Berlin verhebt sich schwer am Umbau des Kinderkrankenhauses zum Schulzentrum. Jetzt hat Pankow eine neue Idee
Berliner Morgenpost vom 09.12.2024 von Thomas Schubert

Pankow  Für Denkmalschützer und Schulplaner ist es ein Tiefschlag. Und für den Bezirk Pankow bedeutet der drohende Verlust der Lost-Place-Klinik einen schweren Schlag. Wenn das Kinderkrankenhaus Weißensee – diese halb abgebrannte, von Moos bewachsene Ruine an der Hansastraße aus dem Jahr 1911 – nicht als Schulstandort zu retten ist, dann wahrscheinlich gar nicht.

Nachdem das Projekt, einen Oberschulneubau mit 900 Plätzen hinter dem Gebäudekomplex zu errichten, an der Finanzierung gescheitert ist, stellt sich eine entscheidende Frage: Wird das Kinderkranhaus wieder an private Investoren verkauft? Es wäre eine denkbar schwierige Idee, die in Pankow Feinde hat. Denn das Scheitern eines Entwicklungsprojekts zur Herrichtung der Klinik zu einem Krebsforschungszentrum führte Ende der 1990er-Jahre bereits zur Misere, die bis heute anhält. Nur mit Mühe gelang die Rückübertragung an das Land Berlin . Nun trotzdem wieder verkaufen an private Bauherren , die vielleicht nicht liefern können?

Womöglich gibt es aber einen Mittelweg: Das Klinikgelände könnte vorerst in den Händen des Landes Berlins bleiben, das fehlende Geld für die Krankenhausrettung könnte aber aus den Kassen von privaten Finanziers fließen.

Freund einer solchen Lösung ist Pankows Schul- und Immobilienstadtrat Jörn Pasternack (CDU): „Die Möglichkeit, private Investoren einzubinden, wird derzeit diskutiert“, räumt er offen ein. „Derzeit wird zwischen dem Bezirk, der Senatsbildungsverwaltung und der Senatsfinanzverwaltung die Option einer Public Private Partnership (PPP) diskutiert. Hierbei befinden wir uns jedoch noch in einer frühen Planungsphase “, erklärt Pasternack.

Der Christdemokrat selbst hatte die Projektkrise an der Hansastraße publik gemacht, nachdem das Vorhaben wegen des Sparzwangs aus der Investitionsplanung des Landes fiel. Prompt gab es im Pankower Schulausschuss heftigen Gegenwind. Von einer „Schnapsidee“ sprach etwa SPD-Politiker Marc Lenkeit beim Gedanken an das Experiment eines „Mietkaufs“, bei dem ein Investor am Ende mehr profitieren könnte als das Land.

Doch davon lässt sich Pasternack nicht beirren. „Ansätze, wie etwa eine Konzeptvergabe mit der Festlegung öffentlicher Belange, könnten eine Lösung sein, wobei auch denkmalgerechte Nutzungen berücksichtigt werden müssten. Diese Option erfordert jedoch eine sorgfältige Abwägung und Abstimmung mit den relevanten Senatsverwaltungen“, erklärt er.

Versorgung mit Schulplätzen ist in Pankow extrem angespannt

Dass der Bezirk Pankow so oder so mit einer extremen Not an Schulplätzen leben muss, daraus macht Pasternack kein Geheimnis. „Ein Scheitern des Projekts würde die ohnehin angespannte Situation der Schulplatzversorgung im Bezirk verschärfen. In Pankow werden bis 2040/41 etwa 35 zusätzliche Schulzüge im Bereich der weiterführenden Schulen benötigt. Der Standort Kinderkrankenhaus ist eine der wenigen verbleibenden Flächen für Schulbauten im Bezirk.“

Wenn es nun aber doch zu einem Verkauf des Weißenseer Klinikgeländes und zu einer ganz anderen Art der Entwicklung durch private Interessen kommt, steuern Schulplaner womöglich in eine aussichtslose Lage: „Eine alternative Nutzung des Grundstücks würde unsere Möglichkeit dauerhaft verbauen“, lautet Pasternacks Warnung.

Aber wie viel Steuergeld verbrennt Berlin durch die Nichtnutzung der einstigen Prachtimmobilie und des Gartendenkmalgeländes wirklich? Auf Anfrage der Berliner Morgenpost äußert sich die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM): „Die Gesamtkosten von 2019 bis heute liegen bei rund 700.000 Euro. Die Bewirtschaftungskosten im Jahr 2023 lagen bei 85.000 Euro“, heißt es aus der BIM-Pressestelle. Zu möglichen Verhandlungen über einen erneuten Verkauf des Kinderkrankenhauses oder zu einer öffentlich-privaten Partnerschaft will sich die BIM nicht äußern. Letztere Option steht auch für das leer stehende Kaufhaus Galeries Lafayette zur Diskussion, wo ebenfalls ein CDU-Politiker für diese Variante wirbt: Kultursenator Joe Chialo. Kritiker sehen die Aussichten, so die Zentrale Landesbibliothek an die Friedrichstraße zu holen, aber als unrealistisch – weil zu teuer.

Und wie ist die  Lage beim Kinderkrankenhaus Weißensee ? Das Schwierigste ist wohl noch nicht einmal die Gebäudesubstanz der Klinik, sondern der denkmalgeschützte Garten dahinter. Dessen Überbauung mit einer preiswerten Standardschule sei nicht möglich, räumt Schulstadtrat Pasternack ein. „Ein Typenbau wäre jedoch die einzig finanziell realistische Variante, um einen Schulbau auf dem Grundstück zu ermöglichen.“ Anders gesagt: Eine individuelle Schullösung ist schier unbezahlbar. Jetzt müssen Berlins Spitzenpolitiker also etwas anderes ausloten, wenn sie das traurigste Denkmal im Norden der Stadt doch noch retten wollen: Wie realistisch ist der Trumpf eines Investoren-Deals für den Lost Place?

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