Millionen wurden in das Vorhaben bereits investiert. Die Wasserqualität sei besser geworden, sagen die Initiatoren. Doch nächstes Jahr gibt es fast kein Geld mehr
Berliner Zeitung vom 12.09.2024 von Ida Luise Krenzlin

Im Jahr 1925 wurde das letzte Flussbad in Berlin geschlossen. Das ist nun fast 100 Jahre her, und schon damals war die Spree zum Baden zu schmutzig. Den Berlinern hat man zwar die miserablen Lebensbedingungen in Mietskasernen zugemutet, aber auf gar keinen Fall das Dreckwasser der Spree. Eine Angst ist kollektiv fest verankert in der Berliner Seele, die Angst vor Hautausschlägen und Diarrhoe – ausgelöst durch Kolibakterien, die direkt aus dem Berliner Abwasser in die Spree gespült wurden.

Seit 2012 möchte der Verein Flussbad Berlin um die Brüder Jan und Tim Edler das Baden in der Spree wieder möglich machen. In anderen Flüssen wird ja auch geschwommen, siehe Paris.

Stand heute darf in der Spree und in den Spreekanälen nicht geschwommen werden. Nach Angaben des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales ist das Baden in der Spree aus Sicherheitsgründen verboten. „Eine Gesellschaft braucht Orte, an denen sie sich trifft. Jung und Alt, Arm und Reich“, sagt Jan Edler. „Es gibt nur wenige Orte in Städten, die diese wichtige soziale Funktion erfüllen können. Schwimmbäder gehören dazu. Deshalb braucht Berlin ein Flussbad .“

Der Wackelkandidat

Von den drei umstrittenen Großprojekten, die am historischen Zentrum rund um den Schlossnachbau laut Koalitionsvertrag entstehen sollen, ist das Flussbad der Wackelkandidat. Auch um den Schlossbrunnen und die Freitreppe wird gestritten.

Seit 2012, also zwölf Jahre lang, kämpft der Verein für ein Flussbad : Das Baden soll im Spreekanal zwischen Fischerinsel und Bode-Museum möglich sein. Viel Geld ist geflossen in Planung , Projektierung, Marketing, Merchandising und einen Kiosk mit Dauerausstellung, Bänken und Liegestühlen am Spreekanal, allerbeste Lage.

Kritiker bezeichnen den Verein als „Sickergrube für öffentliche Gelder“, der Verein weist diese Vorwürfe zurück und verweist auf die Berliner Behördenträgheit. „Die konservativen Kreise wollen einfach nicht die Leute aus den Plattenbauten von der Fischerinsel oder Jungs aus dem Wedding hier auf der Museumsinsel haben. Traut sich nur keiner zu sagen“, sagt Jan Edler.

Neben den prominenten Befürwortern, gibt es über die Jahre immer mehr Kritiker, eher konservative Akteure, die bestimmen wollen, wer auf der Museumsinsel „mitspielen“ darf. Der Berliner Dom, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt sind erklärte Gegner von „Badehosen auf der Museumsinsel“.

Das Flussbad selbst kommt nicht voran. Bislang wurde die Messung der Wasserqualität der Spree umgesetzt. Auf einer Webseite ist das Frühwarnsystem abrufbar. Die Werte sind gut, so dreckig ist die Spree gar nicht. „Würde das Wasseramt das Verbot aufheben, könnte man heute noch eigenverantwortlich in die Spree springen“, sagt Jan Edler.

Allerdings befinden wir uns in Berlin . Allein eine gute Idee reicht hier nicht aus. An der Umsetzung scheitert nicht nur der Flussbad -Verein. Es müssten sich viele Berliner Senatsverwaltungen, der Bund und der Denkmalschutz an einen Tisch setzen. Utopisch in einer Metropole, die bekannt dafür ist, dass behördliche Entscheidungen ewig dauern. Kreative Ideen sind viele vorhanden, umgesetzt werden diese woanders schneller. In Paris, Kopenhagen, an der Ruhr und in der Havel, in anderen Flüssen wird gebadet. In der Spree nicht.

Tatsächlich kann man aber mal fragen, wie sich der Verein Flussbad finanziert und vor allem mit wessen Geld. Der Berliner FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider hat dies bereits im Juni 2022 in einer parlamentarischen Anfrage getan.

Rotstift des Senators

Das umstrittene Projekt Flussbad Berlin im Spreekanal in Mitte hat bereits annähernd sechs Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln bekommen. Das geht aus der Antwort des Senats vor. Die Summe teilen sich der Bund und das Land Berlin . Das ist der Stand von 2022. Seither kam weiteres Geld dazu. Jan Edler spricht von einer Summe von 250.000 Euro, die der Verein im laufenden Kalenderjahr bekommen hat. Letztmalig. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat den Rotstift angesetzt, 2025 gibt es nur noch 53.000 Euro.

Wie geht es weiter? Jan Edler wünscht sich eine App, die den Anwendern die Wasserqualität der Spree anzeigt. Dafür könnte man neue Projektgelder beantragen. Die Füße aber bleiben weiterhin erst einmal trocken, ein Bad in der Spree ist alles andere als zum Greifen nah.

In der Anfrage des FDP-Abgeordneten aus dem Jahr 2022 antwortet der Bausenator Christian Gaebler (SPD) auf die Frage „Bis wann erwartet der Senat den Abschluss des Gesamtprojektes?“: „Es wird von einem Umsetzungszeitraum bis 2034 ausgegangen.“ Damit ist eine Freitreppe hinunter zum Wasser der Spree gemeint, ob dort unten dann aber auch ganz offiziell ins Wasser gestiegen werden darf, steht noch nicht fest.

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