Im Interview verteidigt Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) ihre autofreundliche Politik, bremst Hoffnungen auf bessere BVG-Takte und stellt sich der Kritik, unentschlossen zu führen.
Tagesspiegel vom 08.02.2025 von Christian Latz

Frau Bonde, als Sie noch VBB-Chefin waren, haben Sie mal gesagt, dass Sie meistens mit der S-Bahn zur Arbeit pendeln. Als Senatorin fahren Sie nun per Dienstwagen durch die Stadt. Schauen Sie dadurch heute anders auf den Berliner Verkehr ?
Ich fahre tatsächlich richtig gerne Bus und bin noch immer viel mit den Öffis unterwegs. Wenn ich aber doch mal selbst Auto fahre, finde ich, dass man gut durch die Stadt kommt. Der Verkehr ist mit den Jahren immer fließender geworden – wenn ich die Baustellen mal außer Acht lasse.

Zumindest vom Gefühl her dürften viele Autofahrer die Einschätzung nicht teilen, gerade auch wegen der vielen Baustellen .
Die neusten Staudaten belegen , dass der Verkehr flüssiger geworden ist. Aber es gibt schon viele Baustellen in Berlin . Auch, weil wir unter der Erde eine veraltete Infrastruktur an Leitungen haben. Mir ist deshalb wichtig, dass wir die Digitalisierung der Baustellenkoordination hinbekommen.

Das haben schon viele Regierende Bürgermeister und Verkehrssenatorinnen vor Ihnen versprochen . Warum sollte es dieses Mal wirklich klappen?
In Hamburg haben wir uns dazu ein neues System angeschaut, das wir jetzt auch in Berlin als Piloten testen. In dieses System wollen wir alle wichtigen Leitungsträger integrieren – auch die Deutsche Bahn, die Autobahn des Bundes, die Öffentlichen und Privaten – damit sich alle besser abstimmen können, wenn die Straßen mal aufgerissen werden müssen. Aber bis es spürbare Verbesserungen für die Autofahrer gibt, wird es sicherlich noch einen Moment dauern.

Ihre Vorgängerin Manja Schreiner hatte vor einem Jahr angekündigt, auf dutzenden Straßen wieder Tempo 50 statt 30 einführen zu wollen. Ist das schon irgendwo passiert?
Bislang nicht, aber es wird kommen. Wir bereiten gerade den Luftreinhalteplan und den Lärmaktionsplan für den Beschluss im Senat vor. Davon ausgehend werden wir entscheiden, auf welchen Straßen Tempo 30 aufgehoben wird, denn die Regelgeschwindigkeit ist nach wie vor Tempo 50.

Verkehrssicherheitsexperten plädieren seit langem für mehr Tempo 30 in Städten. Selbst die Gewerkschaft der Polizei fordert, Tempo 30 innerorts zur Regelgeschwindigkeit zu machen. Zudem sorgt es für weniger Lärm und Abgase. Spielt das aus Ihrer Sicht keine Rolle?
Doch, aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass der Verkehr vernünftig fließen kann. Regelgeschwindigkeit ist Tempo 50. Zudem wirkt sich Tempo 30 nicht zwingend positiv auf den Verkehrsfluss aus.

Berlin und die schwarz-rote Koalition diskutieren darüber, wie es mit den Parkgebühren in der Stadt weitergeht. Auch Sie sprechen sich für höhere Anwohnerparkgebühren aus. Braucht es nur einen höheren Preis oder ein ganz neues Konzept, wie es CDU-Fraktionschef Dirk Stettner vorschlägt ?
Es wird ein grundsätzlich anderes Konzept geben. Danach werden wir eine andere Parkraumbewirtschaftung in Berlin haben, als wir sie heute kennen. Für mich ist dabei wesentlich, dass wir eine Lösung für alle schaffen, die in verschiedenen Teilen der Stadt auf einen Parkplatz angewiesen sind. Also Handwerker und andere Dienstleister, insbesondere im Pflegebereich, oder Ärzte.

Und auch private Autofahrer?
Es kann gut sein, dass wir zusätzlich auch Möglichkeiten für den privaten Bereich schaffen. Zum Beispiel, wenn ein Paar getrennt lebt und zwei Autos für Kinderfahrten benötigt, dann sollte es auch in beiden Wohngegenden günstig parken können.

Wir arbeiten daran, dass auch die letzte Meile gut ohne eigenes Fahrzeug zurückgelegt werden kann. Dann besteht das Bedürfnis nach einem eigenen Auto gar nicht mehr. 

Ute Bonde , Verkehrssenatorin

Haben Sie keine Sorge, dass Sie damit den Autoverkehr erst attraktiv machen?
Nein, denn wir arbeiten daran, dass auch die letzte Meile gut ohne eigenes Fahrzeug zurückgelegt werden kann. Dann besteht das Bedürfnis nach einem eigenen Auto gar nicht mehr. Auch aus finanziellen Erwägungen, weil es wirklich viel kostet.

Mit niedrigeren Parkgebühren machen Sie das Autofahren aber doch dann auch finanziell attraktiver.
Aber ein eigenes Auto zu haben, bleibt in jedem Fall teurer. Am Ende kommt es aber darauf an, welche Lösung und für wen wir sie finden werden.

Im zurückliegenden Jahr wurden lediglich 23,3 Kilometer Radwege fertiggestellt. Damit blieb Schwarz-Rot das zweite Jahr in Folge hinter der Radwege-Bilanz der rot-grün-roten Koalition zurück, die 2022 noch 26,5 Kilometer gebaut hatte. Sind Sie damit zufrieden?
Natürlich hätte ich gerne mehr. Aber wir arbeiten daran unter den finanziellen Rahmenbedingungen und nutzen die Möglichkeiten, unsere personellen Ressourcen entsprechend der Priorisierung in der Planung einzusetzen.

Für 2025 wurden die Investitionsmittel beim Radverkehr um 1,5 Millionen Euro gekürzt. Wie viele Kilometer Radwege können Sie damit fertigstellen?
Die Maßnahmen, die schnellen Erfolg erzielen, sind mittlerweile weitestgehend umgesetzt. Damit kommen wir jetzt an des Pudels Kern. Jede neue Strecke wird jetzt aufwändiger. Für 2025 rechnen wir bei 29 Projekten damit, dass sie fertig werden. Das sind nach heutigem Kenntnisstand 17,5 Kilometer .

Ursprünglich waren für dieses Jahr mal 200 Kilometer vorgesehen – wenngleich nicht von Ihrer Regierung. War das illusorisch?
Aus meiner Sicht: unrealistisch.

Laut der kürzlich vom Senat beschlossenen Investitionsplanung sollen die Mittel für Investitionen in den Radverkehrsprojekten von aktuell 6 Millionen Euro auf 500.000 Euro gekürzt werden. War es das dann komplett mit dem Radwege-Ausbau?
Nein. Das ist nur eine Mittelfristplanung, entscheidend ist der Haushalt 2026/27. Dafür haben wir jetzt die Eckwerte unseres Budgets bekommen. Das werden wir nun verteilen und dann sehen, was wir 2026 an Mitteln für den Radwege-Ausbau haben.

Ihre Senatsverwaltung muss laut den aktuellen Budget-Beschlüssen nochmal 97 Millionen Euro mehr sparen. Auch lehrt die Erfahrung, dass Mittel, die einmal in der Investitionsplanung gestrichen wurden, wohl nicht mehr zur Verfügung stehen dürften. Deshalb nochmal: Wollen Sie beim Radverkehr so deutlich sparen?
Ich kann Ihnen da noch keine Tendenz sagen. Das ist aber ein verkürzter Blick. Auch bei den Bezirken sind noch Mittel für den Radwege-Ausbau vorhanden. Zudem haben wir auch noch SIWA-Mittel, also aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt. Der Radwege-Ausbau bleibt für die Koalition wichtig.

Wo werden Sie die 97 Millionen Euro dann kürzen?
Wir haben die Eckwerte vergangenes Wochenende erhalten. Lassen Sie uns mal in Ruhe arbeiten, dann schauen wir weiter.

Zugleich wachsen die Kosten, die das Land für die Tangentialverbindung Ost (TVO) aufbringen muss, in die Höhe. Nach aktuellem Stand dürften es mindestens 325 Millionen Euro sein, die die Straße das Land kostet . Und selbst diese Berechnung gilt als veraltet. Werden Sie dafür andere Verkehrsprojekte aufgeben müssen?
Erst wenn die Planfeststellung beschlossen ist und wir uns in der Ausführungsplanung befinden, können wir Aussagen zu den tatsächlichen Kosten treffen. Wir halten natürlich an der TVO fest. Maßgeblich dafür ist eine weitere Kofinanzierung durch den Bund. Da sind wir dran.

Danach sieht es derzeit nicht aus, das hat der Bund kürzlich nochmal klargestellt.
Warten wir mal die Bundestagswahl am 23. Februar ab. Mal schauen, was der Bund danach sagt.

Warum braucht es die TVO eigentlich?
Um den Wirtschaftsverkehr aus den Kiezen herauszuhalten und sie damit wieder wesentlich lebenswerter zu machen. Und um den Wirtschaftsverkehr zu beschleunigen. Das ist für den Erfolg der Wirtschaft und Gewerbeansiedlungen im Osten Berlins ein wesentlicher Faktor.

Aktuelle Zahlen aus Ihrem Haus zeigen, dass in Berlin seit Jahren immer weniger Auto gefahren wird . Warum richten Sie Ihre Verkehrspolitik nicht stärker an diesen Daten aus?
Es wird weniger Auto gefahren, aber das trifft nicht auf den Lkw- Verkehr zu. Um einen weiterhin attraktiven Wirtschaftsverkehr gewährleisten zu können, sind leistungsfähige Straßen unabdingbar.

Gilt das auch für den 17. Bauabschnitt der A100?
Der 17. Bauabschnitt der A100 zählt für mich auch dazu.

Weltweit setzen Metropolen auf einen anderen Kurs , bauen Radwege aus, schränken den Autoverkehr ein. Nur Berlin scheint dem Trend aktuell nicht mehr zu folgen. Stattdessen werden wieder stärker die Interessen der Autofahrer ins Zentrum gerückt. Irren sich alle anderen Städte, oder Sie?
Weder noch. Jeder soll die Verkehrspolitik machen, die er für richtig hält. Für mich geht es um ein gutes Miteinander im Verkehr . Jeder muss sich seinen Mobilitätsbedürfnissen entsprechend fortbewegen können. Sie haben vorhin gesagt, dass der motorisierte Individualverkehr in Berlin nachlässt. Damit zeigen wir ja, dass es funktioniert, wenn man nicht Verbote ausspricht, sondern Anreize setzt.

Eine Ihrer größten Baustellen war zuletzt die BVG. Im vergangenen Jahr herrschten teils chaotische Zustände. Noch immer sind einige der Takte gekürzt. Wann können wir dieses Problem endlich abhaken?
Es braucht seine Zeit, bis das System wieder so hochgefahren ist, wie wir und die Berliner sich das wünschen. Wir haben das klare Ziel, bei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit eine Quote von 99 Prozent zu erreichen. Dafür brauchen wir die neuen Fahrzeuge, die ab diesem Jahr eingeflottet werden. Insofern wird es sicherlich noch ein bis anderthalb Jahre dauern, bis wir tatsächlich da sind, wo wir alle sein möchten.

In diesem Jahr kommen nicht überall die gewohnten Takte zurück?
Es wird sukzessive besser. Nach dem Sommer kommen erst die neuen Züge für das Kleinprofil. Da wird man dann schon wesentliche Verbesserungen sehen. Aber um 99 Prozent zu erreichen, braucht es Zeit. Und im Großprofil kommen die Fahrzeuge erst im kommenden Jahr in großen Zahlen.

In diesem Jahr steht die Revision des BVG- Verkehrsvertrags an. Darin ist auch die Entwicklung des Angebots geregelt. Die BVG selbst hat gesagt, dass es bis Ende 2027 keinen Aufwuchs beim U-Bahnfahrplan gibt. Internen Aussagen zufolge soll es sogar bis 2029 nicht mehr Leistung werden. Werden Sie das nun auch im Verkehrsvertrag festhalten?
Wir können die Verhandlungen nicht vorwegnehmen. Wichtig ist zunächst die Betriebsstabilität bei der BVG. Das heißt aber nicht, dass kein Aufwuchs stattfinden wird. Wir müssen nur den richtigen Zeitpunkt dafür finden. Und das Land muss die finanziellen Mittel haben, den Aufwuchs dann auch bezahlen zu können.

Wird der Ausbau des Nahverkehrs durch Berlins schlechte Finanzlage gehemmt?
Das werden wir noch sehen. Wir werden priorisieren müssen, wo wir die Mittel einsetzen. Aber noch ist es zu früh, dazu etwas sagen zu können.

Zwei geplante Tramstrecken wurden in den Haushaltsverhandlungen gestrichen. Wie geht es bei den Verbindungen voran, die noch kommen sollen: die Verlängerung der M10 zur Jungfernheide und zum Hermannplatz sowie die Verlegung der Linie 21 zum Ostkreuz?
Wir bekommen bei den Tramplanungen gerade Schwierigkeiten. Oberleitungen in Moabit wie am Ostkreuz könnten mit Blick auf die Feuerwehr problematisch sein. Wir versuchen kurzfristig, mit BVG, Feuerwehr und den Bezirken zu einer Lösung zu kommen.

Aus Ihrer Verwaltung heißt es manchmal, dass Sie sich vor allem für die BVG interessierten, andere Themen fielen hinten runter. Stimmt das?
Ich habe das noch nie gehört. Aber die BVG ist neben der S-Bahn der wesentliche Mobilitätsanbieter in Berlin . Letztes Jahr hatte sie Schwierigkeiten. Wenn ich mich da nicht um die BVG kümmere, mache ich meinen Job nicht richtig.

Die CDU hat mehrfach den Hackeschen Markt als einen guten und geeigneten Ort für eine Fußgängerzone ins Spiel gebracht. Wie steht es um die Idee?
Derzeit wird ein Masterplan Mitte erarbeitet. In dem Kontext stehen die Pläne für den Hackeschen Markt, die Friedrichstraße oder der Gendarmenmarkt . Wir warten diese Ergebnisse noch ab.

Aber Sie haben als Senatorin ja sicherlich Ideen für diese Orte.
Wir lassen den Masterplan Mitte durch unsere Fachexperten mit allen Beteiligten erstellen. Danach werden wir uns dazu äußern.

Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie sich auch als Senatorin häufig nur ausweichend zu verkehrspolitischen Themen äußern. Haben Sie dazu keine eigene Meinung oder trauen Sie sich aus Rücksicht auf Ihre Parteikollegen nicht, sie zu äußern?
Ich habe eine eigene Meinung, aber ich habe insbesondere Respekt vor den Fachleuten. Die will ich ohne meine politische Einflussnahme in Ruhe arbeiten lassen. Entscheidungen treffe ich dann zu gegebener Zeit. Angst vor irgendjemandem habe ich weiß Gott nicht.

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