Das Wetter stimmte: Zur Grundsteinlegung des Neubaus des Berliner Schlosses sind viele Spitzenpolitiker gekommen – außer die Kanzlerin. Jetzt muss der Bau nur noch ohne Katastrophen ablaufen.

Die Welt vom 12.06.13 von Rainer Haubrich

Nein, die Monarchie wird nicht wieder eingeführt in Deutschland, nur weil jetzt das Berliner Schloss in die Mitte Berlins zurückkehrt. Zwar ist zur Grundsteinlegung der Nachfahre der einstigen Schlossherren, Georg Friedrich von Preußen, mit seiner Gattin gekommen. Aber als er sich zur Begrüßung dem Bundespräsidenten in der ersten Reihe zuneigt, bleibt Joachim Gauck sitzen, und der Chef des Hauses Hohenzollern zieht weiter auf seinen Platz in der dritten Reihe.

Offiziell begrüßt wird er nicht. Es ist die Bundesrepublik, die hier auf der Spreeinsel einen Neubau errichtet, wie ihn die große Mehrheit des Deutschen Bundestages 2002 beschlossen hatte: außen historischer Barock, innen ein modernes Haus der Weltkulturen. Rund 600 Millionen Euro wird das kosten.

In der Nähe von Projekten dieser Größenordnung halten sich Spitzenpolitiker in diesen Zeiten lieber nicht auf. Stuttgart 21, Elbphilharmonie, Berliner Flughafen – es läuft so vieles schief, mit dem man lieber nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Aber der Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt-Forum ist kaum noch umstritten, außerdem geht es um Kultur – Weltkultur!

Die Pläne für das Berliner Schloss
Und das Projekt hat gerade einen Lauf: Es liegt im Zeitplan und derzeit leicht unter Budget. So waren – bis auf die Bundeskanzlerin – dann doch alle beteiligten Politiker quer durch die Parteien gekommen, dazu all jene, die das Projekt seit 20 Jahren vorangebracht haben, insgesamt rund 1000 Gäste.

Vorhaben mit internationaler Dimension
Nicht zu deutsch sollte der kleine Staatsakt der Grundsteinlegung werden. Das barocke Eingangsstück der Blechbläser von der Berliner Staatskapelle war britisch (Purcell), und ein Meister aus Asien entlockte einem großen Gong meditative Klänge. Eine junge Moderatorin mit Migrationshintergrund führte ein entspanntes Gespräch mit Bauminister Ramsauer, Kulturstaatsminister Neumann und dem Berliner Bürgermeister Wowereit, der die Sprengung des Schlosses durch die DDR 1950 einen "Frevel" nannte.

Wie einzigartig dieses Projekt wird, ließ man sich über Einspieler von berufenen Außenstehenden bescheinigen. So erklärte der Direktor des Britischen Museums, Neil MacGregor, in fließendem Deutsch, dass man "mit großer Ungeduld die Eröffnung" erwarte, es sei "eine Gelegenheit für ganz Europa". Und in einem weiteren Video betonte der frühere US-Außenminister Henry Kissinger die internationale Dimension dieses Vorhabens.

Aber es war auch alles dabei, was zu einer richtigen Grundsteinlegung gehört: zum Beispiel der Grundstein. Er stammt teils vom Ursprungsbau aus dem Jahre 1443, teils von heute. Es wurde eine Kartusche mit einer Zeitung des Tages darin versenkt (es war die "Welt"), dazu die Baupläne von Franco Stella und Euromünzen. Den Segen spendeten ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher – im Geiste aller Religionen. Preußisch war vor allem das Kaiserwetter.

Vision eines Hauses der Weltkulturen
Der größte Applaus der Veranstaltung brandete auf beim Dank an Wilhelm von Boddien und seinen Schlossverein, sogar "Bravo!"-Rufe ertönten. Und der stärkste Auftritt gelang dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, dessen Museen den Großteil des Humboldt-Forums bespielen werden.

In freier, begeisternder Rede vermochte er es, die Vision eines Hauses der Weltkulturen anschaulich zu machen. Er erinnerte daran, dass alle Institutionen im künftigen Humboldt-Forum ihren Ursprung im Berliner Schloss hatten. Und er zitierte den früheren französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, der gesagt hatte, ein Museum wie der Louvre habe keine Zukunft, wenn er 70 Prozent der Weltkunst ausblende. Diese 70 Prozent wird das Humboldt-Forum in die Mitte Berlins holen.

Unbeobachtet und kaum erkannt verfolgte auch der große Berliner Schlossforscher Goerd Peschken die Zeremonie. Der heute 81-Jährige hatte dem Barockbauwerk 1982 mit seinem Standardwerk das erste Denkmal gesetzt. Zur Eröffnung im Jahre 2019 wäre er 87. "Dann wird im Schlüterhof der Tanzboden ausgelegt und gefeiert." Darauf freut er sich schon.

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