Berlin. Für eine der markantesten innerstädtischen Entwicklungen in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz zeigt sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Zehn Jahre nach Erstellung des Masterplans liegt das Verfahren nun in den Händen des Senats.
IZ aktuell vom 31.07.2025 von Sabine Gottschalk

Mitte Juli hat der Berliner Senat die außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung für das Gebiet der Urbanen Mitte am Gleisdreieck festgestellt. Begründet wurde der Schritt mit der Verkehrsplanung und der Entwicklung eines neuen Knotenpunkts, die eng mit der städtebaulichen Entwicklung zusammenhängen.

Einen endgültigen Beschluss soll das Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause fassen. Bereits im Vorfeld hatte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) dem Bezirk ein weiteres Mal die Planungshoheit für ein lange brachliegendes Gebiet entzogen. Erst kürzlich musste Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne) beispielsweise das Planverfahren für ein Wohn- und Gewerbehochhaus an der Warschauer Brücke an die Senatsverwaltung abgeben. Auch hier hatte es Verzögerungen gegeben, obwohl Wohnungsbau geplant ist und direkt gegenüber bereits der Amazon Tower steht. Mit der Entscheidung hoffen der Eigentümer, ein von Periskop beratener Fonds, und das beteiligte Büro Dr. Vogel, am Gleisdreieck nach jahrzehntelanger Planung endlich entwickeln zu können. Das ehemalige Bahngelände wurde in den frühen 1990er Jahren als Ausgleichsfläche für die Versiegelung des Potsdamer Platzes festgeschrieben. Die zur Vermarktung von Bahnflächen gegründete Gesellschaft Vivico bekam damals das Recht, einen Streifen entlang der Flottwellstraße im ehemaligen Bezirk Tiergarten, der heute zu Berlin-Mitte gehört, mit Wohnungen zu bebauen. Daran sollte sich ein Grünzug anschließen, dem seinerseits auf der Ostseite Gewerbeansiedlungen folgen sollten. Seither ist viel passiert, das ebenerdige Gleisgewirr wurde entfernt und der Park angelegt. Er ist seit seiner Eröffnung eine der am stärksten frequentierten innerstädtischen Grünflächen Berlins. Wohnungen und Park sind fertig, nur Gewerbe fehlt Auch die Wohnungen an der Flottwellstraße sind errichtet und bezogen, und auf der Ostseite wurde ein Teil eines Bestandsparkhauses zwischen Kanal und U-Bahnhof Gleisdreieck ebenfalls in Wohnungen umgewandelt. Nur die südlich vom Parkhaus vor 26 Jahren im Planwerk Innenstadt festgeschriebene Gewerbeansiedlung mit Hochpunkten ist bis heute nicht realisiert. Gebaut wurden auf dem dafür vorgesehenen Areal lediglich eine von Graft Architekten entworfene provisorische Brauerei in Containern und ein Coworkingspace als provisorische Pionieransiedlung in einem zerlegbaren und wiederverwendbaren Holzhaus von Scharabi Architekten. Die eigentliche urbane Lösung für diesen schwer bebaubaren Standort, der von Bahnverkehr in alle Richtungen und auf unterschiedlichen Ebenen umgeben ist, steht bis heute aus. Das Areal gehört nicht wie die Wohnbebauung zum heutigen Bezirk Mitte, sondern zu Friedrichshain-Kreuzberg. Das allein lässt bei manchen Projektentwicklern die Alarmglocken schrillen, denn der Bezirk ist nicht als Freund von Hochhausansiedlungen bekannt. Von den sieben Türmen, die der Masterplan hier seit zehn Jahren vorsieht, sollen nur zwei 90 m hoch werden, alle anderen deutlich niedriger, und locker verteilt auf zwei Baufeldern stehen. Zwischen den beiden Seiten des Parks am Gleisdreieck lässt eine großzügige Durchwegung den Zugang für die Öffentlichkeit zu, das soll in dem neu entstehenden Gewerbequartier auch so sein. Hier wollen die Planer durch offene Erdgeschosse mit publikumswirksamen Geschäften, Restaurants und Räumen für Kunst und Kultur die Öffnung einer bislang nicht nutzbaren Fläche erreichen. Der sich südlich anschließende Skaterpark soll bestehen bleiben. Dennoch gibt es immer wieder mit einer Teilung der Grünfläche durch die Bürogebäude begründete Einwände. Denn der Park folgt keiner dezidierten Planung. Wie in Berlin auch an anderer Stelle im Verlauf der ehemaligen südlichen Bahnverbindung, auf dem sogenannten Schöneberger Südgelände, sind die Parks dort entstanden, wo Gleisanlagen seit dem Zweiten Weltkrieg keine Verwendung mehr fanden. Das ergibt zwangsläufig einen außergewöhnlichen Zuschnitt. Der Masterplan steht seit zehn Jahren fest Vor zehn Jahren ist das Architekturbüro Ortner & Ortner als Sieger aus dem eingeladenen Wettbewerb zum Masterplan für das Gelände hervorgegangen. Das Areal wurde dabei aufgrund seiner schwierigen Lage mitten im oberirdischen Gleisknoten in zwei Plangebiete Urbane Mitte Nord und Urbane Mitte Süd geteilt. Dazwischen verlaufen U-Bahn-Gleise, die an dieser Stelle als Hochbahn ausgeführt sind und dem Ort seinen Namen Gleisdreieck gegeben haben. Obgleich das Dreieck längst zu einem Kreuz umgebaut wurde. Sieben Gebäude zwischen 25 m und 90 m Höhe sind für Büro, nicht störendes, innerstädtisches Gewerbe und temporäres Wohnen vorgesehen. Eine dauerhafte Wohnnutzung ist aufgrund der Lärmbelastung durch den angrenzenden Veranstaltungsort Station und die Bahn nicht möglich. Zwischen den Gebäuden gibt es viel Freiraum. In den leicht zurückspringenden Erdgeschossen und in den Bögen unter der Hochbahn sind neben Gastronomie und Einzelhandel auch für die Öffentlichkeit zugängliche Räume für Handwerk und Kreativität geplant. In den nördlichen Turm wird über dem Sockel ein neuer S-Bahnhof für die zukünftige Nord-Süd- Verbindung S 21 integriert. Das erschwert die finalen Planungen allerdings genauso wie die Einwände der Parknutzer. Solange nicht genau feststehe, in welchem Korridor die neue S-Bahnlinie verlaufen wird, könne er den Bahnhof und damit das gesamte Gebäude nicht endgültig planen, sagt Markus Penell. Der Leiter des Berliner Büros von Ortner & Ortner zeichnet für den Masterplan verantwortlich. Bereits in den 1990er Jahren hat er am Planwerk Innenstadt mitgearbeitet, das für die Entwicklung des seit dem Zweiten Weltkrieg brachliegenden Bahngeländes ein maßgeblicher Schritt war. Der Bau der neuen Strecke zwischen den Bahnkreuzen Gesundbrunnen und Südkreuz hat sich mehrmals verzögert, noch immer ist das erste, nördliche Teilstück bis zum Hauptbahnhof nicht eröffnet. Beim südlichen Abschnitt steht der Streckenverlauf noch nicht endgültig fest. Da die Linie aufgrund einer schwierigen Querung des Landwehrkanals am Potsdamer Platz aus der Erde kommen und im weiteren Verlauf über das Parkhaus und anschließend in den neuen Bahnhof im Hochhausturm führen soll, geht es hier um ebenso komplizierte wie präzise Planungen. Der Bahnhof könne zwar erst mal provisorisch gebaut werden, aber dafür müsse mindestens der Streckenverlauf feststehen, sagt Penell und behält trotz der langen und immer wieder stockenden Planungen erstaunlich viel Ruhe. In Wien habe es ganze zwölf Wochen gedauert, bis die Verlängerung einer U-Bahnlinie, ebenfalls als Hochbahn, in ein neues Stadtviertel beschlossen war. Dort sind Ortner & Ortner ebenfalls für den Masterplan verantwortlich. Penell sieht die Verantwortung allerdings nicht nur bei der Bahn, sondern auch beim Berliner Senat, der die S-Bahn bestellen und finanzieren müsse. S-Bahn und Bürgerproteste legen Entwicklung auf Eis Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) zog im Juni das Planverfahren für die Urbane Mitte an sich. Denn die S-Bahn war zuletzt bei weitem nicht der einzige Hemmschuh. Öffentliche Proteste richten sich vor allem gegen die Hochhäuser. Zauneidechsen oder seltene Raubvögel haben die Unwirtlichkeit des Geländes offenbar längst selbst erkannt und die Flucht ergriffen. Dass dort zurzeit jeder Zentimeter versiegelt und nur schlecht zugänglich ist, spielt keine Rolle. Die Urbane Mitte wird ganze 10% des Gesamtareals einnehmen, 23% sind größtenteils mit Wohnungen bebaut und 67% entfallen auf den Park. Lange Zeit war das Argument eine mögliche Verschattung der Grünflächen. Die könnte allerdings nur in den frühen Morgenstunden eine Rolle spielen, denn die Hochhäuser stehen auf der Ostseite. Dem Baufeld der Urbanen Mitte Nord ist zudem ein nur begrenzt nutzbares Gründach der Nord-Süd-ICE-Trasse vorgelagert. Direkt nach dem erwarteten Beschluss des Abgeordnetenhauses will Periskop einen Realisierungswettbewerb starten, an dem auch Ortner & Ortner wieder teilnehmen werden. Kubatur und Größe der einzelnen Gebäude sollen wie im Masterplan festgesetzt beibehalten werden. Aufgrund der zögernden Planungen für die S-Bahn wird die nicht davon betroffene Urbane Mitte Süd als erstes bebaut. Entstehen sollen hier zwei 49 m und 25 m hohe Gebäude mit einem gemeinsamen Sockel.

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