Das Humboldtforum ist der größte und teuerste Kulturneubau in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Schloss-Bauherr Manfred Rettig über den Stand der Arbeiten, Spenden und Probleme.
Berliner Morgenpost vom 05.01.2015 - von Isabell Jürgens

Ein Horror für jeden Bauherren sind Änderungen an der Planung, während das Gebäude bereits im Bau ist. Für Manfred Rettig gilt das in ganz besonderer Weise. Der 62-Jährige ist als Vorstandsmitglied der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum Chef auf der Baustelle für den größten und teuersten Kulturneubau in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung. Das Prestigeprojekt, für das der Bundestag eine Kostenobergrenze von 590 Millionen Euro festgesetzt hat, will Rettig unbedingt ohne Zeitverzögerungen und Kostenexplosionen fertigstellen. Die für Errichtung der historischen Fassade und des Schlüterhof erforderlichen 80 Millionen Euro muss die Stiftung aus Spenden finanzieren.

Berliner Morgenpost: Sie haben erst 27 der erforderlichen 80 Millionen Euro für die historische Schlossfassade zusammen. Droht Berlin ein Betonschloss?

Manfred Rettig: Der Bericht, auf den Sie anspielen, wurde Anfang Dezember im Haushaltsausschuss des Bundestags beraten. Die darin von der Schlossstiftung aufgeführten Zahlen sind vier Wochen alt. Inzwischen haben wir schon wieder vier Millionen Euro an Spendenmitteln eingenommen. Ein Betonschloss wird es nicht geben. Mit Ende der Frostperiode werden wir im Frühjahr mit den Arbeiten an der historischen Fassade beginnen. Derzeit arbeiten fünf Firmen an den Fassadenelementen, die Lager sind voll.

Es klafft aber immer noch eine Finanzierungslücke von knapp 50 Millionen ...

Das Entscheidende ist doch, wie sich das Spendenaufkommen entwickelt hat. 2011 haben wir für das ganze Jahr zwei Millionen Euro Spendenzugänge verzeichnet, 2012 waren es schon 5,2 Millionen und 2013, als wir auch den Grundstein gelegt haben, kamen schon 9,1 Millionen zusammen. 2014 werden es rund 15 Millionen sein. Es ist ganz deutlich, dass das Schloss, je sichtbarer es im Stadtbild wird, immer mehr Interesse in der Bevölkerung findet.

Sie haben aber bereits rund 51 Millionen Euro an Aufträgen für die Barockfassade vergeben. Müssen die Firmen nun Angst um ihre Bezahlung haben?

Es stimmt, wir haben bereits mehr Arbeiten beauftragt, als durch Spenden auf dem Konto derzeit abgedeckt sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir erst nach Baufortschritt zahlen, also wenn diese Arbeiten auch ausgeführt wurden. Und die Arbeiten an der Fassade werden sich voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen. Die letzten Schmuckelemente werden voraussichtlich erst 2019 per Autokran in die Fassade eingehoben. Wenn der Spendenfluss so weiterläuft wie in diesem Jahr, und davon gehe ich fest aus, ist das mehr als ausreichend für die Fassade. Bis zur zweiten Jahreshälfte 2019 wären wir dann bei etwa 105 Millionen Euro, damit hätten wir sogar alle Optionen bezahlt.

Was, wenn die Spenden wieder versiegen?

Es ist unsere Aufgabe als Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht. Und glauben Sie mir, wir sind da sehr rührig. Kürzlich zum Beispiel habe ich mit einer Gruppe deutscher Unternehmer die Baustelle besichtigt. Die Resonanz war überwältigend. Und wir stellen das Projekt ja nicht nur den großen potenziellen Geldgebern vor. Wir werden das Richtfest am 12. Juni 2015 als Anlass nehmen, wieder ein ganzes Wochenende der offenen Baustelle zu veranstalten, mit zahlreichen Events, die Vorfreude auf die künftigen Inhalte des Humboldt-Forums wecken werden. Viele Bürger waren ja zunächst zurückhaltend, weil das Projekt lange nur als reines Vorhaben existierte, vom Bau aber selbst nichts zu sehen war. Inzwischen steht der Rohbau unübersehbar in seiner ganzen Größe mitten in Berlin. Die Sorge, dass das Projekt in irgendeiner Schublade verschwinden wird, hat sich damit wohl erübrigt.

Der Senat hatte jüngst öffentlich gemacht, dass Berlin den Ausstieg aus dem Projekt erwägt.

Aus meiner Sicht ist das Thema jetzt vom Tisch.

Wie das?

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat öffentlich mitgeteilt, dass ein Angebot des Bundes zur Übernahme der 4000 Quadratmeter, die für die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) reserviert sind, nicht vorliegt. Es sind auch keine Mittel in den Bundeshaushalt eingestellt, um Berlin seinen bereits geleisteten Anteil am Schloss auszubezahlen. Also ist das kein Thema mehr. Das Konzept der ZLB ergänzt auch inhaltlich hervorragend das Angebot der beiden anderen Nutzer, Humboldt-Universität und Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Ist das der Grund, weshalb Sie mit Rücktritt gedroht haben, falls Berlin aussteigt?

Normalerweise halte ich nichts von solchen Drohungen, aber in diesem Falle ging es um eine ganz entscheidende Frage, die auch den Bauablauf massiv beeinträchtigt hätte. Die für die Bibliothek vorgesehenen Flächen befinden sich im ersten Obergeschoss. Dort besetzt sie den gesamten Ostflügel und führt dann einmal rund um den Schlüterhof. Die Rohbauarbeiten für die geplante Nutzung mit den Hörstudios, dem Lesesaal und dem dazugehörigen Café sind weit fortgeschritten. Lüftungs-, Kabel- und Lastenaufzugsschächte sind genau dort, wo es den Anforderungen der Bibliothek entspricht. Will man daraus jetzt weitere Ausstellungsflächen für Museen unterbringen, hätte das umfangreiche Umplanungen zur Folge. Wohin so etwas führt, zeigt ja das Flughafen-Desaster in Schönefeld. Gerade in Berlin können wir uns weitere BERs allerdings nicht erlauben, das wäre ein fatales Signal. Und zwar nicht nur an den Steuerzahler, sondern auch an Investoren weltweit.

Auch ohne Umplanungen haben Sie in Ihrem Bericht an die Haushälter des Bundestages Probleme mit der Haustechnik eingeräumt. Was genau funktioniert nicht?

Die Haustechnik macht 40 Prozent des Gesamt-Bauvolumens aus, ein Projekt wie das Humboldt-Forum mit seinen vielen Ausstellungs- und Veranstaltungsbereichen verfügt über eine extrem komplexe Technikanlage. So ist der gesamte Keller voll mit Technik für das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss. Unter dem Dach ist die Technik, die das zweite und dritte Stockwerk versorgt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass hier sauber geplant wird. Mit den Leistungen der beauftragten Ingenieurbüros bin ich teilweise noch nicht richtig zufrieden.

Bedeutet das jetzt Kostenexplosion und Zeitverzug?

Nein, denn wir haben rechtzeitig reagiert, bevor da irgendetwas falsch eingebaut wird. Es hat sich als gut und richtig erwiesen, dass einer der ersten Mitarbeiter, die wir eingestellt haben, aus dem TGA-Bereich (Technische Gebäudeausrüstung, Anm. d. R.) kommt und der zweite ein Controller ist. Sie sind meine Augen und Ohren auf der Baustelle, die mich täglich informieren, ob es irgendwo Schwierigkeiten gibt.

Haben Sie Wünsche für 2015?

Ich wünsche mir, dass der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus wieder an seinen alten Standort auf dem Schloßplatz zurückkehrt. Denn da gehört er hin. Vom Land Berlin haben wir da aber leider noch kein positives Signal bekommen. Natürlich wünsche ich mir, dass unsere Baustelle unfallfrei bleibt. Dort werden bis zu 500 Bauarbeiter gleichzeitig beschäftigt sein, das ist eine enorme Herausforderung.

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