Häuser in traditioneller Bauweise mit bewährten Materialien: Wer es sich leisten kann, setzt heute wieder auf Nachhaltigkeit
Berliner Morgenpost 17.12.14 von Roland Mischke
Schönheit und Harmonie vereinigen sich auf dem Pfingstberg in Potsdam auf einem Hügel über der Gartenlandschaft von Sanssouci. Dort hat ein Geschäftsmann ein 8000-Quadratmeter-Grundstück erworben und darauf die neoklassizistische Villa R. errichten lassen, einen Zweiflügelbau mit funktionalen Einheiten: Wohnhalle, Orangerie und Privatbereich.
Die Villa R. ist inspiriert vom Belvedere-Bau von Ludwig Persius, sie fügt sich exakt in die traditionell kultivierte Potsdamer Kulturlandschaft ein. Dieses Bewusstsein für Tradition, Konsistenz und architektonische Qualität setzt sich bei Bauträgern und privaten Bauherren zunehmend durch. Zwar war die Langlebigkeit eines Neubaus lange Zeit kein Kriterium, obwohl die gesamte Gesellschaft von der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens profitiert. Doch inzwischen werden Architekten bundesweit beauftragt, die Vergangenheit wiederaufleben zu lassen und Gebäude in traditioneller Bauweise mit althergebrachten Materialien zu planen und umzusetzen. Ob Hamburg, Nürnberg, Berlin, sogar über die Grenzen hinaus: Gebaut wird wieder klassisch.
Richtige Einstellung und Budget
Das bestätigt auch Jürgen Patzschke von Patzschke Architekten in Berlin. "Wir können uns vor Anfragen kaum retten", sagt er. Vor allem in Asien läuft es rund. "Ich bin gerade auf dem Sprung nach Indien", sagt er, "dort wollen Hotelbauherren ein klassisches Gesims, ein von Türmchen gekröntes Dach und Säulen im Eingangsbereich."
Und wo gemeinsam mit der richtigen Einstellung die entsprechenden Budgets zur Verfügung stehen, da kommen dann auch eherne, lange vergessen geglaubte Grundsätze wieder hervor. "Der Prüfstein für gute Architektur ist Zeit, nicht Zeitgeschmack", sagt Architekt Carsten Vogel. "Wie kaum eine andere muss die architektonische Disziplin dort, wo sie kann, ihre ethische Verpflichtung unserer gebauten Umwelt gegenüber wahrnehmen."
Der Architekt ist überzeugt, dass die Potsdamer Villa mit der großzügigen Freitreppe, 625 Quadratmetern im Innern und einer Deckenhöhe von 5,30 Metern "Generationen überdauern" wird. "Das ist nicht von vielen Gebäuden, die heute entstehen, zu erwarten." Allerdings müssen Bauherr und Architekt bereit sein, mehr kreatives und finanzielles Engagement bei der Realisierung aufzuwenden. So wird erreicht, was der Stararchitekt Peter Zumthor für das Höchste eines Bauwerks hält: Es wird im Lauf der Zeit immer schöner. Bewusst ausgesuchte Materialien wie Hölzer, Steine und Metalle erleben im Laufe ihres Daseins einen anmutigen Alterungsprozess.
"Viele Architekten agieren mit Rohstoffen wie in der Automobilbranche. Gerade so, als könne man nach wenigen Dekaden ein Haus recyceln und als neues Modell wieder auf den Markt bringen. Der Gesamtzyklus ist nicht mehr im Blick", erklärt Architekt Carsten Vogel. "Handwerklich falsch eingesetzte Stoffe gehen für immer verloren."
„Der Prüfstein für gute Architektur ist Zeit, nicht Zeitgeschmack"
Carsten Vogel, Architekt
In vielen Bereichen fordert die Politik nachhaltiges Wirtschaften, will Energie sparen und den Schadstoffausstoß minimieren. Doch mit Blick auf den Bau blieb das weitgehend ein Lippenbekenntnis. Die Langlebigkeit eines Neubaus ist bis heute kein Kriterium. Sie wird als Privatsache betrachtet, es gibt keine Anreize wie etwa Förderprogramme.
"Viele Bauherren halten es nicht aus, dass der Baustoff altert. Sie betrachten das als Mangel", sagt Vogel. "Dabei ist es ganz natürlich, dass der Zahn der Zeit am Sandstein nagt, dass es Schrunden und Narben gibt." Vogel bevorzugt Materialien regionalen Ursprungs, deren handwerkliche Bearbeitung über Jahrhunderte bewährt ist. Die Fehlsteuerung sieht er in "mutloser behördlicher Beurteilung von Neubauvorhaben. Regionale städtebauliche Besonderheiten fallen dabei regelmäßig unter den Tisch." So gibt es von Hamburg bis München eine einheitliche Traufhöhe von 7,50 Metern. In "Bestandsgebieten" müssen sich Häuser an dem orientieren, was zufällig in der Nachbarschaft steht. Baufreigaben werden kaum an anspruchsvolle gestalterische Auflagen geknüpft. So entsteht eine trostlos wirkende Baukultur.
Umsteuern ist nur mit hohem Kapitaleinsatz möglich. In Berlin verbaute Projektentwickler Klaus Groth bisher mehr als 3,5 Milliarden Euro. In seinen Projekten verwirklicht Groth einen Hauch von Gründerzeit-Atmosphäre: die Beuth-Höfe nahe dem Spittelmarkt, ein Quartier gehobenen Wohnens, die Flick-Hallen mit Lofts nördlich des Hamburger Bahnhofs, das feine Projekt "Heydt 1" an der Köbisstraße und die Luxusanlage "Belles Etages" nahe dem Gendarmenmarkt – repräsentative Architektur ohne Verschleiß- und Wegwerfmentalität.
Auch an der Visitenkarte des Berliner Westens, dem Kurfürstendamm, entstehen klassizistische Neubauten. Mit dem denkmalgeschützten Haus Cumberland wurde der Boulevard vor einem Jahr wieder zur exklusiven Wohn- und Geschäftsadresse. Mit dem Neubau des Palais Holler wird gerade gründerzeitliche Pracht im klassischen Berliner Stil revitalisiert, die Fassade zeigt hellen Naturstein, darüber findet sich ein Zusammenschluss von Sattel-, Mansard- und Flachdach. Nahebei, an der Ecke zur Albrecht-Achilles-Straße, baut die Baywobau ein siebengeschossiges Gebäude mit "Kurfürsten-Logen". In dem dreiteilig gegliederten Haus entstehen 61 Eigentumswohnungen hinter einer Fassade, die Bezug nimmt auf den Schaubühnenstil der 1920er-Jahre.
Loftartige Räume
Im Leipziger Stadtteil Gohlis machte Vogel aus dem Heine-Palais, dem 1886 erbauten Stadtpalais eines Fabrikanten, ein Apartmenthaus mit beträchtlichen Umbauten im Innern. "Heute erwarten die Bewohner loftartige moderne Räume, trotz des klassischen Äußeren", sagt er. Der Architekt baute überdies in Mannheim, Göppingen und Naumburg, in Asien und Lateinamerika klassisch.
Traditionelles Bauen sei "ehrliches Bauen", meint Vogel. Die Villa R. in Potsdam ist ein Massivbau mit handwerklich gemauerten Wänden. "Bauen verbraucht natürliche Ressourcen. Dass diese nicht verschwendet werden, muss im gemeinschaftlichen Interesse liegen", sagt er.
Carsten Vogel geht es um generationsübergreifende Baumethoden. In der "klassischen Architektur" sieht er einen Trend. "Die Vorteile liegen auf der Hand. Traditionell errichtete Bauten sind kühl im Sommer und warm im Winter", sagt der Architekt. Der richtige Einsatz natürlicher Baustoffe verhindere ständige Reparaturen und mindere die Instandhaltungskosten. "Wer mehr in sein Haus investiert, bekommt auch mehr zurück und erlebt das Beste mit: das schöne Altern seines Objektes mit den Jahren. Wir können etwas schaffen, was uns überdauert."