Die schlimmsten Befürchtungen der kreativen Szene bestätigen sich. Das Verkehrsressort verliert ein Fünftel des Budgets
Berliner Morgenpost vom 17.11.2024 von Joachim Fahrun
Kurz vor der entscheidenden Sitzung des Koalitionsausschusses mit den Spitzen von CDU und SPD am Montag zur Sanierung des Haushaltes für das kommende Jahr zeichnen sich erste Linien beim Sparen ab. Alle Senatsressorts müssen Opfer bringen, die Bezirke hingegen werden an der Kürzungsrunde bislang nicht beteiligt. Insgesamt sind nach Morgenpost-Informationen bisher knapp 2,7 Milliarden Euro aus Kürzungen beziehungsweise aus erhöhten Steuern und Gebühren zusammengekommen.
Besonders hart trifft es die Kultur und den Verkehrsbereich . Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) soll hingegen einigermaßen glimpflich davonkommen, muss aber gleichwohl bei vielen sozialen Projekten den Rotstift ansetzen. Aber auch aus zuvor als prioritär eingestufte Ressorts wie Bildung und Inneres müssen erhebliche Beiträge beisteuern, um das Loch von drei Milliarden Euro im Haushalt 2025 zu stopfen. Für 2026 muss die Koalition dann weitere zwei Milliarden Euro auftreiben.
Kulturetat soll mit 130 Millionen Euro proportional am stärksten schrumpfen
In der Kultur dürften sich die schlimmen Befürchtungen der schon seit Wochen protestierenden Szene bestätigen . Senator Joe Chialo (CDU) soll mit rund 130 Millionen Euro deutlich mehr als zehn Prozent seines Budgets kürzen. Das wird wohl annähernd jedes Theater , jedes Museum, Orchester oder Literaturhaus und vor allem die freie Szene hart treffen. Die Opernstiftung soll nach Informationen der Morgenpost mit 15 Millionen Euro weniger pro Jahr auskommen, die Philharmoniker wären mit fast zehn Prozent ihrer bisherigen Zuschüsse dabei.
Im Haus von Verkehrs - und Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) wollen die Koalitionäre knapp 700 Millionen Euro einsammeln. Das wären fast ein Fünftel des bisherigen Budgets . Gekürzt werden allerlei Umwelt- und Klimaschutzprogramme. Auch zahlreiche Straßenbau-Projekte werden verschoben. Das Budget des landeseigenen Park-Betreibers Grün Berlin wird deutlich sinken, was etwa die schnelle Inbetriebnahme des früheren DDR-Vergnügungsareals Spreepark in Treptow unmöglich machen dürfte.
Die Koalition will die Pläne für den Ausbau des Nahverkehrs massiv abspecken
Aber vor allem trifft es den innerstädtischen Nahverkehr. Hier geht es dem Vernehmen nach um 100 Millionen Euro weniger, mehr als zehn Prozent des bisherigen Haushaltstitels. Auch die geplanten Investitionen werden massiv zurückgefahren, auch aus der Erfahrung heraus, dass die zuständigen Behörden und Verkehrsunternehmen die vielen vorgesehenen Mittel nicht zeitnah ausgegeben kriegen. Die Investitionssumme wird um 50 Millionen Euro gekürzt. Aber auch den Ausbau der Infrastruktur für den Radverkehr wollen die schwarz-roten Finanzpolitiker zurückfahren. Die Anschaffung von Elektrobussen , für die bisher 95 Millionen Euro vorgesehen waren, wird komplett gestoppt. Der Preis für das Sozialticket für den Nahverkehr steigt von neun auf 19 Euro monatlich.
Zum Streitthema 29 Euro-Ticket für alle ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mehrere Vorschläge für höhere Preise für Kunden oder auch eine komplette Streichung des besonderen Berliner Angebots liegen auf dem Tisch. Die Koalitionsspitzen müssen darüber am Montag entscheiden.
Auch die Ressorts für Inneres und Bildung müssen einen Beitrag leisten
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) wird wohl wie es sich schon länger andeutete auf die Beschaffung von Fahrzeugen für Feuerwehr , Katastrophenschutz und Polizei verzichten müssen. Im Sport-Bereich wird bei der Finanzierung der Berliner Bäderbetriebe gestrichen. Vor allem schöpfen die Haushaltsexperten aber einen hohen zweistelligen Millionenbetrag bei den Personalkosten ab, weil bei Feuerwehr und Polizei viel mehr Stellen unbesetzt sind als im Haushaltsplan vorgesehen sind. Insgesamt wird von Spranger ein Beitrag von mehr als 120 Millionen Euro verlangt, was prozentual aber nur einen kleineren Anteil an ihrem über drei Milliarden Euro umfassenden Etat bedeutet.
Auch die Bildung von Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) kommt nicht ungeschoren davon. 360 Millionen Euro soll sie aus dem größten Einzelbudget von 5,6 Milliarden Euro herausschneiden. Gekürzt wird unter anderem bei einzelnen Bildungs- und Kulturprojekten in ihrem Haus, aber auch bei der Sozialarbeit an Schulen . In der freien Jugendarbeit stehen rund sieben Millionen Euro zur Disposition. Lehrkräfte, die nicht verbeamtet werden wollen, sollen keinen finanziellen Nachteilsausgleich mehr erhalten. Diskutieren müssen die Koalitionsspitzen noch die mögliche Abschaffung der Gebührenfreiheit für Kitas, Horte und Schulessen. Die CDU schlägt das vor, die SPD ist strikt dagegen.
Parkgebühren und Landessteuern sollen die Einnahmen erhöhen
Im Stadtentwicklungsressort stehen Zuschüsse für diverse Investitionsprogramme zur Disposition, das gilt auch für die bereits begonnene Sanierung der Komischen Oper und den Abriss des Jahn-Sportparks. Geplante Schul-Neubauten werden gestrichen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) soll die Wirtschaftsförderung deutlich zurückfahren. Auch für das Stadtmarketing gibt es deutlich weniger Geld als bisher.
Finanzsenator Stefan Evers (SPD) steuert aus dem sogenannten Gesamthaushalt zusätzliche Millionen bei. So will er Rücklagen der Berliner Wasserbetriebe einsammeln. Der Verlustausgleich für den defizitären Klinikkonzern Vivantes soll mit anderen Finanzierungsinstrumenten, also auf Pump, bezahlt werden.
Die Einnahmen sollen ebenfalls steigen. 25 Millionen Euro mehr sollen höhere Parkgebühren bringen. Die Steuern auf Zweitwohnungen und Hotelübernachtungen steigen. Ob auch die Grunderwerbsteuer angehoben wird, ist unter den Koalitionspartnern noch umstritten