mit Kräutergarten, dessen Ertrag direkt verkocht werden kann.