Schinkels Bauakademie soll als Museum wiedererstehen. Das würde wiedergutmachen, was ihm Berlin angetan hat.
Süddeutsche Zeitung vom 13. Oktober 2016 - von Jens Bisky

Im Winde zittern die Planen, sie zittern sehr lang schon und erinnern daran, dass einst hier Karl Friedrich Schinkels Bauakademie stand und dass man sie wieder aufbauen wollte. Um das Jahr 2000 wurde zu Demonstrationszwecken die Nordostecke des Rohziegelgebäudes originalgetreu kopiert; wenig später wurden bedruckte Planen vor Gestänge und Gerüst gehängt, als Stellvertreter und Ankündigung der Mauern, die da kommen sollen. Die Gegend ist seitdem eine andere geworden: der kleine Schinkelplatz vor der Planen-Akademie wirkt mit seinen drei Denkmälern und dem aufwendigen Pflaster wie eine Preußenpostkarte in 3D, nebenan wird der Schlossneubau fachkundig verkleidet, außerdem stehen ringsum Baucontainer und allerneueste Wohngebäude herum. Das seien "Luxuswohnungen", heißt es. Innen müssen die toll sein, denkt der Berliner, der ganze Luxus muss da drin sein, denn die Fassaden zeigen ihn nicht, sehen sehr bescheiden aus.

Wer im Außenministerium arbeitet oder auf dem Bau, muss hier täglich vorbei, belebt wird die Gegend bislang durch Visionen und Pläne. Die Bauakademie solle als Architekturmuseum wiedererrichtet werden, schrieb in dieser Woche Hermann Parzinger im Tagesspiegel. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist einer der großen Drei in der Berliner Kultur - neben der Staatsministerin Monika Grütters und dem Kulturzuständigen der Stadt. Wer das demnächst im neuen Senat werden wird, weiß man noch nicht, viele hoffen, es möge diesmal - in der Nachfolge des Teams Müller/Renner - einen eigenständigen Kultursenator geben.

Ein Architekturmuseum also neben dem Humboldt-Forum, nur wenige Schritte von der Museumsinsel entfernt - der Vorschlag ist nicht ganz neu, aber vernünftig. Es gibt in Berlin großartige Sammlungen zur Geschichte der Baukunst in den letzten 300 Jahren. Ein Teil davon gehört der Preußenstiftung, ihrer Staatsbibliothek, ihrer Kunstbibliothek. Die Akademie der Künste, die Berlinische Galerie und die Technische Universität besitzen einzigartige Nachlässe, Entwurfsammlungen, Dokumentationen. Außerdem ist die Architektur die Kunst, in der sich Berlin am liebsten spiegelt. Modernisierungsdebatten sind hier seit Jahrzehnten als Architekturdebatten geführt worden. Das könnte ein Museum zeigen, den Streit dokumentieren. Außerdem gab es bis 1873 in der Bauakademie ein Schinkelmuseum.

Leidenschaftliche Berliner sehen mit Wehmut, wie dieses Zentrum beinahe ganz Museum wird.
Das 1836 vollendete Gebäude verleitet Architekturhistoriker zum Schwärmen. Es hat für uns eine eigene Poesie, wir glauben, der Geburt der Moderne zusehen zu können. Im Februar 1945 brannte das Gebäude aus. Der letzte preußische Baumeister, Richard Paulick, der den Wiederaufbau Unter den Linden vorantrieb, hatte sich auch der Bauakademie angenommen. Dann änderten sich die Pläne für das sozialistische Zentrum, was von Schinkels Bau noch stand, musste dem Außenministerium der DDR weichen. Dieses wiederum wurde Mitte der Neunziger abgerissen, um Platz zu machen für Planen und Pläne.

Gegen Parzingers Vorschlag spricht nichts. Die nötigen Mittel ließen sich wohl auftreiben, von Mäzenen, Spendern war immer mal die Rede. Leidenschaftliche Berliner sehen mit Wehmut, wie dieses Zentrum der Stadt beinahe ganz Museum wird. Aber das sind sie ebenso gewohnt wie das Schweigen der Landespolitik, wenn Ideen für die Stadtentwicklung gefragt sind (die Stadtentwicklungssenatoren stellt seit 1999 die SPD).

Die erste Ausstellung im neuen Architekturmuseum muss der Zerstörung der Baudenkmäler im Zeitalter der Rekonstruktionen gewidmet werden. Nur ein paar Schritte braucht es von der Bauakademie zur Friedrichswerderschen Kirche. Die Kirche ist, nein: war der einzig halbwegs authentisch erhaltene Schinkel-Bau in Berlin. Bauarbeiten für die "Kronprinzengärten" in der Nachbarschaft haben ihn demoliert. Wann Schinkels bestirnter Himmel in dieser Kirche wieder zu sehen sein wird, weiß keiner. Verantwortung übernimmt keiner. Aber noch nachdem der Schaden bekannt war, zum Richtfest der "Kronprinzengärten", sprach der Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel ein Grußwort. Der Irrwitz ist in der Tat museumsreif.

Die Süddeutsche Zeitung im Internet: www.sueddeutsche.de