Berlins ältester Platz bekommt endlich ein neues Design: Ab Januar wird die passende Architektur gesucht. Bis gebaut wird, dauert es
Morgenpost vom 12.12.2024 von Isabell Jürgens
Nach Jahren der intensiven, oft heftig geführten Debatte kommt die Stadtreparatur am Molkenmarkt in unmittelbarer Nähe zum Roten Rathaus endlich voran: „Im Januar startet die europaweite Bekanntmachung des Realisierungswettbewerbes für die ersten acht Häuser am Molkenmarkt “, teilte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (SPD) am Donnerstag mit. Zwei weitere Wettbewerbe für weitere Gebäude sollen in diesem Jahr folgen.
Los geht es Anfang 2025 mit dem sogenannten Block B. Dort sollen im Norden entlang der Gruner- und Jüdenstraße acht Häuser mit einer Mischung aus Gewerbe und Wohnen entstehen. Entlang der stark befahrenen Grunerstraße soll Gewerbe, wie Geschäfte, Büros und Gastronomie, dominieren, zur ruhigeren Jüdenstraße hin Wohnungen.
„Der zweite Wettbewerb wird die Südseite des Block B mit der beidseitigen Bebauung der Parochialgasse umfassen“, so die Senatsbaudirektorin weiter. Der dritte Wettbewerb soll schließlich entlang der Stralauer Straße den Block A umfassen. Hier sind vor allem Kultureinrichtungen, darunter ein „ Haus der Bühnen“ , geplant, informierte Petra Kahlfeldt.
Als Bauherrin der Wohnungen fungiert die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WBM. „In Summe entstehen in Block A und B rund 28.000 Quadratmeter vermietbare Fläche“, so WBM-Chef Lars Dormeyer. Davon seien 20.000 Quadratmeter für Gewerbe und 8000 Quadratmeter für Wohnen vorgesehen.
Hälfte der 140 Wohnungen mit Mietpreisbindung
In den acht Häusern, für die nun zunächst eine Gestaltung gesucht wird, sollen insgesamt 100 Wohnungen entstehen, davon 50 als mietpreisgebundene Sozialwohnungen im geförderten Segment. Weitere 40 Wohnungen sollen dann in Block A folgen, ebenfalls zu 50 Prozent mit Mietpreisbindung für Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen.
„Wir werden mehr als 220 Millionen Euro Stand heute in die beiden Blöcke investieren“, so Dormeyer. Dass die Häuser nicht eben zu günstigen Preisen errichtet werden können, hat auch mit den detaillierten, teils kostspieligen Vorgaben zu tun, die in einem sogenannten Gestaltungshandbuch festgelegt sind, dessen Grundzüge im ersten Halbjahr 2024 vorgestellt wurden und den Wettbewerbsteilnehmern an die Hand gegeben werden soll.
Das Handbuch soll garantieren, dass die Gebäude möglichst kleinteilig und mit Reminiszenzen an die historische Bebauung errichtet werden. So ist beispielsweise vorgeschrieben, dass der Sockel der Häuser in Naturstein oder Klinker ausgebildet werden muss, der Mittelteil mit einer verputzten Fassade und das Dach mit einer Neigung, wie sie bei einem klassischen Berliner Altbau vorkommt.
Kostensteigernd wirken sich jedoch besonders die sogenannten archäologischen Fenster aus, über denen die Gebäude errichtet werden. Darunter etwa in Block B die gut erhaltenen Fundamente und Mauerreste eines Elektrizitätswerks aus dem Jahr 1897.
Seit zwei Jahrzehnten wird um die Gestaltung gestritten
Das Ergebnis des ersten Architekturwettbewerbs wird auf jeden Fall für erneute Debatten in Berlin sorgen. Denn um die Frage, wie das „lebenswerte und zukunftsfähige Quartier mit nutzungsflexiblen Gebäuden, klimaresilienten Freiräumen und innovativem Mobilitätskonzept“, wie es im Rahmenplan zum Molkenmarkt heißt, aussehen soll, wird seit Jahren gestritten.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ringt Berlin um die Stadtreparatur an Berlins ältestem Platz, dem Molkenmarkt . Seit der Gründung Berlins vor über 800 Jahren wurde dieser Ort Schicht für Schicht überbaut. Durch den Zweiten Weltkrieg und den Umbau für eine autogerechte Stadt erfolgten so weitgehende Zerstörungen, dass von der Vorkriegsbebauung nur noch im Untergrund Zeugnisse erhalten blieben. 2016 beschloss der Senat von Berlin den Bebauungsplan zur Wiederherstellung des Molkenmarktes . Mit der Verschmälerung und Verschwenkung der Grunerstraße wurden dadurch Baufelder frei, in denen seitdem zunächst die archäologischen Funde gesichert wurden.
Rahmenplan soll Gegensätze versöhnen
Parallel erfolgte 2020 eine aufwendige Bürgerbeteiligung, deren Ergebnisse wiederum in einen städtebaulichen Wettbewerb flossen, aus dem 2021 zwei Siegerentwürfe und eine erneute hitzige Debatte hervorgingen , worauf es beim neuen Stadtquartier vorrangig ankomme.
Es bildeten sich zwei Lager heraus, bei dem die einen eine möglichst kleinteilige Bebauung nach Altstadt-Vorbild präferierten. Die anderen vor allem 450 günstige (Sozial-)Mietwohnungen . Beide Ziele wurden in einem Rahmenplan und der , die vor einem Jahr beschlossen wurde, festgeschrieben. Im Rahmenplan heißt es unter anderen, dass die Hälfte der Mietwohnungen „im mietpreisgedämpften Segment“ angeboten werden sollen. Darin verabredet ist auch das bereits erwähnte Gestaltungshandbuch , das die Grundlage für die Wettbewerbe zur konkreten Gestaltung liefert.
Baubeginn um drei Jahre verschoben
Angestrebt wurde, wie die Senatsbaudirektorin noch im Juli dieses Jahres sagte, ein Baubeginn im Jahr 2026. Doch das ist offenbar zu optimistisch gewesen. Der Baubeginn für die ersten Blöcke auf den Feldern A und B soll 2029 erfolgen. „Wir rechnen mit einer Bauzeit von drei bis vier Jahren, sodass die ersten Bewohner 2032 einziehen können“, sagte Kahlfeldt.
Für die weiteren Baublöcke C, D und E, nannte die Senatsbaudirektorin noch keinen Zeitplan. Im Block C soll die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo entlang der Grunerstraße weitere kommunale Wohnungen errichten. Vorab müssen allerdings noch einige Grundstücke zwischen den Eigentümern, darunter – neben dem Land Berlin – die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und ein privater Eigentümer, neu zugeschnitten werden. Dazu sei man aber in guten Gesprächen, sagte die Senatorin.
In Block D befinden sich die Reste des ehemaligen Franziskanerklosters, in dem das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster bis 1945 untergebracht war. Offen ist noch, ob es hier künftig einen Schulneubau geben wird. Der Block E wird bereits vollständig baulich genutzt, es sollen lediglich Entwicklungsmöglichkeiten geprüft werden.