Ein wahrhaft mächtiger Mann - Wo er sitzt, ist immer der Kopf des Tisches, hätte man in Amerika über einen wie ihn gesagt. Einen, der Autorität besitzt und ausstrahlt, als Persönlichkeit. Das Amt kommt dazu, doch obenan steht die Person.
Tagesspiegel vom 02.09.2025 von Bernhard Schulz
Auffällig war er schon mit seiner schlohweißen Haarpracht und ebensolchem Schnäuzer. Hatte er je anders ausgesehen? Im wechselnden Panoptikum der Berliner Politik war Hans Stimmann schon rein optisch eine Konstante, darüber hinaus aber eine Institution.
15 Jahre Staatssekretär
Dass er 15 lange Jahre als Staatssekretär teils in der Bau-, teils in der Stadtentwicklungsverwaltung tätig war, davon aber die ersten und die letzten sechs Jahre als Senatsbaudirektor, stellt ihn in die Reihe der großen Baumeister Berlins, von Martin Wagner bis Werner Düttmann. Jetzt ist Hans Stimmann gestorben. Mit ihm endet die Epoche der Wiedervereinigung Berlins.
Hans Stimmann kam quasi aus dem Nirgendwo nach Berlin. Gewiss, er hatte hier studiert und promoviert, Stadt- und Raumplanung an der TU der 1960er Jahre, nachdem er Jahre zuvor eine Maurerlehre in seiner Vaterstadt Lübeck absolviert hatte. In Lübeck, wo er 1941 geboren wurde, erhielt er 1986 das Amt des Bausenators, aber das nahm man in Berlin kaum wahr.
Idee einer europäischen Stadt
Um so größer die Überraschung, als der hiesige SPD-Bausenator Wolfgang Nagel ihn 1991 als Senatsbaudirektor präsentierte, nachdem das Amt neun Jahre lang unbesetzt geblieben war. Kein selbst bauender Architekt wie weiland Düttmann, sondern jemand, der eine klare Vorstellung von der „europäischen Stadt“ hatte und sie im mehr zusammen wuchernden denn wachsenden Berlin auch durchsetzte.
„Ich bin ein mächtiger Mann“, lautete der Kernsatz eines Interviews, das er damals im Vollgefühl seiner Befugnisse gab. Der Satz wurde ihm jahrelang übel nachgetragen; dabei beschrieb er lediglich die Realität. Es wurde denn auch auf allen Ebenen gegen Stimmann intrigiert.
Die um Filetgrundstücke rangelnden Immobilienfirmen scheuten das Rampenlicht, in das Stimmann die Baupolitik stellte, verstärkt durch zahllose „Werkstätten“, in denen so etwas wie ein Grundverständnis des Berliner Städtebaus herausgearbeitet wurde. Und die Wettbewerbsverfahren, die Stimmann für alle, wirklich alle Bauvorhaben durchsetzte.
Leitbild: das steinerne Berlin
Dass bei den Wettbewerben am Ende meist ein Entwurf gewann, der sich in Stimmanns Leitbild des „steinernen Berlin“ fügte, unterstrich nur die Macht des Senatsbaudirektors. Er hatte seine Favoriten, mit denen er das früher schon zur IBA 1984/87 erarbeitete Leitbild der „kritischen Rekonstruktion“ weiterverfolgte; will sagen, die Stadt nicht neu zu erfinden, sondern sie in ihren historisch gewachsenen Strukturen zu bewahren, samt Blockrandbebauung, Traufhöhe und erkennbarer Typologie.
Dass die Selbstdarsteller der internationalen Architektenszene dagegen polemisierten, nahm er eher belustigt hin. Stattdessen ließ er das „Planwerk Innenstadt“ erarbeiten, gedacht als so etwas wie sein Vermächtnis für die Berliner Baupolitik.
Damit sollte festgeschrieben werden, welcher Stadtgrundriss beizubehalten und architektonisch auszufüllen sei. Dass seine Partei, die SPD, der sich Stimmann als Kind aus kleinen Verhältnissen und nach Selbstauskunft „undogmatischer Linker“ zutiefst verbunden fühlte, davon alsbald nichts mehr wissen wollte, hat er, loyal wie er war, nicht groß zum Thema gemacht.
Buch über das Kulturforum
Er hat dann lieber publizistisch versucht, weitere Wegmarken zu setzen, etwa mit einem umfangreichen Buch zur Geschichte des „Kulturforums“, dieser ungelösten und auch für ihn nicht zu lösenden Fehlstelle im Berliner Stadtgewebe.
Noch im vergangenen Jahr klagte er, es gebe „bis heute kein Bewusstsein für das in Krieg und Wiederaufbau verlorene, vielgestaltige Bild der Stadt als Ganzes mit ihren Plätzen, Monumenten und Bewohnern“.
Aber die Stadt, die er durchgesetzt hatte, die stand nun da, vor allem in Gestalt der Südlichen Friedrichstadt mit ihren Blöcken oder dem Pariser Platz mit seiner historischen Form, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen.
So hat Hans Stimmann entscheidend mit auf den Weg gebracht, dass die „europäische Stadt“ wieder Gestalt annahm, niemals fertig, gewiss, sondern als Aufgabe für Gegenwart und Zukunft. Am Wochenende ist Hans Stimmann im Alter von 84 Jahren in Berlin gestorben. Er war ein mächtiger Mann.
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Der Architekt und Stadtplaner Hans Stimmann war von 1991 bis 1996 Senatsbaudirektor in der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen.
