Das verlassene Kinderkrankenhaus Weißensee erzählt bis heute seine bewegende Geschichte. Was der Lost Place verrät – alle Infos im Überblick.
Morgenpost vom 13.05.2025 von Kerstin Heinrich

Verlassen, verfallen und dennoch voller Geschichte: Das einstige Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee in Berlin-Pankow gilt heute als "traurigstes Denkmal Pankows". Errichtet in der Kaiserzeit als eine der modernsten Einrichtungen Preußens, geriet das Krankenhaus nach seiner Schließung zunehmend in Vergessenheit. Heute gehört der imposante Bau zu den spannendsten Lost Places Berlins. Lesen Sie hier die wichtigsten Fakten:

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee – die Infos im Überblick:

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Kinderkrankenhaus Weißensee:

Bedarf: Hohe Kindersterblichkeit Anfang des 20. Jahrhunderts

Schon nach seiner Eröffnung kurz vor Anfang des Ersten Weltkriegs stand im Kinderkrankenhaus Weißensee das Wohl junger Menschen im Mittelpunkt. Allerdings ging es damals oft um Leben und Tod. Damals wollte die Gemeinde Weißensee, die seinerzeit noch nicht zu Berlin gehörte, einem medizinischen Grundproblem begegnen: Der hohen Todesrate bei Neugeborenen.

Kinderkrankenhaus Weißensee: Erste Planungen und Entwurf

Den Entwurf und die Bauplanung der Klinik auf dem Grundstück an der Kniprodeallee, der heutigen Hansastraße 178–180, übernahm der seit 1906 als Gemeindebaurat tätige Carl James Bühring. Er entwarf ein mehrteiliges Gebäudeensemble. In diesem konnten anfangs bis zu vierzig Säuglinge im Alter bis zu zwei Jahren behandelt werden. Neben einer chirurgischen Abteilung gab es Bereiche, in denen HNO- sowie Hautkrankheiten behandelt wurden. Auf dem 28.000 Quadratmeter großen Grundstück erfolgte 1909 die Grundsteinlegung.

Kinderkrankenhaus Weißensee: Betrieb in der Kaiserzeit

Eingeweiht wurde das Säuglings- und Kinderkrankenhaus in Weißensee, damals noch Kreis Niederbarnim, nach zweijähriger Bauzeit am 8. Juli 1911. An der Einweihung nahmen renommierte Mediziner aus ganz Europa und Amerika teil. Sie hielten sich damals zu einem Kongress zum Thema Säuglingsschutz in Berlin auf. Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee war damals das führende seiner Art in ganz Europa.

Das Krankenhaus-Areal: Eine Heileinrichtung auf dem Stand der Zeit

1911 bestand das Ensemble neben dem Hauptgebäude des Krankenhauses aus einem Hörsaal für Ärzte und Schwestern in der Ausbildung, einem Isolierpavillion, in dem Keuchhusten und Diphtherie-Patienten behandelt wurden, einer Kapelle, einem Wirtschaftsgebäude, einer Leichenhalle und einem Pferdestall mit Wagenremise.

Neben den modernen medizinischen Einrichtungen hatte das Krankenhaus einen eigenen Kuhstall mit 36 Kühen und einer eigenen Molkerei. Die dortige Nahrungsbereitungsanstalt und der Musterkuhstall sollten die direkte Versorgung der Neugeborenen und deren Mütter gewährleisten. Zu Therapiezwecken wurde das Kinderkrankenhaus außerdem in einen eigens gestalteten Park eingebunden – zu der Zeit eine Besonderheit.

Kinderkrankenhaus Weißensee: Umstrukturierung in der Weimarer Republik

Im Rahmen der Berliner Gebietsreform 1920 erfolgte die Eingemeindung von Weißensee nach Berlin. In der Folge wurde in den 1920er-Jahren die auf dem Gelände befindliche "Milchkuranstalt " aus dem Krankenhausareal herausgelöst. Die Milchkuranstalt wurde Teil der Immobiliengesellschaft „Berliner Stadtgüter“ und bildete später die Basis für den 1965 gegründeten "Milchhof Heinersdorf", der bis zur Wiedervereinigung Ost-Berlin mit Milch versorgte.

Das Kinderkrankenhaus Weißensee wurde in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus weiter ausgebaut: 1931 hatte das Krankenhaus eine Kapazität von 80 Betten. 1934 wurde ein weiterer Erweiterungsbau am Krankenhaus eröffnet. Die Anzahl der Betten wurde schrittweise auf 100 erhöht.

Kinderkrankenhaus Weißensee: Desolater Zustand am Ende des Zweiten Weltkriegs

Auch wenn der Klinikbetrieb in den letzten Kriegsmonaten in Weißensee aufrecht erhalten blieb, war das Kinderkrankenhaus durch die Kriegsfolgen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Ein Amtsarzt und der zuständige Stadtrat zeichneten in einem Bericht vom Mai 1945 ein düsteres Bild der Zustände.

Sie stellten unter anderem fest, dass der "Leichenabtransport" eine große Schwierigkeit darstellt, sodass "bereits 20 Kinder auf dem Rasenplatz hinter dem Krankenhaus in einem Massengrab beerdigt worden" seien. Das Leichenhaus sei durch Explosionsdruckwellen beschädigt und die Funktion des Isolierhauses mit scharlachkranken Kindern nicht mehr gewährleistet, da die Fensterscheiben des Gebäudes fehlten.

Nachkriegszeit: Betrieb des Kinderkrankenhauses Weißensee in der DDR

In der Nachkriegszeit erfolgten Sanierungsarbeiten und der Klinikbetrieb wurde wiederhergestellt. Als Kinderkrankenhaus wurde die Klinik in Weißensee noch in der DDR genutzt. Die letzte Großinvestition war Mitte der 1980er-Jahre das neue Bettenhaus als ergänzender Anbau an der Rückseite der historischen Klinik. Die Grundsteinlegung erfolgte 1985. Im Oktober 1987 fand die Einweihung statt.

Nach der Wiedervereinigung: Das Kinderkrankenhaus Weißensee verfällt

Als die Krankenhaus-Nutzung nach dem Mauerfall endete, begann die Misere für die Liegenschaft. 1997 entschied der damalige Senat aus Kostengründen, das Krankenhaus zu schließen, ohne Plan für eine Nachnutzung der Immobilie. Seitdem stehen die Gebäude leer und verfallen zusehends. Inzwischen befindet sich auf dem Areal eine Art Ruinen-Landschaft.

Ab 1997 blieben Investitionen aus: Das Krankenhaus wird zum Lost Place

Ursprünglich wollte der Berliner Senat das 1997 geschlossene Krankenhaus durch einen Verkauf an die Firma MWZ Bio-Resonanz vor dem völligen Verfall bewahren. Das Unternehmen hatte sich im Vertrag zu Investitionen in Höhe von zehn Millionen Euro verpflichtet und wollte ein Krebsforschungszentrum eröffnen. Doch eine Umsetzung des Versprechens blieb aus.

Stattdessen wurde das Areal zu einem Lost Place : Zerschlagene Fenster, fehlende Türen, kaputte Zäune, Schutt und Müll, Löcher im Dach. Das Grundstück ist verwildert und zugewuchert. 2015 hatte dann eine Klage des Landes Berlins auf eine Rückabwicklung des Geschäfts Erfolg.

Ehemaliges Kinderkrankenhaus Weißensee: Im Besitz des Landes Berlin seit 2018

Aber trotzdem folgte eine drei Jahre lange Hängepartie, bis die Rückübertragung 2018 gelang. Seitdem die Immobilie 2018 wieder in das Eigentum des Landes Berlin überging, wird sie von der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH verwaltet. Diese sorgt für die Sicherung des Geländes.

Unter anderem ließ sie auch Dachflächen sichern, damit die verbliebenen Gebäudereste nicht noch weiteren Schaden durch Witterungseinflüsse nehmen. Immer wieder kam es aber zu Beschädigungen durch Unbefugten, die das Areal betraten, und zu Bränden auf dem Gelände.

Planung für die Zukunft am ehemaligen Kinderkrankenhaus Weißensee

Zwischendurch gab es konkretere Vorstellungen zur Nachnutzung der Immobilie. Das Bezirksamt plante, auf dem Gelände unter anderem eine Gemeinschaftsschule zu errichten. Zu dem Ergebnis, dass das theoretisch möglich wäre, kam bereits eine Machbarkeitsstudie, die das Bezirksamt in Auftrag gab. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel wurde das Projekt 2024 aufgegeben. Aktuell prüft der Bezirk neue Optionen – auch mit dem Einstieg von privaten Investoren.

  • Für die abenteuerlustigen Berliner ist dieser Ort eine bekannte Adresse. Seine traurige Geschichte berührt bis heute.
  • Einst als modernes Kinderkrankenhaus errichtet, verfiel das Gebäude in den letzten Jahren zu einem Lost Place.
  • Wie steht es um seine Zukunft? Die traurige Vergangenheit des Kinderkrankenhauses Weißensee.
  • Adresse: Hansastraße / Ecke Buschallee, 13088 Berlin-Weißensee.
  • Geschichte: Eröffnung am 8. Juli 1911; Stilllegung im Jahr 1997.
  • Status: Aktueller Lost Place. Die Einrichtung ist denkmalgeschützt. Die Gebäude sind mittlerweile stark verfallen und zudem unzureichend gesichert, sodass es immer wieder zu Graffitischäden und Brandstiftung kommt.
  • Führungen: Keine. Das Betreten des Geländes ist nicht erlaubt.
  • Unterhaltskosten: Geschätzt 200.000 Euro pro Jahr.
  • Planung: Das Bezirksamt wollte auf dem Gelände eine Gemeinschaftsschule errichten. Der Plan wurde 2024 fallen gelassen.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de