Grüne zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines zentralen Projekts des schwarz-roten Senats – und kündigen Überprüfung an
Berliner Morgenpost vom 11.11.2024 von Isabell Jürgens

Mit den Stimmen des schwarz-roten Koalitionsbündnisses und gegen die Stimmen von Linken, Grünen und AfD hat der Stadtentwicklungsausschuss am Montag letzte Änderungen am umstrittenen „ Gesetz zur Beschleunigung von Planungs - und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben “ beschlossen. Doch gegen das sogenannte „ Schneller- Bauen -Gesetz“, das besonders heftig von Naturschutzverbänden kritisiert wird, formiert sich neuer Widerstand. Diesmal stehen aber nicht Natur- und Artenschutzbedenken im Fokus. Berlins Grüne haben grundsätzliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit.

„Unsere Fraktion wird nach Beschluss des Gesetzes prüfen, ob wir das Landesverfassungsgericht damit befassen“, kündigte Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, nach der Sitzung an. Anlass für die Überprüfung ist laut Otto die vorgesehene verschärfte Eingriffsregelung für den Senat gegenüber den Bezirken bei Vorhaben ab 50 Wohnungen. Bisher lag die Grenze für dieses besondere Eingriffsrecht bei 200 Wohneinheiten (§ 7 AGBauGB ).

Sind 50 Wohnungen von gesamtstädtischem Interesse?

„Unseres Erachtens kollidiert die Änderung mit der Verfassung von Berlin, die den Bezirken und dem Senat die Aufgaben zuweist“, sagte Otto. In der Verfassung von Berlin heißt es in Artikel 67: „Es kann an Stelle der Fachaufsicht für einzelne Aufgabenbereiche der Bezirke ein Eingriffsrecht für alle Aufgabenbereiche der Bezirke für den Fall vorsehen, dass dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt werden.“ Dass ein Vorhaben bereits von 50 Wohneinheiten ein „dringendes Gesamtinteresse“ der Stadt beeinträchtigt, trägt nach Auffassung des Grünen-Politikers nicht.

Gestärkt in ihrem Vorhaben sehen sich die Grünen durch eine Stellungnahme des Juristen Jörg Beckmann, Anwalt für öffentliches Baurecht und Infrastruktur. Dieser hatte in einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss ebenfalls Bedenken geäußert, „dass Bauvorhaben dieser Größe tatsächlich einen Eingriff nach dringenden Gesamtinteressen rechtfertigen würden“.

Grüne: „Wer alles an sich reißt, ist schlecht organisiert“

„Wer alles an sich reißt, ist schlecht organisiert“, so der Grünenpolitiker. Der Senat solle die Berliner Verwaltung steuern, die Bezirke ausführen. Das sei auch das Ziel der laufenden Verwaltungsreform . „Aktuell will Senator Gaebler jedoch jedes kleine Bauvorhaben selber genehmigen. Das ist, als wenn die Innensenatorin selber Verkehrsunfälle aufnimmt, weil in einem Polizeiabschnitt der Funkwagen kaputt ist“, kritisiert Otto.

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