Vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz, von Johannisthal in die Gropiusstadt: Diese Vorhaben wurden beerdigt. Doch es wurde bereits viel investiert.
Berliner-Zeitung vom 05.03.2025 von Peter Neumann

Mal hü, mal hott. Ein rund drei Jahrzehnte altes Verkehrsprojekt in Mitte zeigt, wie schwierig es mittlerweile geworden ist, die Infrastruktur in Berlin zu erweitern. Die Vorbereitungen für den Bau einer Straßenbahnstrecke zum Potsdamer Platz hatten gerade wieder an Tempo gewonnen, da stellte die schwarz-rote Koalition die Signale plötzlich auf Halt. Damit sind bisherige Anstrengungen auf absehbare Zeit umsonst. Der Linke- Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg hat den Senat gefragt, wie viel Geld für dieses Vorhaben schon ausgegeben wurde. Jetzt liegen die Zahlen vor. Auch ein anderes gestopptes Tramprojekt hat die Steuerzahler bereits belastet.

Rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Immer wenn für die Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz über die Leipziger Straße und den Potsdamer Platz zum Kulturforum wieder die Planungen aufgenommen wurden, dekretierte die Politik erneut einen Stopp. 1996, 2001 und 2013 begannen Vorplanungen, die dann versandeten.

Die ersten Schienen wurden im Jahr 2000 in der Leipziger Straße verlegt

Die Schienen, die der Stadtentwicklungssenator Peter Strieder 2000 für 1,85 Millionen Euro auf 530 Metern in der Leipziger Straße verlegen ließ, zeugen von dem Hin und Her. Sie sind längst unbrauchbar geworden und müssten entfernt werden, wenn die Ost-West-Trasse tatsächlich gebaut würde – was nun wieder als unwahrscheinlich gilt. Zeitweilig hieß es, dass die erste M4 zum Kulturforum 2008 fahren soll. Zuletzt wurde 2029 als möglicher Zeitpunkt genannt. Jetzt gibt es offiziell keinen Termin mehr.

Die Verlängerung der M4 ist nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines der größten Projekte dieser Art. Die Ost-West-Trasse soll 3950 Meter lang werden. Ein 440 Meter langer Anschluss in der Spandauer Straße sowie ein 237 Meter langer Abzweig in die Ben-Gurion-Straße am Sony-Center kommen dazu. Erste Rechnungen erwarteten ein hohes Fahrgastaufkommen – von bis zu 40.000 Reisenden pro Tag war die Rede.

In der parlamentarischen Drucksache, mit der Verkehrsstaatssekretär Johannes Wieczorek die jüngste Anfrage des Linke-Abgeordneten Kristian Ronneburg beantwortete, werden 10.000 bis 15.000 werktägliche Personenfahrten als Aufkommen genannt. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass die offiziellen Schätzungen sehr konservativ sind. Für den Neubauabschnitt der M10 in Moabit hatten die Planer pro Tag 10.000 Fahrgäste vorher gesagt – wenige Monate nach der Eröffnung waren es 18.500.

2023 war der Senat noch auskunftsbereiter – das ist die damalige Rechnung

Die bisherige, noch unter der Grünen- Verkehrssenatorin Bettina Jarasch abgestimmte Planung sah vor, die Gleise über die Leipziger Straße nach Westen weiterzuführen. Auf dem schmalen Abschnitt zwischen der Charlottenstraße, dem Bundesratsgebäude und dem Potsdamer Platz wäre es allerdings erforderlich, den Platz für den Autoverkehr auf einen Fahrstreifen pro Richtung zu halbieren. Das könnte der Grund dafür gewesen sein, dass die schwarz-rote Koalition dieses Vorhaben 2023 auf den Prüfstand stellte. Offiziell heißt es, dass es die angespannte Haushaltslage erfordert, Vorhaben zu priorisieren.

Still ruht der See. Es wurden und werden keine konkreten Planungen veranlasst, so der Senat. Aber wie viel Geld wurde schon ausgegeben? Was die Grundlagenuntersuchung und die verwaltungsinternen Planungen anbelangt, reagierte Wieczorek ausweichend. Diese Kosten könnten „bisher nicht näher beziffert werden“, teilte er mit. Das hatte bereits Wieczoreks Vorgängerin Claudia Elif Stutz bedauert. In ihrer Antwort auf eine Grünen-Anfrage war sie 2023 auskunftsbereiter. „Seit Beginn der Vorplanungsphase sind externe Planungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro angefallen. Zum aktuellen Projektstand betragen die Gesamtkosten der Planung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen insgesamt circa sechs Millionen Euro“, erklärte die CDU-Politikerin.

Linke-Politiker: „Die Leidtragenden sind die Fahrgäste in Berlin

Immerhin konnte der Senat jetzt in seiner aktuellen Drucksache auflisten, welche Planungskosten nach Auskunft der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) angefallen seien. Sie sei die Vorhabenträgerin. Bis 2022 bezifferte der Senatspolitiker diese Aufwendungen mit 1,704 Millionen Euro. 2023 wurden 794.000, im vergangenen Jahr 999.000 Euro ausgegeben. Das macht aufseiten des Landesunternehmens zusammen 3.497.000 Euro für Planungen , die nun nicht weitergeführt, geschweige denn umgesetzt werden.

Kristian Ronneburg äußerte sich kritisch. „Die Antworten des Senats zeigen, dass die Straßenbahnstrecken rein aus politischen Gründen von CDU und SPD gestrichen wurden, weil sie manchen in den eigenen Reihen einfach nicht passen“, so der Abgeordnete in seiner Stellungnahme. „Die Leidtragenden sind die Fahrgäste in Berlin , die von beiden Strecken profitieren würden, denn dadurch würden überlastete Buslinien ersetzt werden und es wären weitere sinnvolle Netzerweiterungen möglich.“

Grünen-Abgeordnete: „Die CDU setzt weiter auf neue Luftschlösser“

Dass der Senat nach wie vor als Grund für die Kürzung die angespannte Haushaltslage angibt, sei eine „intellektuelle Beleidigung“, bemängelte der Linke-Politiker. „Einerseits sind die Planungskosten für die Straßenbahn vergleichsweise gering. Es gibt überhaupt keine finanzpolitische Notwendigkeit hier zu kürzen, schon gar nicht bei dem langfristigen Nutzen der Erweiterung des Straßenbahnnetzes. Andererseits ist allgemein bekannt, dass neue Straßenbahnstrecken viel billiger als neue U-Bahn-Strecken sind. Doch auf der Kürzungsliste von CDU und SPD taucht keine einzige U-Bahn-Strecke auf, obwohl die Koalitionäre genau wissen, dass ihre Pläne völlig unrealistisch sind.“

Es gibt noch ein zweites Straßenbahnprojekt in Berlin , das „qualifiziert beendet“ wurde, wie Staatssekretärin Britta Behrendt im Januar den Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß und André Schulze mitteilte. Der Tram M11 von Johannisthal in die Gropiusstadt wurde im Nahverkehrsplan ein dringlicher Bedarf bescheinigt. Im November 2023 beschloss der Senat, dass für die Ost-West-Verbindung über die ehemalige innerstädtische Grenze hinweg die Planung beginnen. Damals hieß es, dass der Betrieb auf der 6,2 Kilometer langen Trasse zum U-Bahnhof Johannisthaler Chaussee in Neukölln 2020 beginnt.

Zu einer Grundlagenermittlung ist es noch gekommen: Der Senat bezifferte die Kosten auf 238.828,43 Euro. Doch dabei soll es nach dem Willen der Koalition nun bleiben. Dabei hatte das Land Berlin der BVG zugesagt, Planungskosten zu übernehmen. In diesem Jahr hätten sie sich auf 2,237 Millionen Euro summiert - damit lässt sich schon viel bewegen.

„Die CDU setzt weiter auf neue Luftschlösser, statt naheliegende Lösungen umzusetzen“, kommentierten Oda Hassepaß und André Schulze. „Neben einer Güterstraßenbahn und einer Magnetschwebebahn für Berlin , wurden von der CDU gleich vier neue Tramideen für die City West angekündigt, für die es weder Planungen noch Geld gibt. Auf der anderen Seite gibt es einen Tram-Stopp bei Linien, die bereits geplant sind, Bedarf nachgewiesen ist und schon Gelder eingesetzt wurden. Diese Vorgehensweise ist nicht nachvollziehbar. Wir Grüne wollen mehr Trams in Betrieb.“

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