Pankow lässt Schulbaupläne für Ruine fallen, da das Geld fehlt und ein Neubau an anderer Stelle billiger wäre. Nur eine unpopuläre Lösung bleibt
Berliner Morgenpost vom 27.09.2024 von Thomas Schubert
Weißensee Finanzlöcher, Haushaltssperren, gestrichene Projekte. In Berlin beginnt eine Zeit des eisernen Sparens – und jetzt setzen Planer den Rotstift dort an, wo es Denkmalschützer und Historiker schmerzt: Der Rettungsplan für die Neunutzung des Kinderkrankenhauses Weißensees ist geplatzt. Die stadtbekannte Ruine mit „Lost Place“-Gruselstimmung, heimgesucht durch Brandstifter und Einbrecher, sie fällt aus den Zukunftsvisionen des Bezirksamts Pankow heraus. Für den seit Jahren geprüften Aufbau eines neuen Oberschulstandorts fehlt das Wichtigste: Geld.
Fast 70 Millionen Euro würde es mindestens kosten, einen Typenschulbau für bis zu 900 Kinder hinter die maroden Gebäude an der Hansastraße zu setzen. Doch aus dem Programm der Berliner Schulbauoffensive wird – anders als zunächst erhofft – kein Cent dafür zu holen sein. Pankows Bildungsstadtrat Jörn Pasternack (CDU) macht die Lageänderung jetzt öffentlich. Aber nicht, um der leer stehenden Klinik zu schaden, sondern um Schulplanungen zu sichern.
Innerhalb eines Jahres hat sich die Einschätzung komplett gedreht
„Es ist nachvollziehbar, dass es mehr bringt, einen neuen Typenbau an anderer Stelle zu realisieren, als hier Geld unter schwierigen Verhältnissen in das Kinderkrankenhausareal zu investieren“, sagt Pasternack nach der Sitzung einer Taskforce aus Mitgliedern des Landesdenkmalamts und Experten für die Ressorts Stadtentwicklung und Bildung. „Unsere erste Prämisse muss es sein, zusammen mit dem Senat dringend benötigte Schulplätze zu errichten. Wenn man mit dem Geld andernorts mehr Schulplätze haben kann, wird man dieser Logik folgen“, argumentiert er im Sinne der Platznot in Klassen. Und die ist nirgends so akut wie im Boom-Bezirk Pankow.
Innerhalb eines Jahres hat sich die Einschätzung aufgrund des Sparzwangs auf Senats- und Bezirksebene damit komplett gedreht. Noch im November 2023 hatte die Abteilung von Baustadtrat Cornelius Bechtler (Grüne) eine optimistische Studie vorgestellt, die eine Entwicklung des „Lost Place“-Geländes in mehreren Szenarien durchspielt.
Herzstück dieses Plans war nicht das 1911 eröffnete Klinikensemble an sich, sondern die Errichtung von zwei L-förmigen Neubauten in der 2,8 Hektar großen Parkanlage dahinter, die als Gartendenkmal gilt. Zugleich war aber die Herrichtung der Krankenhausgebäude in den Studien mitbedacht, die 2018 durch eine spektakuläre Rückübertragung in Landesbesitz gelangt waren. Skizziert hatten die Planer etwa den Einzug der Schulverwaltung oder einer Mensa. Auch weitergehende Nutzungen für den ständig wachsenden Bezirk Pankow schienen möglich – etwa als zusätzliches Bürgeramt.
Allein die Sanierung der schwerbeschädigten Gebäudehülle schätzte Kerstin Lindstädt vom Pankower Denkmalamt auf rund 20 Millionen Euro. 140 bis 150 Millionen Euro wurden laut der Studien für das Gesamtprojekt mit einer Maximallösung aus Altbausanierung und Schulneubau in der Parkanlage veranschlagt. Summen, die Experten im Pankower Bauausschuss aber für vertretbar hielten – weil der teure Ankauf von Alternativflächen für Schulneubauten von Privateigentümern als noch größeres Übel erschien. Das war im Herbst 2023. Jetzt aber stehen selbst hinter wichtigen Infrastrukturvorhaben wie den Berliner Radschnellwegen, dem Neubau des Multifunktionsbads Pankow und Pilotprojekten wie der Klimastraße Hagenauer Straße große Fragezeichen. Laut Schulstadtrat Pasternack bereitet es Planern Kopfzerbrechen, dass die günstigste Variante des Schulneubaus hinter dem Kinderkrankenhaus teurer ausfällt als gängige Typenbauten, die rund 63 Millionen Euro kosten. „Es gibt kein Geld für Individualbauten“, fasst der Christdemokrat die Misere zusammen.
Selbst wenn Pankow das Projekt Klinikrettung durchboxen wollte – in Budgetfragen ist man hier abhängig von Land Berlin . Und dort wird auch beim Schulbau gespart. „Wir können nur über das Kinderkrankenhaus reden. Mehr nicht. Wir haben keinen Zugriff, das ist das elementare Problem“, bedauert Pasternack.
Dass ein Fallenlassen aller Planungen womöglich den Todesstoß für den mit Notdächern gesicherten „Lost Place“ bedeuten könnte, ist allen Beteiligten klar. Ein Andauern des Dornröschenschlafes, darin ist man sich in der Taskforce einig, kommt die Steuerzahler teuer zu stehen. Pro Jahr kostet die minimale Bewirtschaftung der Ruine mit Einzäunung und Bewachung rund 1,1 Millionen Euro. Schon deshalb wird das Berliner Immobilienmanagement nach Möglichkeiten suchen, die Verluste zu beenden.
Im Bezirksamt Pankow hält man eine relativ unpopuläre Lösung für möglich: die Begründung einer öffentlich-privaten Partnerschaft, bei der Privatinvestoren in eine Herrichtung des Areals einsteigen. Dann aber stellen sich sofort wieder Fragen nach der Denkmalverträglichkeit – etwa wenn man für eine Wohnnutzung Anbauten oder Veränderungen vornimmt. Im Pankower Schulausschuss ist man vom Szenario, mit Investorengeld ans Ziel zu kommen, entsetzt. Schließlich führte der Zusammenbruch der Pläne eines Eigentümers, das Kinderkrankenhaus in ein Krebsforschungszentrum umzuwandeln, zum Verfall des Geländes. Und zur Rückübertragung in den Landesbesitz.
Nun wieder Investoren heranzuholen, hält SPD-Mann Marc Lenkeit für eine „Schnapsidee.“ Die Idee, den Lost Place zum Beispiel über einen Mietkauf zu retten, sei abzulehnen. „Dann wird es am Ende womöglich noch teurer“, meint Lenkeit. Schlimmstenfalls könnte das Projekt Kinderkrankenhaus so enden wie im Fall des Friedrichshainer SEZs. Wo am Ende vielleicht nur eines bleibt: der Abriss.