Die Berliner Innenstadt bietet derzeit eine seltene Chance zur historischen Wiederbelebung: Der Molkenmarkt soll neu bebaut werden. Bisher ist ein modernes mehrgeschossiges Stadtquartier vorgesehen. Die Allianz baukulturell engagierter Berliner Bürgervereine fordert nun, historische Elemente beim Neubau aufzunehmen.
Entwicklungsstadt vom 6.11.2025 von Insa Germerott

In der Berliner Innenstadt steht man derzeit vor einer seltenen Gelegenheit: Die Neubebauung des Molkenmarkts könnte die Geschichte der Stadt wieder erlebbar machen. Die aktuelle Planung sieht möglichst viel Raum für Wohnungen und eine moderne Gestaltung vor, wodurch der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt begegnet werden soll. Auf der anderen Seite befürchten Kritikerinnen und Kritiker, dass der historische Charakter von Molkenmarkt und Klosterviertel nur noch wenig erkennbar wäre.

Diese Befürchtung teilt auch die Allianz baukulturell engagierter Berliner Bürgervereine. Sie fordert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dass zukünftige Ausschreibungen für Architekturwettbewerbe am Molkenmarkt konkrete Gestaltungsvorgaben enthalten sollen. Die Vorgaben sollen sicherstellen, dass einzelne Häuser historische Gestaltungsmerkmale aufgreifen.

Leitbautenkonzept für den Molkenmarkt: Rekonstruktion bedeutender historischer Gebäude und Gestaltungshandbuch für Neubauten

Die Allianz, die unter anderem aus den Initiativen Stiftung Mitte Berlin und Berliner Historische Mitte besteht, schlägt ein Leitbautenkonzept vor, wie es bereits in Städten wie Potsdam, Dresden oder Frankfurt am Main umgesetzt wurde.

Dabei würden besonders bedeutende historische Gebäude oder Ensembles in ihrer äußeren Gestalt rekonstruiert. Die übrigen Gebäude sollten sich an einem Gestaltungshandbuch orientieren. Erhaltene Keller und Grundmauern sollten in die Neubauten integriert werden.
Reaktivierung der Berliner Altstadt: Mögliche Leitbauten in der Jüdenstraße und Klosterstraße

Als geeignete Leitbauten schlägt die Initiative unter anderem das Ensemble des Großen Jüdenhofs sowie die Häuser Jüdenstraße 22, 31 und 46–48, Klosterstraße 41, Stralauer Straße 26 und Molkenmarkt 4 vor.

Gleichzeitig fordert die Allianz den Rückbau des 1968 errichteten Funktionsbaus Klosterstraße 44, der derzeit mehrere Parzellen überdeckt und damit eine kleinteilige Wiederbebauung verhindern würde.
Molkenmarkt: Neubau nach historischem Vorbild mache Geschichte nachvollziehbar

Die von der Allianz vorgeschlagenen Leitbauten stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Mit ihren drei bis vier Geschossen, Putzfassaden und einfachen Stuckornamenten seien sie, laut einer Pressemitteilung der Initiative, weder teuer noch aufwändig wiederherzustellen.

„Eine durchgehend siebengeschossige Bebauung, so wie aktuell geplant, hat es dort nie gegeben“, heißt es von der Allianz. Und weiter: „Der Wohnraummangel Berlins wird sich auf den wenigen Hektar am Molkenmarkt nicht lösen lassen.“

Die Initiative betont, dass ein Neubau mit historischer Prägung nicht nur ästhetische Bedeutung hat. Sie schaffe auch städtebauliche Identität, verbessere die Qualität des öffentlichen Raums und mache die Geschichte des Viertels für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher nachvollziehbar.
60 Prozent der Bevölkerung für Leitbauten am Molkenmarkt

Die Unterstützung der Bevölkerung für den Ansatz der Allianz groß: Eine Forsa- Umfrage aus dem Jahr 2023 zeigt, dass 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner Leitbauten am Molkenmarkt befürworten würden, während 25 Prozent dagegen waren.

Die Allianz baukulturell engagierter Bürgervereine fordert auf dieser Grundlage, die Neubebauung des Molkenmarkts so zu gestalten, dass historische Tiefe, städtebauliche Vielfalt und zeitgemäße Qualität miteinander verbunden werden.

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