Die Gesellschaft Historisches Berlin plädiert für den Wiederaufbau des Neuen Marktes
Berliner Morgenpost vom 29.12.2014 - von Sabine Gundlach
Die Gesellschaft Historisches Berlin e.V. (GHB) will einen Teilbereich der letzten prominenten innerstädtischen Freifläche mit dem Wiederaufbau des Neuen Marktes und des Marienkirchhofes beleben. In einer aufwendig gestalteten Broschüre wirbt die GHB für ihren Vorschlag: Im Sinne einer Stadtreparatur nach historischem Vorbild soll das Areal zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche um den Neuen Markt dicht bebaut werden. Als Grundlage dient dabei der Grundriss aus dem 17. Jahrhundert. Das ist neuer Zündstoff für die ideologisch aufgeheizte Debatte über die Zukunft der Historischen Mitte Berlins.
Simulation: Wenn es nach der Gesellschaft Historisches Berlin geht, soll der Neue Markt zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche wieder so eng bebaut werden wie im 17. Jahrhuntert
Kritik an Senatsbaudirektorin
"Die Marienkirche steht heute städtebaulich auf verlorenem Feld und muss nach unserer Ansicht genau so, wie es früher war, wieder eng umbaut werden", sagt Gerhard Hoya. Der 73 Jahre alte Vorstandsvorsitzende der GHB erhofft sich vom Wiederaufbau des Neuen Marktes nach historischem Vorbild mehr Aufenthaltsqualität. Die sei wegen des derzeit "viel zu großen Freiraumes dort nicht mehr vorhanden". Der Mensch komme sich auf dem riesigen Areal verloren vor. Der Vorschlag der GHB sieht eine zur Karl-Liebknecht-Straße hin offene, an den drei Seiten zum Neuen Markt hin aber geschlossene Bebauung um die mit Rasen, wenigen Bäumen und Bänken gestaltete Freifläche vor. Insgesamt 30.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sollen für einen Mix aus Gewerbe und Wohnraum entstehen.
Die Häuser sollen sich größtenteils in traditioneller Architektur mit Lochfassade und massiver Mauerbauweise an Gründerzeitbauten des 19. Jahrhunderts orientieren. Vereinzelt soll es auch zeitgenössische Architektur geben, sagt Hoya. Konkreter wird er nicht. Nur so viel: Bauten mit Sichtbeton und großen Glasflächen lehnt die GHB ab.
Mit ihrer Kampagne will die Gesellschaft nach Aussage ihres Vorsitzenden die Debatte beleben. Die bisherigen Planungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bezeichnen die Verfechter historischer Stadtreparatur im Vorwort ihrer Broschüre als "richtungsloses Herumstochern". Im Gespräch mit der Berliner Morgenpost spart der Vorstandsvorsitzende Hoya auch nicht mit Kritik an Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. "Sie verzögert die Entwicklung des Areals bewusst, obwohl sie vom Abgeordnetenhaus den Auftrag hat, bis Mitte 2015 den Bürgerbeteiligungsprozess abzuschließen", sagt Hoya. Erst dann könne ein städtebaulicher Wettbewerb starten. Hoya unterstellt Lüscher "böse Absichten beim Verfolgen ihrer Verzögerungsstrategie, weil sie ihre Stadtplanung in der Idee der 50er- und 60er-Jahre mit aufgelockerter Bebauung statt Blockrandbauten, Freiflächen und viel Grün durchsetzen will." Das seien "Planungen von gestern, Nachkriegsideen der DDR-Stadtplanung", die Hoya verhindern will. Das älteste und eines der bedeutendsten Areale Berlins als Brache zu belassen oder als Freifläche zu gestalten, lehnt Hoya ab. "Das ist ein Leugnen der Geschichte Berlins", sagt der Verfechter einer konservativer Stadtplanung.
Konzept wird 2015 vorgestellt
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher wies unterdessen die Vorwürfe des Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft Historisches Berlin "auf das Entschiedenste zurück". Wie Lüscher der Berliner Morgenpost sagte, "laufen die Arbeiten für den Beteiligungsprozess Berliner Mitte basierend auf dem Beschluss des Abgeordnetenhauses auf Hochtouren". Das Kuratorium zur Steuerung und Begleitung des Beteiligungsprozesses arbeite seit April, die Auftragnehmer "sind nach einem europaweitem Auswahlverfahren im November ausgewählt worden". Das Konzept zur Beteiligung werde Anfang des Jahres vorgestellt. Vor Weihnachten hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bekannt gegeben, dass das Berliner Unternehmen Zebralog mit der Erarbeitung von Beteiligungsformaten beauftragt wurde.
Auch zu der Forderung Hoyas nach einer dringend erforderlichen "detaillierten Weiterentwicklung des Planwerks Innenstadt für die Historische Mitte" und einem "Masterplan, der auch die Randgebiete vom Hackeschen Markt bis zum Petriplatz berücksichtigt" nahm die Senatsbaudirektorin Stellung. "Es gibt durchaus bereits einen Masterplan für das Gebiet zwischen Hackeschen Markt und Petriplatz, das Planwerk Innere Stadt, ergänzend dazu gibt es den Stufenplan, der zeigt, wie das Gebiet in Etappen umgesetzt wird."
Was Hoya beziehungsweise der Vorstoß der GHB nicht berücksichtigt: In unmittelbarer Nähe zur Marienkirche und dem Fernsehturm wird es auf absehbare Zeit gar keine Bebauung geben. Der Grund ist die teilweise schon erfolgte sowie noch in Arbeit befindliche Umgestaltung der dortigen Freiflächen mit Fördergeldern des Bundes, die wiederum eine Gestaltungssperre von 15 Jahren mit sich bringen. Das mit den Arbeiten beauftragte Büro Levin Monsigny Landschaftsarchitekten war für detaillierte Informationen in diesen Tagen nicht erreichbar. Die Arbeiten sollen 2016 abgeschlossen sein.