Wohnungsbau in Berlins historischer Mitte
Tagesspiegel vom 03.12.2024 von Teresa Roelcke
Eigentlich sollten noch dieses Jahr Architekturwettbewerbe für das neue Quartier am Molkenmarkt am Roten Rathaus in Berlin starten. Doch der Fahrplan scheint hinfällig, wichtige Termine sind abgesagt.
Die Planung für das neue Stadtviertel am Berliner Molkenmarkt direkt hinter dem Roten Rathaus verzögert sich – wieder einmal. Hieß es noch im August seitens der Stadtentwicklungsverwaltung , die Architekturwettbewerbe für den Häuserblock B an der Ecke von Gruner- und Spandauer Straße sollten noch in diesem Jahr offiziell angekündigt werden und Anfang 2025 sollte die Auslobungsveröffentlichung folgen, ist dieser Zeitplan wohl nicht mehr einzuhalten.
Aktuell antwortet die Pressestelle der Senatsverwaltung zwar nicht auf Fragen zum Stand der Dinge und zum Zeitplan für den Molkenmarkt , die der Tagesspiegel bereits am vergangenen Dienstag eingereicht hatte. Klar ist allerdings: Bereits Ende Oktober zeichneten sich erhebliche Verzögerungen bei der Arbeit am sogenannten Gestaltungshandbuch ab.
War bei Vorstellung des Rahmenplans für den Molkenmarkt im Sommer 2023 noch davon die Rede gewesen, das Gestaltungshandbuch solle bis Ende 2023 vorliegen, dürfte nun auch Ende 2024 als Frist gerissen werden.
Das Gestaltungshandbuch soll im Detail formulieren, wie das neue Quartier am Standort des historischen Stadtkerns aussehen soll. Kritiker fürchten allerdings , dass diese Vorgaben die Baukosten für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften , die dort bauen sollen, erheblich in die Höhe treiben könnten.
Erarbeitet wird das Handbuch vom Team des Frankfurter Architekten Christoph Mäckler , der auch bei der Planung des Retro-Stadtviertels am Frankfurter Dom federführend war. Der Zeitplan sah eigentlich vor, dass das Büro bis Ende August für alle drei Blöcke des neuen Quartiers „Steckbriefe“ mit Gestaltungsvorgaben vorlegen sollte. So ist es im Protokoll des Baukollegiums dokumentiert, wo die Arbeit am Gestaltungshandbuch Anfang Juli präsentiert wurde. Bis Ende September hätten darauf aufbauend Steckbriefe für die einzelnen Gebäude detailliert werden sollen.
Mehr als doppelte Bearbeitungszeit
Einen Monat nach dieser zweiten Frist, Ende Oktober, lag noch nicht einmal die erste Tranche der Steckbriefe vor. Das geht aus der Antwort vom 22. Oktober von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) auf eine Schriftliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg hervor. Lediglich für den Block B sei „der Erarbeitungsprozess weitestgehend abgeschlossen“, schreibt Kahlfeldt. Das bezieht sich wohl auf den groben Steckbrief für Block B, von Gebäudesteckbriefen ist in der Antwort gar nicht erst die Rede, obwohl die Oppositionspolitikerin auch nach diesen gefragt hatte.
Für den Block A laufe der Bearbeitungsprozess, ergänzte Kahlfeldt in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage, „und Block C folgt“. Die Arbeit am Steckbrief für Block C hatte also mehr als zwei Monate, nachdem sie abgeschlossen werden sollte, noch nicht einmal begonnen. Was die erheblichen Verzögerungen für die angekündigte Auslobung der Architekturwettbewerbe für Block B bedeutet, bleibt aufgrund der ausstehenden Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unklar.
Grund für die Verzögerungen dürften Konflikte darüber sein, wie rigide die Gestaltungsvorgaben ausfallen: wie zum Beispiel teure Materialien von den landeseigenen Wohnungsgesellschaften finanziert werden sollen oder aufwendige technische Versickerungsmöglichkeiten, wenn bei einem hohen Anteil von Schrägdächern das Regenwasser nicht von Pflanzen auf den Dächern aufgesogen werden kann. In Frankfurt beim Bau der „Altstadt“ hatte die Baukostenexplosion dazu geführt, dass ein Defizit von 90 Millionen Euro am kommunalen Haushalt hängenblieb.
Zweiter Termin im Baukollegium gestrichen
Der Zeitplan, wie er im Protokoll des Baukollegiums dokumentiert ist, hätte vorgesehen, dass im Anschluss an die beiden unterschiedlich groben Steckbrief-Sammlungen das eigentliche Gestaltungshandbuch erarbeitet werden sollte: und zwar bis zu einer zweiten Präsentation, diesmal des „fertiggestellten Berichts“ im Baukollegium Ende November. Der Bericht solle die „Arbeitsergebnisse, Schlussfolgerungen, Anforderungen und Gestaltungsregeln“ in einer Broschüre für die Fachöffentlichkeit aufbereiten, hieß es in der Aufgabenstellung, mit der das Gestaltungshandbuch im Frühjahr ausgeschrieben wurde.
Nicht nur gibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auch auf die Tagesspiegel-Anfrage, wann das Gestaltungshandbuch veröffentlicht wird, bislang keine Antwort. Auch der Termin für die Präsentation des fertigen Gestaltungshandbuchs im Baukollegium wurde offenbar ersatzlos gestrichen: Am 25. November, der wohl ursprünglich hierfür vorgesehen war, sprach das Gremium stattdessen über das Hochhausleitbild und einen Neubau in der Tiergartenstraße.
Ende November hatte die Pressestelle der Verwaltung auf die Frage nach dem zweiten Baukollegiumstermin ausweichend darauf verwiesen, dass das Baukollegium in seiner Juli-Sitzung empfohlen hatte, dass die weitere Bearbeitung durch eine kleine Abordnung von Mitgliedern des Baukollegiums begleitet werden solle: „Diese Beratungen sind im Rahmen von drei Workshops erfolgt.“ Tatsächlich hatte das Baukollegium im Juli eine solche Begleitung über den Sommer hinweg zwar angeregt, allerdings als Ergänzung, nicht als Alternative zur Abschlusspräsentation im November.
Dabei hatte bereits die Entscheidung, die Arbeit am Gestaltungshandbuchs durch das Baukollegium begleiten zu lassen, den Prozess nach mehrfachen Verfahrensturbulenzen ein weiteres Stück der öffentlichen Beteiligung entzogen: Vorher hatte es mehrfach geheißen, die Arbeit am Gestaltungshandbuch werde durch öffentliche Veranstaltungen mit Beteiligungsmöglichkeiten flankiert.
In der Ausschreibung für das Gestaltungshandbuch war dann nur noch davon die Rede, dass die Stadtgesellschaft „im Zuge der öffentlichen Sitzungen des Baukollegiums beteiligt“ werde. Das Baukollegium ist allerdings eine geschlossen tagende Veranstaltung. Die Öffentlichkeit kann Teile der Sitzungen online im Stream verfolgen, zuletzt gab es nur eine später bereitgestellte Aufzeichnung der Sitzung als Download.