Das Bauwerk wurde 2018 stillgelegt. Zuvor war es für betriebsinterne Fahrten genutzt worden. Diese besondere Funktion für die Werkstätten soll es wieder erhalten
Berliner Morgenpost vom 02.06.2025 von Isabell Jürgens

Berlin  Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bereiten sich auf die Wiederbelebung des vor sieben Jahren geschlossenen sogenannten Waisentunnels in Berlin-Mitte vor. Der Ersatzneubau der wichtigen Verbindung soll bereits ab Ende 2025 errichtet werden, sobald die planrechtliche Zulassung vorliege. Das teilte die BVG am Freitag mit.

Obwohl durch den Tunnel nie ein Fahrgastzug rollte, sei er entscheidend für den Betrieb des U-Bahnnetzes. Der Waisentunnel verschafft für die Linie U5 eine direkte Überfahrt zur Linie U8 und ermöglicht so, die Züge für Wartungsarbeiten oder Ausfallmanagement zwischen den Werkstätten zu bewegen.

Der Tunnel, 1918 eröffnet und 2018 aus Sicherheitsgründen stillgelegt, verläuft vom U-Bahnhof Alexanderplatz bis zum U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Ursprünglich sollte er eine Verbindung zwischen Gesundbrunnen und Neukölln werden. Doch dann kam der Erste Weltkrieg, und die Bauarbeiten stockten. Im Zweiten Weltkrieg diente der Rohbau als Luftschutzbunker.

Zu Mauerzeiten war der Waisentunnel die einzige Schnittstelle vom Bahnnetz im Osten und im Westen. Im Osten verlief das Netz der heutigen U-Bahn-Linie 5 (damals Linie E). Auf der anderen Seite die Linie U8, auf deren Strecke auch Bahnhöfe im Osten lagen, die aber nicht angefahren wurden.

Ab 1989 wurden die sogenannten Geisterbahnhöfe wieder genutzt

Als 1989 die Mauer fiel, wurden auch die unterirdischen Grenzen aufgehoben, die getrennten U-Bahnnetze zusammengeführt und die sogenannten Geisterbahnhöfe wieder in Betrieb genommen. Im Waisentunnel jedoch gab es auch weiterhin keinen Personenverkehr, er wurde ausschließlich für betriebsinterne Fahrten genutzt.

Wichtig sei er dennoch, denn er schließe eine Lücke zwischen der momentan isolierten Betriebswerkstatt Friedrichsfelde und der U5 zum Rest des U-Bahnnetzes, heißt es in der Mitteilung der BVG. Momentan müssten Züge der Linie U5 aufwendig per Tieflader quer durch die Stadt transportiert werden – ein logistischer Kraftakt.

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der BVG, sieht die bevorstehenden Bauarbeiten als wichtigen Schritt: „Nachdem letzte offene Fragen geklärt wurden, bin ich zuversichtlich, dass wir den Waisentunnel nun zeitnah neu bauen dürfen.“ Dies sei vor allem eine tolle Nachricht für die Fahrgäste. „Nur mit einer effektiven Nutzung aller Werkstätten können wir jeden Tag die nötige Wagenflotte in den Betrieb schicken und so einen stabilen Fahrplan gewährleisten“, so der BVG-Chef.

Besondere Ingenieurskunst ist demnach beim Bau unter der Spree gefragt. Der Tunnelabschnitt unterhalb des Flusses erfordere eine präzise Planung, um den Schiffsverkehr nicht zu beeinträchtigen. Die Bauarbeiten werden in mehreren Schritten ablaufen: Zunächst wird die betroffene Stelle mit Stahlbetonschotten abgetrennt, damit kein Wasser in die Baugrube eindringt.

Nach dem Rückbau des alten Tunnels erfolgt der Ersatzneubau in zwei Phasen. Dabei werden südlich und nördlich der Spree Spundwände gesetzt, die Baugrube entwässert und sukzessive der neue Tunnel errichtet. Zwischen den Phasen wird die Baugrube erneut geflutet, um den Übergang zu erleichtern. Der erste reguläre Zug könnte bereits kurz nach Baubeginn durch den neuen Waisentunnel rollen.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de