Fassaden wie die Miene eines Geheimagenten
Entnommen aus FAZ vom 1. April 2014 (bat.).

Ihren Tiefststand erreichte die Architektur der Moderne, als sie in den siebziger Jahren fensterlose Riesenbetonwürfel in die Städte wuchtete. Warenhaus- oder Behördencontainer, Kliniken oder Büros - meist unterschieden nur Aufschriften eins vom anderen. Doch dass all diese Titanen letztlich Bunker waren, konnten auch die Riesenlettern nicht leugnen. Zuweilen verhüllte man die nackte Erbärmlichkeit, inspiriert von Egon Eiermanns inzwischen legendären .Hortenkacheln", mit Metallschleiern aus tausend- fach replizierten Ornamenten. Nach vierzig Jahren, nach der Bildarchitektur der Postmoderne, den Replikaten der Retrowelle Und den Zitaten der Zweiten Moderne kehrt nun der kaschierte Bunker zurück - mitten in Berlins Mitte, mit dem Einverständnis oder betretenen Schweigen der hiesigen Architektenschaft und monströser denn je.

Die Rede ist vom Neubau des Bundesnachrichtendiensts BND an der Berliner Chausseestraße - 260 000 Quadratmeter Bürofläche, verteilt auf eine Baumasse aus längs und quer gestellten Giganto-Containern. Zwar keine fünfeckige, sondern eine mehrfach segmentierte, längs-rechteckige Festung mit fünf Meter umgebendem Graben und U-förmiger Empfangsbastion, ruft der Zyklop dennoch das amerikanische Pentagon in Erinnerung; ähnlich unfassbar, ähnlich abweisend, ähnlich autistisch.

Was den Siebzigern die .Hortenkacheln", ist Berlins BND-Zyklop das endlose Raster aus teils mit Muschelkalk, überwiegend aber mit champagnerfarbenem Aluminium verkleideten Stützen und hochstehenden blinden Fenstern. Der Architekt Jan Kleihues, zu Recht angesehen für seine die klassische Moderne seriösspielerisch aufarbeitenden Bauten, hat damit aus der Not eine Tugend gemacht.

Aber eine mit unangenehmer Langzeitwirkung: Die Anonymität und Uniformität dieser Stahl-Beton-Stein-Aluminium-Phalanx mutet an wie ein undurchdringliches Agentengesicht, vor dem man sich längerfristig hüten möchte. Besser hätte man den "deutschen Geheimdienst, zuständig für die Auslandsaufklärung", nicht in Architektur übertragen können.

Dass die Erscheinung angesichts der überall aufblitzenden Omnipotenz der amerikanischen NSA manchem eher als Charaktermaske erscheint, versteht sich von selbst. Bleibt anzumerken, dass der Gigant, egal ob man ihn als gelungene oder unfreiwillig komische Selbstdarstellung des BND nimmt, ein weiterer Kronzeuge der skandalösen Kostenexplosion öffentlicher Bauvorhaben ist: Seit Baubeginn 2006 sind die Kosten von 720 auf 912 Millionen Euro gestiegen. Wie hoch sie bis zur geplanten Fertigstellung 2016 sein werden, ist noch offen. So klingt die gestrige feierliche Begrüßung der ersten, aus Pullach angereisten 174 BND-Mitarbeiter (am Ende werden es 4000 sein) hohl. So hohl wie der imaginäre Jubel der beiden künstlichen 22-Meter-Palmen, die als "Kunst am Bau" der BND-Festung Frohsinn anfügen sollen.

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