Berliner Zeitung vom 07.03.2016, Interview mit Landesarchäologe Matthias Wemhoff von Maritta Tkalec

Wir brauchen wieder mehr Personal
Der Bürgerdialog zur Neugestaltung des Raums zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche geht in die andere Richtung – Weite, Grün…

Ich sehe den Gedanken des Freihaltens, des rein gärtnerischen Gestaltens, skeptisch. Im Bürgerdialog denkt man in diese Richtung, jeder hat gerne Grünflächen, aber das wird diesem Ort nicht ausreichend gerecht. Man schaue sich nur an, wie gering der Flächenbedarf der mittelalterlichen Stadt im Verhältnis zur heutigen ist – eine verschwindend kleine Prozentzahl Berliner Fläche. Dort aber kann man die längste Zeit der Berliner Geschichte fassen – über 600 Jahre. Das kann man auf einer Grünfläche nur schwer vermitteln. Was dort jetzt steht oder unbebaut ist, sollte nicht der letzte Stand für die Berliner Mitte sein. Von den einstigen Strukturen her zu denken, kann auch hilfreich sein, um im Bürgerdialog geäußerte Nutzungswünsche aufzunehmen. So ist ja ein Marktplatz ein wunderbarer Ort für Dialog. Wieso also bezieht man sich nicht auf den Neuen Markt und nimmt das als wahnsinnig gute Chance? Das gäbe auch der Marienkirche wieder einen Bezugspunkt. Das heißt ja nicht, dass es wieder so wie früher werden muss. Es heißt aber, dass ich die Grundstruktur ernst nehme und sage: Die soll eine Rolle in den Überlegungen für die Zukunft spielen.

Die Bautätigkeit bringt neue Aufgaben für die Ausgräber. Ist der Bereich angemessen ausgestattet?

Ich finde: nein. Vor 20 Jahren hatte das Landesdenkmalamt noch zwei- bis dreimal mehr Personal für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben. Andererseits steigt die Zahl der Bauanträge seitdem rasant – in jedem Jahr sollen 20.000 Wohnungen gebaut werden – und damit auch die Anforderungen an die Bodendenkmalpflege. Denn: Zuerst muss die Fläche untersucht werden, sonst gehen wichtigste Bodeninformationen verloren – sowohl bei der kommenden Verdichtung der Innenstadt wie auch in den Außenbezirken. Wir müssen gut aufgestellt sein, um leisten zu können, was gefordert wird. Da muss etwas passieren.

Sehen Sie politische Bereitschaft?

Ich bin froh, dass es generell die Bereitschaft gibt zu sagen: Wir brauchen wieder mehr Personal. Wir müssen junge Leute einstellen und das sich rasant entwickelnde Know-how einbinden. Ich hoffe sehr, dass das Landesdenkmalamt auch im Bereich Archäologie verstärkt wird.

Wie geht es am Petriplatz weiter?

Die Grabungen sind beendet. Auf den Fundamenten der Kirche wird wieder ein Ort mit sakraler Funktion, das multireligiöse Bethaus, entstehen. Das ist wunderbar.

Woran wird man erkennen, dass dort ein Gründungsort der Stadt liegt?

Gleich neben der Kirche soll das Archäologische Zentrum entstehen – das ist absolut wichtig. Dort wurde ja die Lateinschule, der älteste Schulbau Berlins, ausgegraben. Dazu Hausgrundrisse, die an den Anfang des 13. Jahrhunderts erinnern. Hier sind wir wirklich an den Anfängen der Stadt. Der Bereich soll erhalten bleiben und als untere Ebene eines großen Gebäudes dienen. Darüber soll die Landesarchäologie Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Wir würden uns als Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin mit unseren Werkstätten beteiligen; dort muss der Fundeingang hinein, dort sollen die Funde gewaschen werden. Dorthin gehört das Magazin, Raum für erste Präsentationen im Sinn von „Work in progress“. Es ist so konzipiert, dass die Besucher alle Schritte archäologischen Arbeitens sehen. Das ist weit gediehen. Vor über drei Jahren hatten wir den Wettbewerb – es ist viel Zeit vergangen. Jetzt muss umgehend, in den nächsten Monaten, der Baubeschluss kommen. Verzögerungen können wir uns nicht mehr leisten. Es wartet so viel Arbeit. 2021 wollen wir spätestens einziehen.

Das Gespräch führte Maritta Tkalec.

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