Im Forum an der Museumsinsel in Mitte ist architektonische Geschichte lebendig. Ein Streifzug
Berliner Zeitung vom 02.01.2025 von Jannik Läkamp

Ein Stück Stadtgeschichte, ein Stück Architekturgeschichte: Im Forum an der Museumsinsel in Mitte sind die Baustile von vier Jahrhunderten vereint. In dem 80.000 Quadratmeter großen Areal stehen unter anderem Gebäude im Stil des Bauhauses neben neobarocken und klassizistischen. Lange Zeit war der Ort ein Zentrum der Kommunikation. Aber nicht nur das. Hier trafen sich einst Freimaurer, wurden Kinder in einer Frauenklinik der Charité geboren. Inzwischen gehört das ganze Areal dem Unternehmer Ernst Freiberger. Er ließ bis 2017 vieles renovieren und umbauen, in enger Zusammenarbeit mit Historikern. Die Geschichte und Kultur des Ortes sollten dabei erhalten bleiben, es sollte ein „historisches Bau -Ensemble mit moderner Nutzung“ werden, betonte Freiberger. Inzwischen sitzen hier auch einige Firmen des Internetzeitalters. Ein Überblick.

Haupttelegraphenamt: Heute ein Hotel, früher einer der wichtigsten Knotenpunkte der Kommunikation in Europa. Das neobarocke Haupttelegraphenamt wurde 1916, während des Ersten Weltkriegs, in Betrieb genommen. Der Bau begann bereits 1910. Der Neobarock besticht mit überbordendem, prächtigem und materialreichem Bauschmuck sowie wuchtigen Säulen und Kuppeln. Die Gebäude in diesem Stil sollten der Repräsentation und dem Pathos dienen. Der Stil ist an den barocken Schloss- und Klosterbau angelehnt.

Bis zu 20.000 Telegramme wurden hier täglich verschickt. Das Gebäude des Architekten Max Lehmann nimmt den gesamten Block zwischen Oranienburger- und Ziegelstraße ein. Im Keller wurde die Zentrale der Berliner Rohrpost eingerichtet, bis 1976 war sie in Betrieb. Historisch anmutende Steckverbindungen der Telegrafen sowie Leitungen und Kompressoren der Rohrpost zeugen bis heute davon. Die Wände zieren echte, in Archiven gefundene Telegramme, die von hier aus verschickt wurden.

Fernsprechamt: Nach dem Ersten Weltkrieg kam zu den bestehenden Kommunikationsmitteln eine Zentrale für Telefonverbindungen hinzu. In nur einem Jahr Bauzeit wurde das Fernsprechamt im expressionistischen Stil des Art déco 1927 nach einem Entwurf von Felix Gentzen errichtet. Der Art-déco-Stil zeichnet sich durch seine Symmetrie, das Spiel mit geometrischen Mustern, die Vielfalt der Materialien und viele Ornamente aus. Oft wird auf edle Materialien wie Gold, Kristall oder Bronze gesetzt. Auch Messing und Marmor sind typisch in dieser Kunstrichtung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Fernsprechamt um das Institut für Post- und Fernmeldewesen der DDR erweitert. Der Flügel bildet das Eckgebäude zur Oranienburger Straße.

Torhaus: Das neu gebaute Torhaus im modernen Stil verbindet die Oranienburger Straße mit dem neuen Stadtplatz des Forums Museumsinsel. Es beherbergt Büroräume und Gastronomie.

Gropius-Ensemble: Die Architekten Martin Gropius und Heino Schmieden errichteten von 1879 bis 1882 zwischen Ziegelstraße und Spree ein Klinikgebäude im Stil der Neorenaissance, einer Spielart des Historismus. Gebäude in diesem Stil sind geprägt von symmetrisch gestalteten Fassaden, imposanten Kuppeln, rippenlosen Gewölben, Säulen, Rundbögen und viel Dekor. Das Berliner Abgeordnetenhaus und der Berliner Dom sind im selben Stil gehalten.

Mit der Gründung der Berliner Universität im Jahr 1810 wurde das Areal weiter ausgebaut. In dem Hörsaal des Gebäudes lehrte etwa einer der bedeutendsten und einflussreichsten Chirurgen des 20. Jahrhunderts, Professor Ferdinand Sauerbruch. Der Bau wurde über die Jahrhunderte hinweg immer wieder umgebaut. Der international bekannte Architekt Sir David Chipperfield gestaltete das Gropius-Ensemble 2015 neu, ohne allerdings mit dem alten Stil zu brechen.

Das Bauhaus: An der Ziegelstraße entstand von 1931 bis 1933 eine Frauenklinik der Charité. Gedacht war sie für unterprivilegierte Mütter und „gefallene Frauen“, wie es der Geschäftsführer des Forums, Michael Schürer, ausdrückt. Der Architekt Heinrich Wolff errichtete das Gebäude im modernen Bauhaus - beziehungsweise International-Stil. Im Zweiten Weltkrieg erhielt das Gebäude einen Bunker im Keller, der während Luftangriffen auch als Kreißsaal und Klinik diente.

In dem „Das Bauhaus “ genannten Gebäude entstanden unter der Federführung Sir David Chipperfields, der die letzte Modernisierung des Forums Museumsinsel leitete, exklusive Wohnungen über mehrere Etagen sowie Büroflächen. Auch die Innenarchitektur ist streng im Bauhausstil gehalten.

Residenz Monbijou: Von 1902 bis 1906 wurde dieses Gebäude im Stil des Neobarock gegenüber dem Park vom Schloss Monbijou errichtet. Die Charité hatte ab 1885 häppchenweise die Grundstücke an der Monbijoustraße dafür erworben. Die Entwürfe stammen von Georg Thür. Wenig später errichtete der Architekt auch das Ida-Simon-Haus direkt nebenan. Das Stadtpalais wurde 1927 Teil der Charité-Frauenklinik. Inzwischen wurde es modernisiert und zu Wohnraum umfunktioniert.

Simon-Palais: Das Gebäude wurde nach dem neoklassizistischen Entwurf von Georg Thür von 1909 bis 1911 durch die Ida-Simon-Stiftung gebaut. Das Haus mit der auffälligen roten Fassade diente als private Krankenstation für Frauen und Mädchen, die keine Unterstützung durch öffentliche Mittel bekamen. Der Neoklassizismus ist eine Architekturströmung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte. Statt Historismus sollte diese Spielart der Architektur eine neue Zeit symbolisieren, die architektonische Phase der Moderne und des Neuen Bauens .

Die Entwürfe in diesem Stil orientieren sich an Verstand und Logik und der reinen Funktionalität der Bauwerke. Sie sind geprägt vom Verzicht auf repräsentative Details, der Verwendung von industriell gefertigten Baustoffen, Asymmetrie, kubistischen Elementen und Lichtfülle. Inzwischen dient das Simon-Palais an der Spreepromenade als luxuriöses Wohnhaus mit ein- und zweigeschossigen Stadtwohnungen. Im Erdgeschoss befindet das Bistro Petit Bijou.

Logenhaus: Der Freimaurer und Hofbaurat Friedrich Christian Becherer, Mitgründer der Berliner Bauakademie , baute von 1789 bis 1791 in der Oranienburger Straße 71/72 den ehemaligen Sitz der Großen Landesloge der Freimaurerei Deutschlands. Es ist das älteste noch erhaltene Ordenshaus Deutschlands. Das Gebäude mit zwei seitlichen Tordurchfahrten ist im klassizistischen Stil gehalten. 1831 wurde das Gebäude aufgestockt, 1866 bis 1867 wurden ein fast acht Meter hoher Speisesaal im Erdgeschoss und ein Arbeitssaal mit logentypischen Malereien im ersten Stock hinzugefügt.

Ab 1898 hatte in dem Haus die Reichspost ihren Sitz und nutzte es unter anderem für die Paketausgabe. Der Arbeitssaal wurde zur Mitarbeiterkantine. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Logenhaus Teil des Instituts für das Post- und Fernmeldewesen der DDR. Noch heute stammen die meisten Fensterrahmen und Türen von 1791. Die Große Landesloge der Freimaurerei Deutschlands existiert bis heute, sie hat ihren Sitz in einem neuen Ordenshaus in Dahlem.

Dieselhaus: In den 1920er- und 1930er-Jahren errichtete die Reichspost hier die Kommunikationszentrale der Hauptstadt, inklusive einer eigenen Not- und Ersatzstromversorgung, um die Funktionalität des Gebäudes im Fall der Fälle unabhängig vom Berliner Stromnetz zu gewährleisten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Fundamente des im Krieg zerstörten Saalbaus des Logenhauses genutzt, um hier einen mehrere Tonnen schweren Schiffsdiesel mit 640 PS als Notstromaggregat aufzustellen. Das von Grund auf erneuerte Gebäude dient heute als Restaurant. Der Schiffsdiesel steht allerdings noch immer in der Mitte des Speisesaals.

Die Berliner Zeitung im Internet: www.berliner-zeitung.de