Mehr Neubauviertel und Schutz für Mieter – Verena Hubertz verspricht schnelle Erfolge. Dafür will sie alte Ampel-Projekte ins Ziel bringen. Doch beim sozialen Wohnungsbau gibt es ein Problem.
Tagesspiegel vom 16.05.2025 von Caspar Schwietering
Für ihre neue Aufgabe fühlt sich Verena Hubertz prädestiniert. „Man Vater hat in meiner Heimat in Konz in einer Fabrik an Baggern geschraubt“, sagt sie. Nun sei es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Bagger in Deutschland wieder rollten, erklärt die neue Bauministerin am Donnerstagabend im Bundestag.
Die 37-jährige SPD-Politikerin verspricht schnelle Erfolge. Bereits in den ersten 100 Tagen im Amt will sie einen Wohnungsbauturbo zünden. Gemeint ist der Paragraf 246e im Baugesetzbuch. Damit könnten es Städte und Gemeinden Bauherren künftig erlauben, Neubauviertel ohne Bebauungsplan und damit auch ohne lästige städtebauliche Vorschriften zu bauen.
Geywitz hat Vorarbeiten geleistet
Von dieser Idee von Hubertz‘ Vorgängerin Klara Geywitz (SPD) hielten Architekten, Mieterbund und Umweltverbände gar nichts. Sie warnten davor, dass so nur die Ghettos von morgen ohne ausreichend soziale Einrichtungen und ordentliche Anbindung entstehen. Auch die Grünen waren in der Ampelkoalition gegen das Konzept. Mit der Union will Hubertz nun den fertigen Gesetzentwurf schnell umsetzen. Das „ist die Brechstange, die wir brauchen“, sagt sie. Es gehe darum, „schnell zu bauen, anstatt in Schönheit zu sterben“.
Liberale fallen als Bremse weg
Nicht nur in diesem Punkt will Hubertz von der Vorarbeit der Ampelkoalition profitieren. Mit Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) will sie die Mietpreisbremse schnell auf den Weg bringen. „Das steht ganz oben bei uns auf der To-do-Liste“, sagte Hubertz. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte zuvor Ex-Justizminister Marco Buschmann (FDP) blockiert.
Nun, da die Liberalen als Bremse wegfallen, wollen die Sozialdemokraten mit der Union beim Mieterschutz aber noch mehr Ideen umsetzen. In ihrem ersten Ministerinterview mit der „Zeit“ kündigte Hubertz an, auch gegen Indexmieten, die mit der Inflation automatisch steigen, vorgehen zu wollen.
Auch möblierte Wohnungen sollen Vermietern künftig nicht mehr als Schlupfloch dienen, um höhere Preise als von der Mietpreisbremse erlaubt zu verlangen. Im Koalitionsvertrag haben CDU und CSU der SPD in diesen Fragen zähneknirschend weitgehend freie Hand gelassen.
Weiter große Lücke bei Sozialwohnungen
Im Bundestag betonte Hubertz allerdings Initiativen, die auch der Union gefallen. Mit einer Reform des Baugesetzbuches und weiteren Vorhaben sollen die Genehmigungsvorschriften entschlackt werden. Hubertz will beim Bauen außerdem mehr auf in Fabriken vorgefertigte Baumodule setzen. Auch beim sogenannten seriellen Bauen hat Klara Geywitz zusammen mit der Bauwirtschaft bereits Vorarbeiten geleistet.
Hubertz ist aber zu ehrgeizig, um nur von der Ampel angestoßene Projekte zu vollenden. Die 37-jährige studierte Betriebswirtin, die als Unternehmerin erfolgreich die Kochplattform Kitchen Stories etablierte und dabei auch einmal mit Apple-Chef Tim Cook kochte, nimmt für sich in Anspruch, neue Wege zu finden. „Wenn du im Start-up selbst nicht vorangehst, dann passiert dort nichts“, sagt sie.
3,5
Milliarden Euro pro Jahr gibt der Bund für den sozialen Wohnungsbau aus.
Als Bauministerin muss sie vor allem die staatliche Wohnungsbauförderung ausbauen. Zwar gibt der Bund inzwischen wieder 3,5 Milliarden Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau aus. Weil viele Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen, nimmt der Bestand trotzdem ab. Im neuen Infrastruktur-Sondervermögen ist kein Geld für Sozialwohnungen vorgesehen.
Helfen würde vor allem mehr Geld für den Bau gemeinnütziger Wohnungen, die dank Steuervergünstigungen dauerhaft günstig bleiben. Hierfür müsse es Investitionszuschüsse geben, sagt Hubertz. Das steht so zwar auch im Koalitionsvertrag, bei der Union dürfte sie damit aber keine offenen Türen einrennen.
Dass Hubertz kreative Lösungen finden kann, hat sie in ihrem ersten Ministerinterview bereits bewiesen. Um die von den Ländern erhobene Grunderwerbssteuer, die bauen teuer macht, loszuwerden, schlug sie eine Erhöhung der Erbschaftssteuer vor. Beim Wohnen – der sozialen Frage unserer Zeit – würde das gleich in doppelter Hinsicht für mehr Gerechtigkeit sorgen. Nun muss die Vertraute von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) zeigen, dass sie solche Ideen auch in der Koalition durchsetzen kann.