Frankfurter Allgemeine vom 11. Juli 2015 von Andreas Kilb
Das Weltall enthält, wie wir aus dem Logbuch des Raumschiffs „Enterprise“ wissen, unendliche Weiten. Aber auch jeder Wassertropfen ist eine Welt für sich. Und die Weltstadt Berlin möchte reichlich von beidem haben, Weite und Wasser, Raum- und Lustgewinn, achtspurige Verkehrsachsen und plätscherndes Nass.
Deshalb hat sie dem „Verein Flussbad Berlin“ aus ihrem Stadtentwicklungsetat 1,4 Millionen Euro gegeben, damit er hilft, das Nasse ins Eckige zu bringen, indem er sein Projekt einer Badeanstalt in der Berliner Mitte, dort, wo Humboldtforum und Staatsoper einander von Baugerüst zu Baugerüst gute Nacht sagen, einer nichtsahnenden Öffentlichkeit vorstellt.
Und der Bund in Gestalt des Bauministeriums hat weitere 2,6 Millionen dazugelegt, denn das Flussbadprojekt ist nicht nur freizeitspaßgesellschaftlich nützlich, sondern auch ökologisch korrekt, weil es den Oberlauf des Spreekanals, der im Mittelalter die Doppelstadt Berlin-Cölln nach Westen begrenzte, in eine Schilf- und Seegraslandschaft zur sickergrubenmäßigen Erzeugung von Badewasser verwandeln will.
Das Welterbe ist im Weg
Die eigentliche Plantscherei soll dann im Unterlauf des Kanals stattfinden, dem Kupfergraben, den die Vereinsvisionäre in ihrem Info-Booklet als „eines der größten Schwimmbecken der Welt“ anpreisen, komplett mit Sonnenterrasse, Holzpromenade, Dusch- und Umkleidekabinen. Und damit auch der letzte wasserscheue Bierbiker und Nofretete-Gucker merkt, wohin die Welle treibt, hat der so großzügig subventionierte Verein für den morgigen Sonntag einen „Flussbad-Pokal“ ausgelobt, um den achtzig trainierte Wildwasserschwimmer um die Wette kraulen dürfen.
Das Problem ist nur, dass dort, wo die Krauler dermaleinst ihre Bahnen ziehen und die Warmduscher ihre Morgenwäsche genießen sollen, das Welterbe der Berliner Museumsinsel liegt, Schinkels Altes Museum mitsamt dem Lustgarten, dessen denkmalgeschützte Ufermauern der Treppenanlage der Flussbadplaner weichen müssten; und dass die Planer ihren Umkleidebereich mangels geeigneter Alternativen in den Sockel des künftigen Einheitsdenkmals gepackt haben, dessen frühere Bewohner, eine Population seltener Metropolenfledermäuse, gerade erst mit hohem Aufwand umgesiedelt wurden. Aber das wäre erst der Anfang der Misere. Dann natürlich müssten, damit weder Kleinkinder noch Rentner im Spreewasser ertrinken, Rettungsschwimmer an kritischen Punkten des Badevergnügens stationiert werden; und weil Kabinen, Schließfächer et cetera nicht gratis zu haben sind, würden auch Kassenhäuschen folgen, Zäune, Grillbuden, Müllcontainer, Chemietoiletten, das ganze Menü.
Im heutigen „Tagesspiegel“ verwahrt sich der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, gegen die Schnapsidee, die Museumsinsel in eine Partyzone zu verwandeln. Gegen den nicht minder abwegigen Einfall, den Sockel der Einheitswippe zum Freibad-Eingangsbereich zu machen, müsste die Kulturstaatsministerin Einspruch erheben, aus deren Etat das Denkmal bezahlt wird, aber aus dem Ressort Grütters war bisher zum Thema nichts zu hören. Die Flussbadplaner dürfen also mit Steuermitteln weiterplanen, weiterdiskutieren, weitere Broschüren drucken. Und die Weltstadt Berlin pflügt weiter durch die unendlichen Ebenen des Zeitgeists, immer von einer Gedankenpfütze zur nächsten.