Auf dem Areal des historischen Magnus-Hauses am Kupfergraben in Mitte will Siemens bauen. Dagegen gibt es heftigen Protest. Die Formulierungen sind zurückhaltend, der offene Brief hat es jedoch in sich. Zum ersten Mal appellieren die Präsidenten und Vorsitzenden von acht bedeutenden Institutionen wie die Berliner Architektenkammer (AKB), der Bund Deutscher Architekten Berlin (BDA) oder der Architekten- und Ingenieur-Verein Berlin (AIV) in einem gemeinsamen Schreiben an ihre Mitglieder.
Berliner Morgenbpost vom 11.11.2015 - von Sabine Gundlach

Der Tenor des Briefes, der der Berliner Morgenpost vorliegt, lautet: Lasst die Finger vom Wettbewerb für die Siemens-Hauptstadtrepräsentanz, die der Konzern auf dem Areal des historischen Magnus-Hauses am Kupfergraben in Mitte errichten will.

Auch ausländische Architekten werden angesprochen
In dem öffentlichen Schreiben, das sich an Planer und mögliche Jurymitglieder des geplanten Architektenwettbewerbes wendet, ist der Boykottaufruf nur etwas vorsichtiger formuliert: "Wir bitten Sie ... eine Beteiligung an diesem Wettbewerb sorgfältig zu prüfen. Es ist uns bewusst, dass es viel verlangt ist, auf die Einreichung oder auf die Juryteilnahme bei einem so prominenten Wettbewerb zu verzichten", heißt es wörtlich in dem Brief, auf den sich laut Christine Edmaier "alle Unterzeichner schnell geeinigt haben".
Die Architektin und Präsidentin der Berliner Architektenkammer betonte gegenüber der Berliner Morgenpost, dass die Unterzeichner es als ihre Pflicht ansehen, auch ausländische Architekten, die möglicherweise nichts von dem Protest gegen das Berliner Bauvorhaben wissen, darauf aufmerksam zu machen. Deshalb habe man den offenen Brief auch an internationale Architektennetzwerke geschickt. Denn, so Edmaier, es gebe Hinweise, dass der Wettbewerb für den Siemens-Bau in Kürze ausgeschrieben wird. "Wir müssen jetzt schnell handeln", so Christine Edmaier.

Barockes bürgerliches Stadtpalais mit Freiraum
Hintergrund des ungewöhnlichen Aufstands: Das 1760 errichtete Magnus-Haus gilt als letztes Beispiel eines barocken bürgerlichen Stadtpalais mit Freiraum und damit als ein wichtiges Beispiel für die Stadtentwicklung der letzten Jahrhunderte. Genau in unmittelbarer Nähe des denkmalgeschützten Gebäudes, hinter dem Garten der Villa, plant Siemens den drei- bis viergeschossigen Neubau seiner Hauptstadtzentrale.
Das Magnus-Haus ist durch das Wirken bedeutender Gelehrter eng mit der Physik verbunden. So gründete der Berliner Physiker Heinrich Gustav Magnus in dem nach ihm benannten Gebäude im 19. Jahrhundert das erste physikalische Institut. Weil sich dort Werner Siemens und Johann Georg Halske begegnet sein sollen, die 1847 das Unternehmen Siemens & Halske gründeten, plant Siemens seine Repräsentanz in Nachbarschaft zum Magnus-Haus. Das vom Konzern 2001 erworbene Denkmal selbst wird laut Mietvertrag bis 2024 unentgeltlich von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft genutzt.

Bei Siemens reagiert man verhalten auf den Protest
Der Berliner Landesdenkmalrat (LDR) hatte bereits 2013 auf die besondere Bedeutung des Magnus-Hauses mit seinem Freiraum hingewiesen und lehnt den geplanten Neubau ab. "Das würde das Denkmal stark beeinträchtigen, denn es geht hier auch um den in dieser Art einzigartigen Freiraum um das Magnus-Haus", sagte Kerstin Wittmann-Englert. Wie die Vorsitzende des Landesdenkmalrates betonte, wurde ein Teil des Geländes hinter dem Haus für Parkplätze gepflastert. "Diesen Teil des Grundstücks wollen wir wieder als ursprünglichen Garten hergestellt wissen." Das Grundstück liege zudem nahe dem Weltkulturerbe Museumsinsel und gehöre zum Ensembleschutzbereich der Dorotheenstadt.

Bei Siemens reagiert man verhalten auf den Protest. "Wir äußern uns nicht dazu", sagte ein Sprecher der Berliner Morgenpost. Siemens brauche eine Repräsentanz in der Stadt. "Wir werden den Erweiterungsbau auf dem Grundstück mit der gebotenen Sorgfalt planen, ohne das Denkmal zu beeinträchtigen", sagte der Sprecher.

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