Berliner Zeitung vom 1.7.2016 - von Uwe Aulich

Berlin-Mitte - Das Glockenspiel im neuen Turm der Parochialkirche wird im September zum ersten Mal erklingen. Die 52 Bronzeglocken hängen schon in dem extra eingerichteten Geschoss. Doch bevor das Glockenspiel in Betrieb gehen kann, müssen an dem Bauwerk in den nächsten acht Wochen noch einige Restarbeiten erledigt werden.

Dann aber soll das einmalige Glockenspiel künftig dreimal pro Tag erklingen: um 9, 12 und 18 Uhr. Das sagt Eric Haußmann, der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde St-Petri-St. Marien. „Gespielt werden kirchliche Melodien, die je nach Tages- und Jahreszeit wechseln. Das ist wie eine Andacht, wie ein Gebet.“

Veränderte Stadtsilhouette
Haußmann hat in dieser Woche aufmerksam verfolgt, wie die Parochialkirche Stück für Stück ihren alten Turm zurückerhalten hat. Dieser war 1944 durch eine Brandbombe zerstört worden. Am Donnerstagabend gegen 20 Uhr installierten Monteure die 1,20 Meter große goldene Sonne als Krönung in 65 Meter Höhe. Dabei trugen sie Handschuhe, um das Blattgold nicht zu beschädigen.

Jetzt dreht sich die Sonne im Wind. „Innerhalb einer Woche hat sich Berlins Stadtsilhouette gewandelt“, sagt Haußmann. Tatsächlich ist die neue Turmspitze von vielen Standorten in der Umgebung gut zu erkennen, etwa von der Spandauer Straße aus oder auch vom Alexanderplatz. Am Freitag feierte die Gemeinde zusammen mit dem Verein „Denk mal an Berlin“ Richtfest für den Turm.

Gespendet hat das neue Glockenspiel der Unternehmer Hans Wall. „Die Singuhrkirche, wie sie genannt wurde, ohne Turm und Glockenspiel war ein trauriger Anblick“, sagt er. 420.000 Euro hat er privat gegeben, damit neue Glocken gegossen werden konnten. 52 sind es jetzt, früher waren es 37.

Gegossen wurden sie von derselben holländischen Firma, der königlichen Glockengießerei Petit & Fritsen, die vor rund 300 Jahren schon das historische Glockenspiel angefertigt hatte, wofür die Parochialkirche in Deutschland berühmt war. Wall möchte, dass nicht nur der Turm, sondern das alte Berlin wieder aufgebaut wird. Im Klosterviertel gehören dazu unter anderem die Klosterkirche sowie das einstige Gymnasium zum Grauen Kloster, so Wall.

Digitale und manuelle Musik
Architekt für den Turmbau ist Jochen Langeheinecke. Er hat sich auch um das Gießen der Glocken gekümmert, die anders als die historischen Vorlagen keine Krone mehr als Aufhängung haben. „Das Glockenspiel ist ein modernes Instrument. Es kann digital und manuell gespielt werden.“ Für den Glockenspieler hat er unter den Glocken einen Raum eingerichtet – mit Dreifachverglasung gegen den Lärm.

Mit dem Turmbau ist die Rekonstruktion der Kirche noch nicht abgeschlossen. Der Innenraum soll ab Ende 2016 eine Fußbodenheizung erhalten, die unverputzten Wände bleiben erhalten. „Optisch ändert sich nichts, künftig wird es hier aber wieder mehr Gottesdienste geben“, sagt Pfarrer Haußmann. Konzerte und Lesungen sollen wie bisher weiter stattfinden. Und Ausstellungen. Denn die Gemeinde arbeitet mit der Stiftung Kirchliches Kulturerbe zusammen. Die will die Parochialkirche zu ihrem Heimatort machen, Kunstwerke wie Gemälde und Skulpturen sollen hier restauriert und ausgestellt werden.

Die Berliner Zeitung im Internet: www.berlinerzeitung.de