Letzte Hoffnung fürs House of One?
Tagesspiegel vom 29.06.2025 von Cristina Marina

Schon eher House of Wann:
Ein Dreireligionenhaus soll künftig auf dem Petriplatz in Mitte stehen. Doch seit der Grundsteinlegung 2021 ruht die Baustelle. Kommt das Projekt noch voran?

Seit Jahren klafft auf dem historischen Petriplatz in Mitte eine prominente Baulücke. Dort, wo einst die Petrikirche stand, sollen künftig unter einem Dach drei Religionen vereint werden. Die Idee der ersten „Kirchenmoscheesynagoge“ Berlins entstand im Jahr 2011. Zehn Jahre später, Ende Mai 2021, wurde der Grundstein gelegt. Seitdem ruht die Baustelle.

Auf die Frage nach dem aktuellen Baufortschritt nennt das House of One die 71 Betonpfähle, die in die Erde versenkt worden sind, um den Neubau zu tragen. Bloß: Das war 2019 schon geschehen. Im nächsten Schritt müssten die Pfähle nun gekappt und mit einem sogenannten Ringbalken miteinander verbunden werden, sagt Roland Stolte, Vorstandsvorsitzender der Stiftung House of One, dem Tagesspiegel. Noch ist es allerdings nicht so weit. Man befinde sich in der „allerletzten Planungsphase“.

Man will jetzt günstiger bauen

Wer sich fragt, wie es denn sein kann, dass die Verantwortlichen noch immer in der Planungsphase stecken, statt längst mit dem Bau begonnen zu haben, darf erfahren, dass das House of One sich vor Kurzem vorgenommen hat, günstiger zu bauen. Anfang des Jahres habe innerhalb der Stiftung ein „intensives In-sich-Gehen“ stattgefunden, berichtet Stolte.

Angesichts von Faktoren wie Baupreissteigerungen, aber auch der gesamtwirtschaftlichen Lage inklusive drastischer Haushaltskürzungen habe man sich die Frage stellen müssen, ob die Bauaufgabe nicht allmählich solche Dimensionen annehme, dass sie am Ende zulasten der inhaltlichen Stiftungsarbeit ginge. Das Ergebnis der internen Überlegungen: Man will nur noch mit den bereits vorhandenen Geldern bauen.

Das ist insofern bemerkenswert, als das House of One bis vor Kurzem noch an seiner ursprünglichen Vision festhielt. Um den Siegerentwurf des Architekturbüros Kuehn Malvezzi so umzusetzen, wie er anfangs angedacht war, fehlten der Stiftung aber noch rund 16 Millionen Euro. Wegen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die Baukosten von rund 42 Millionen Euro auf zuletzt 70 Millionen explodiert.

Das House of One wird mit insgesamt rund 46 Millionen Euro zum größten Teil öffentlich gefördert. Das vorhandene Gesamtbudget – einschließlich Eigenmittel der Stiftung sowie Spenden – beläuft sich derzeit den Angaben von Roland Stolte zufolge auf 54 Millionen Euro.

Die Stiftung hatte lange das Ziel verfolgt, die Differenz von 16 Millionen Euro vor allem über Spenden zu finanzieren. Die Verantwortlichen strebten zwischenzeitlich ein „Bauphasenmodell“ an. Dieses sah vor, zunächst nur „Kernbereiche“ des Gebäudes zu bauen. Der Rest sollte entstehen, sobald die fehlende Summe „über ein baubegleitendes Fundraising“ – also in Form von Spenden – zusammengekommen wäre. Inzwischen habe man sich von diesem Plan wieder verabschiedet, sagt Stolte.

Stattdessen will die Stiftung nun den Bauplan so verändern, dass der Neubau innerhalb des vorhandenen Budgets bleibt. Wird das House of One jetzt also doch ganz anders? Stolte verneint. „Wir starten mit der Planung nicht bei null.“ Vielmehr wolle man den Bauentwurf deutlich verschlanken.

Unter der baufachlichen Begleitung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) prüften die Planer derzeit alle Posten, an denen sich womöglich sparen ließe – so beispielsweise die Raumkonstellation im Haus, die Baumaterialien und deren Qualität, die Haustechnik.

Als Berliner Prestige-Projekt mit großer Strahlkraft vorgesehen

Ursprünglich war das House of One als „reiner Naturbau“ aus Sandsteinziegeln geplant. Es sollte aus mehr als zwei Millionen dicken Ziegelsteinen bestehen und mit einem 42 Meter hohen Turm versehen sein. Verwendet werden sollte gelber Klinker, damit das Haus sich von dem überall in Berlin verbauten roten Backstein absetze, erläutert das Land auf seiner Plattform „Visit Berlin“. Die Wandflächen der ein Meter dicken Mauern sollten nur durch die einfallenden Lichtstrahlen wirken, es sollten keine Dämm-Materialien, Styropor oder Ähnliches eingesetzt werden.

„Der ganze Besteckkasten, den man sich vorstellen kann, steht jetzt zur Diskussion“, erläutert Stolte. Anfang Juli soll das Ergebnis vorliegen. Eine Abstimmung mit den Zuwendungsgebern, unter anderem also mit dem Bundesbauministerium und dem Land Berlin, soll darauf folgen. „Erst danach können wir mit dem Bau beginnen.“

Die Umplanung kommt reichlich spät. Die Stiftung wollte die Planungsphase bereits im Herbst vergangenen Jahres abgeschlossen haben. Woran es scheiterte? Stolte spricht von den Regularien, die einzuhalten seien, wenn man zu über 50 Prozent aus öffentlicher Hand finanziert werde. Nach einigen „intensiveren Abstimmungen“, gerade auch mit dem BBR, sei dann die Bitte um Einreichungen gekommen. „Und da waren wir ein bisschen zu langsam“, räumt Stolte ein.

„Das hatte dann zur Folge, dass die Bundestagswahl zu weiteren Verzögerungen führte.“ Die Stiftung habe die Bildung einer neuen Bundesregierung und den Haushaltsbeschluss abwarten müssen. „Diese politische Dimension kam also noch hinzu.“

Langjähriger Baubegleiter hat sich nach Potsdam verabschiedet

Am 1. September war zudem Pfarrer Georg Hohberg, der die Idee für das House of One gegeben und das Projekt seitdem eng begleitet hatte, nach Potsdam gewechselt. Hohberg war langjähriger Vorsitzender des Stiftungsrates. Zum Abschied sagte er, das House of One sei „auf einem guten Weg“: „Es ist daher ein passender Zeitpunkt, pfarramtliche, operative Tätigkeiten in andere Hände zu legen.“

Für Hohberg als evangelischen Pfarrer von House of One wird derzeit eine Nachfolge gesucht. Bis dahin bleibt er im Stiftungsrat tätig. Seine Funktion als dessen Vorsitzender hat Rabbiner Andreas Nachama inne. Dem Projekt House of One soll Hohberg allerdings auch von Potsdam aus als ehrenamtlicher Berater weiter zur Seite stehen.

Was allerdings die Frage aufkommen lässt, wie klar die Projektverantwortung für den Bau des House of One verteilt ist. Auf die Frage, bei wem die Fäden für das Bauvorhaben eigentlich zusammenliefen, nennt Stolte das Verwaltungsdirektorium – also den Vorstand, aktuell mit zwei Personen besetzt – und den Stiftungsrat, der als Aufsichtsgremium die strategische Ausrichtung mit festlege. Hinzu komme die baufachliche Beratung, die die Stiftung in Anspruch nehme. „Hier bewegen wir uns auf den üblichen Wegen der Realisierung eines Bauprojekts“, sagt Stolte.

Mit Blick auf ähnlich ambitionierte, nicht minder prestigeträchtige Berliner Bauvorhaben, die aus öffentlicher Hand finanziert wurden und deren Fertigstellung sich am Ende über mindestens ein Jahrzehnt hinzog, klingen „die üblichen Wege“ nur wenig beruhigend. Immerhin: Die Verantwortlichen streben noch immer an, das Haus in drei bis vier Jahren fertig gebaut zu haben. Zuletzt war 2028 als Zeitpunkt genannt worden.

Ist es die letzte Hoffnung für die House of One?

Was würde passieren, sollten die 16 Millionen Euro, die für den Bau in der ursprünglichen Form noch fehlen, sich in diesem Umfang nicht einsparen lassen? Das House of One antwortet darauf nur ausweichend. „Die Budgetreduktion ist eine der Vorgaben aus der Machbarkeitsstudie“, heißt es aus der Pressestelle dazu lapidar. „So wie der aktuelle Arbeitsstand aussieht und im Lichte des kontinuierlichen Abstimmungsprozesses zwischen allen Beteiligten, sind wir positiv gestimmt und gehen davon aus, dass wir die Zielvorgabe erreichen.“

Doch ist die öffentliche Finanzierung nicht an Voraussetzungen, darunter etwa einen Projektzeitraum, gebunden? Die Zuwendungsgeber sehen das teils unterschiedlich. Zu den 2019 vom Bundestag bereitgestellten Mitteln in Höhe von 811.000 Euro teilt dessen Pressestelle mit: „Diese Mittelabgabe erfolgte nach den damaligen Vorschriften des Parteiengesetzes und im Fall der rechtswidrigen Annahme von Parteispenden.“ Mit der damaligen Auszahlung des Geldbetrages seien keine Bedingungen verbunden gewesen. Eine Fortsetzung kann es künftig aber offenbar nicht mehr geben: „Die entsprechende Regelung ist zwischenzeitlich ersatzlos entfallen.“

Bei den 16 Millionen Euro, die vom Land kommen, sieht das gewissermaßen ähnlich aus. Die Gelder würden „bis zum Abschluss des Bauvorhabens ausgereicht“, heißt es aus der Senatskulturverwaltung auf Anfrage. Allerdings erfolge die Förderung „auf Grundlage der baufachlich geprüften Planungsunterlagen“. Für diese Prüfung sei aber der Bund „als federführender Zuwendungsgeber“ zuständig.

Und was sagt der Bund? Der sieht sich immerhin auch selbst in der Pflicht. „Bei der Planung, Realisierung und Abrechnung geförderter Hochbaumaßnahmen sind Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger dafür verantwortlich, dass Zuwendungszweck und -ziel erreicht werden“, heißt es aus der Pressestelle des Bundesbauministeriums. Konkret soll das unter anderem heißen: „Entwurf und Ausführung müssen insgesamt in Baukonstruktion und technischer Gebäudeausrüstung schlüssig, effizient, sparsam, wirtschaftlich und nachhaltig sein. Die Gesamtfinanzierung muss gesichert sein.“ Ob das der Fall sein kann, wird sich bald zeigen müssen.

Bildungsarbeit immer stärker nachgefragt

Sichtbaren Fortschritt gibt es hingegen auf einem anderen Gebiet: bei der Bildungsarbeit des House of One. „So hat sich das pädagogische Programm in einem Maße positiv entwickelt, das wir nicht absehen konnten“, sagte Rabbiner Nachama jüngst bei einer Spendenübergabe. Die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung, die Kriege in der Ukraine und Nahost und nicht zuletzt der Anstieg von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit hätten dazu geführt, dass die interreligiösen Angebote der Stiftung immer stärker nachgefragt worden seien.

Ein dreiköpfiges Referententeam, in dem die christliche, muslimische und jüdische Religion vertreten sind, hält Workshops und vermittelt Wissen. Das Angebot wirkt aber nicht zuletzt über das Referententeam, das selbst als Beispiel dient: „Unser Ansatz ist zu zeigen, dass Juden, Muslime, Christen gemeinsam leben können“, sagt Osman Örs, Bildungskoordinator und Imam. „Dass wir trotz Unterschieden viel miteinander teilen.“

Unser Ansatz ist zu zeigen, dass Juden, Muslime, Christen gemeinsam leben können, dass wir trotz Unterschieden viel miteinander teilen.

Osman Örs, Bildungskoordinator und Imam

3000 Menschen hat die Stiftung House of One eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr damit erreicht. Rund 1400 von ihnen waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie kamen vor allem über Schulen, aber auch über Jugendorganisationen mit oder ohne religiöse Anbindung, wie Bildungsreferentin Patricia Böckmann erläutert.

In diesem Jahr unterstützt der Berliner Kultursenat die Bildungsarbeit mit drei Projekten. „Brücken bauen“ richtet sich an religiöse Einrichtungen und Gemeinden. Mit „House of One macht Schule“ bietet die Stiftung Workshops an, nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Lehrpersonal.

Zudem begleitet das Bildungsteam ein Schulnetzwerk, an dem sich derzeit fünf Berliner Schulen beteiligen – drei davon in privater Trägerschaft. Bei einem Treffen Anfang April wurde abgestimmt, welche Themen dieses Jahr im Fokus stehen sollten. Heraus kamen drei Themenkomplexe: Religionsfeindlichkeit, die Sichtbarkeit der Religion im Schulalltag und die Vielfalt der Religionen – wobei hiermit auch die Vielfalt innerhalb der einzelnen Religionen gemeint sei, sagt Böckmann.

Die Stiftung House of One will ihre Bildungsarbeit weiter ausbauen. Bei einer dreimonatigen Spendenaktion sind zuletzt 110.000 Euro zusammengekommen, zwei andere Stiftungen – die Bethe-Stiftung und die Hele-Avus-Stiftung – gaben noch 90.000 Euro dazu. Die Spende soll je zur Hälfte in den Bau des House of One und die Bildung fließen. Mit Blick auf Letzteres soll sich das Projektteam im Laufe dieses Jahres verdoppeln: Jede der drei Religionen soll von zwei Referenten vertreten sein.

„Zwar werden wir damit immer noch nicht der Nachfrage, die uns erreicht, gerecht werden“, sagt Örs. Doch umso wichtiger sei diese Arbeit – auch und gerade im demokratischen Kontext. „In unseren Workshops machen wir deutlich, dass Religion und Demokratie sich nicht ausschließen oder widersprechen, sondern miteinander vereinbar sind.“

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