Parochialkirche im Klosterviertel
Schmuck, doch seit 70 Jahren ohne Turm– die Parochialkirche in Mitte.

Die 300 Jahre alte Parochialkirche in Mitte erhält ihren Turm zurück. Die Lotto-Stiftung Berlin hat bei ihrer jüngsten Ausschüttung zwei Millionen Euro bewilligt. In den Turm wird auch ein neues Glockenspiel eingebaut.

Berliner  Zeitung vom 26.10.2014 von Uwe Aulich

Das Glockenspiel der alten Parochialkirche im Klosterviertel ist eine Legende. Doch nur noch wenige Berliner werden sich daran erinnern können, wie sie an Wochenenden den Melodien von dem fast 65 Meter hohen Kirchturm zugehört haben, wie stündlich mit den einst 37 Glocken Lieder gespielt wurden. Singuhr hatten die Berliner das Glockenspiel genannt. Die Turmspitze wurde jedoch im Mai 1944 bei einem Bombenangriff zerstört und stürzte mit dem einzigartigen Glockenspiel in das Kirchenschiff. Gut 70 Jahre später erhält die Parochialkirche nun ihren Turm zurück: Die Lotto-Stiftung Berlin hat dafür jetzt als erste Rate zwei Millionen Euro bewilligt.

 

Damit können die Arbeiten endlich losgehen. „Es ist wunderbar, dass wir die Kirche mit dem Turm wieder komplettieren können", sagt Beate Dirschauer, Pfarrerin der Gemeinde St. Petri – St. Marien, zu der die Parochialkirche gehört. Die Gemeinde kooperiert dabei mit dem Verein „Denk mal an Berlin", dessen Chef Hans Wall den Turmbau bereits mit einer Privatspende von 420.000 Euro unterstützt hat. Wie Beate Dirschauer sagt, soll bereits im Februar Baustart sein, Ende 2015 soll der Turm stehen. So wünscht es sich zumindest die Gemeinde, die im nächsten Jahr das Jubiläum 300 Jahre Parochialkirche – 1715 war der barocke Kirchenbau mit Turm und Glockenspiel komplett – feiern will.

Der Architekt Jochen Langeheinecke aus Werneuchen begleitet die umfassende Rekonstruktion seit 1991. Vorhalle und Kirchenstumpf wurden schon denkmalgerecht wieder hergestellt, auch die hellen Putzfassaden und das Kirchenschiff. Der Architekt hat den neuen Turm entworfen. Für den Bau fehlte bisher aber das Geld. „Seit über 20 Jahren bemühe ich mich um den Turm, es war ein jahrzehntelanges Zittern." Die Spitze soll nun aus einer Konstruktion aus Stahl und Holz bestehen und mit grauem Kupferblech verkleidet werden. Später, so der Architekt, wenn die Spitze etwas gealtert ist, werde sie aussehen, als ob sie aus Stein sei.

52 neue Bronzeglocken

Langeheinecke wird auch ein offenes Turmgeschoss errichten, in dem ein neues Glockenspiel installiert wird. Dazu hat er bereits mit der königlichen Glockengießerei Petit & Fritsen in den Niederlanden Kontakt aufgenommen – auch die historischen Glocken stammten aus den Niederlanden. Statt 37 wird das neue Spiel 52 Glocken inklusive einer großen schweren haben, sagt der Architekt. Die Glocken können digital und manuell gespielt werden. Für einen Carillonneur wird eine Spielstube eingerichtet, ein extra Raum im Glockengeschoss, in dem er die Glocken spielen kann. „Das Carillon ist der Gemeinde sehr wichtig", sagt die Pfarrerin. Ihre Ideen gehen aber viel weiter: Sie stellt sich bereits vor, wie das Klosterviertel vielleicht in 10, 20 Jahren wiederbelebt ist. Die ersten neuen Wohnhäuser werden derzeit schon errichtet, für die Neugestaltung am Molkenmarkt hat der Senat Pläne, auch gibt es Initiativen für den Wiederaufbau der Schule Graues Kloster an der Grunerstraße. „Es wäre wunderbar, wenn irgendwann die Gymnasiasten wieder an der Parochialkirche mit ihrem Glockenspiel vorbeigehen", sagt sie.

Der neue Turm wird 3,5 Millionen Euro kosten, das Glockenspiel allein eine halbe Million. Daher ist die Gemeinde weiter auf Spenden angewiesen. Zudem will die Gemeinde selbst zur Wiederbelebung des Klosterviertels beitragen: Nicht nur Gottesdienste sollen gefeiert werden, sondern auch Ausstellungen zu sehen sein und Veranstaltungen stattfinden. Dazu wird eine Fußbodenheizung eingebaut und die Kirchenhalle hergerichtet, wobei die unverputzten Backsteinwände bleiben. „Wir wollen den Innenraum in seiner versehrten Schönheit erhalten", sagt Beate Dirschauer. Ein entsprechender Wettbewerb wird im Frühjahr entschieden. Eine Zusammenarbeit mit der Universität der Künste ist besiegelt – die UdK will eine Renaissance-Orgel aufstellen, auf der ihre Studenten spielen.

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